Die Älteren werden sich erinnern: In den 1970er-Jahren gab es eine vergleichbare (Energie-)Krise wie aktuell - die Ölkrise. https://www.deutschlandfunk.de/energiekrise-70er-jahre-oelkrise-opec-100.html - Unterschied: Gefühlt haben wir es aktuell nicht nur mit einer Art Krise zu tun. Es kommen viele zusammen. Ist die Krise das "neue Normal"? Ein kleiner Rückblick auf das letzte Vierteljahrhundert...
Zum Millennium platzte die "dotcom-Blase", welche insbesondere
die sogenannten Dotcom-Unternehmen der New Economy betraf und vor allem
in Industrieländern zu Vermögensverlusten für Kleinanleger führte.
Um 2010 herum entwickelte sich die Eurokrise - sie umfasste eine
Staatsschulden- Banken- und Wirtschaftskrise. Wenige Jahre später wurde
von der Flüchtlingskrise geredet, in welcher allein unser Land, also
über 80 Mio. Einwohner_innen, mit sage und schreibe 1 Mio. Flüchtlingen,
Schutzsuchenden "fertig werden musste" (platt formuliert mussten sich
also 80 Deutsche um einen Flüchtling kümmern, ohauehaueha). 2020 ereilte
uns dann die Pandemie und hält uns bis dato mehr oder weniger fest im
Griff. 2022 ist mit Russlands Überfall auf die Ukraine vom neuen "kalten
Krieg" die Rede, nachdem man diesen Begriff Anfang der 90er eigentlich
begraben wusste. Nach mehr als 70 Jahren gibt es wieder Krieg auf dem
europäischen Kontinent. Infolgedessen ereilt uns nun eine Energiekrise -
das Gas wird erst knapp, infolgedessen teuer. Beim Strom, Benzin,
Diesel, Öl, etc. sieht es nicht anders aus. Überhaupt, gibt es
irgendetwas, das nicht teurer wird? Brot, Öl, Solarzellen, selbst die
Krankenkassenbeiträge. Die Inflation kennt lange nicht da gewesene
Höhen. Und ganz davon abgesehen: Die Klimakrise. In den Ländern rund um
das Mittelmeer wurden diesen Sommer vermehrt Hitzerekorde, Dürren und
trockene Flüsse gemeldet. Während man in Norditalien darüber
diskutierte, Wasser aus dem Gardasee zu nehmen, da der Po in weiten
Teilen ausgetrocknet war, kämpfte man wenige hundert Kilometer weiter in
Kärnten mit Hagel und Hochwasser. Indien verzeichnete bereits im Mai
(!) Temperaturen um die 50 Grad Celsius während man normalerweise in
Spitzenzeiten (im Juni) um die 40 hatte.
Zurück
zum Thema. Ein weiterer Unterschied heute zur Ölkrise in den 70ern: Der
Ruf nach staatlicher Unterstützung. Damals haben die Menschen Pferde
vor ihre Autos gespannt oder sind mit dem Fahrrad über autofreie
Autobahnen gefahren. Wenn der Staat heute nicht direkt die nächste
Tankfüllung sponsort, dann ist aber mal Unmut!
Hilfsbeispiele:
Der durch die Corona-Pandemie in Schieflage geratene Reisekonzern TUI
hatte knapp drei Mrd. Euro Staats-Kredite erhalten. Vergangenes Jahr
bekam die Lufthansa Milliardenhilfen https://www.tagesschau.de/wirtschaft/lufthansa-rettungspaket-regierung-101.html (jetzt erwartet sie übrigens Milliardengewinne: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/lufthansa-prognose-gewinn-101.html).
Vor über zehn Jahren hatte der Staat, zum Erhalt vieler Arbeitsplätze,
Opel unterstützt, sowie Arcandor (ehem. Karstadt/Quelle) oder auch
Galeria (Kaufhof), welche bis heute kein adäquates
Konzept/Überlebensmittel gefunden haben (die "Konsumtempel" von früher
sind einfach tot!)... vor einem Jahr war die Euphorie noch groß: https://rp-online.de/nrw/staedte/kleve/kaufhof-ist-geschichte-in-kleve-steht-galerias-warenhaus-der-zukunft_aid-63761913. Davon ist rund zwölf Monate später nicht mehr viel zu spüren: https://rp-online.de/wirtschaft/galeria-kaufhof-warenhaus-ohne-perspektive-fuer-zukunft_aid-78653005 trotz 680 Mio. Euro Staatshilfe in nur zwei Jahren.
Ja
sogar ganze Länder wurden schon mit dem Euro-Rettungsschirm vor dem
Bankrott gerettet (bestes/bekanntestes Beispiel Griechenland).
Mittlerweile,
wo sich die Krisen die Türklinke in die Hand geben (oder gleich alle zu
Gast bleiben), kaskadiert sich der Ruf nach staatlicher Unterstützung
herunter bis ins Kleinste: Die Bäcker wissen nicht mehr, wie sie
gestiegene Energie- und Lohnkosten weiterreichen sollen (ein Brot müsste
theoretisch zehn Euro kosten). Überhaupt, viele produzierende Gewerbe
(besonders energieintensive wie z.B. Glashütten) stehen praktisch vor
dem Aus. Kaum
ein mittelständischer Betrieb, dessen Geschäftsführer nicht in
irgendeiner Talkshow zu Gast ist und sich von den allgemeinen
Erläuterungen seitens der Politik enttäuscht zeigt (man erwartet wohl
direkt Millionenzusagen?). 2020 hat halb Deutschland Klopapier gehortet,
jetzt hat der Düsseldorfer Hygienepapierhersteller Hakle GmbH wegen der
stark gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten ein Insolvenzverfahren
beantragt (übrigens macht der Konzern die verzögerte Auszahlung von
Staatshilfen mitverantwortlich für die - Wortspiel! - beschissene Lage
des Unternehmens). https://www.rnd.de/wirtschaft/hakle-insolvenz-chef-von-toilettenpapierhersteller-macht-staat-mitverantwortlich-fuer-misere-H5ZNX2TMORD53GWFU444PM23JA.html
Und
sogar Krankenhäuser, welche irgendwann mal privatisiert und zwingend
als "Profit-Center" geführt werden mussten, können nun ebenfalls die
explodierenden Kosten für Heizung und Co. nicht mehr stemmen https://www.heise.de/tp/features/Krankenhaeuser-als-Profitcenter-6446484.html?seite=all. Dazu noch der Fachkräftemangel...
Die
Bundesregierung strickt ein Paket nach dem anderen: Mit Ausbruch des
Ukraine-Kriegs wurden 100 Mrd. in die Modernisierung der Bundeswehr
gesteckt. Das 9-Euro-Ticket 2,5 Mrd., der "Tankrabatt" über 3 Mrd.,
Wegfall EEG-Umlage mehr als 6 Mrd... mit rund 15 Mrd. insgesamt schlagen
alle Zuschüsse des "Osterpakets" (die bis dahin größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten)
zu Buche, inkl. 300 Euro Energiepauschale, 100 Euro Bonus für Familien
und 100 Euro für Sozialhilfeempfänger. Dann gab es noch Erhöhung des
Kindergelds, im dritten Entlastungspaket (Gesamtvolumen 65 Mrd.) u.a.
Einmalzahlungen für Rentner_innen und Studierende, höheres Wohngeld,
Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und und und. Und dann sowas:
https://www.focus.de/finanzen/news/in-deutschland-droht-bei-protesten-jetzt-eine-unheilvolle-allianz_id_140572527.html
"...werden unsere Mitglieder aber dann zu Protesten aufrufen, wenn keine ausreichenden Entlastungsschritte beschlossen werden.“
Da
weiß man doch bald nicht mehr ein noch aus. Innerhalb weniger Monate
ist das dritte Entlastungspaket beschlossen worden, die Tinte auf dem
Werk war vermutlich noch nicht ganz trocken, da wurde bei Stern.tv am
späten Sonntagabend bei RTL auch schon herzhaft drüber diskutiert. Gäste
unter anderem eine Pendlerin, welcher die hohen Spritpreise zu schaffen
machen und die sich demnächst wahrscheinlich arbeitslos meldet. Sie
sagt: „Bald lohnt sich das Arbeiten für Sprit nicht mehr!“. Den
Erläuterungen von Kevin Kühnert fällt sie dann auch mehrfach ins Wort...
"Wir haben das Kindergeld erhöht, um 18 Euro je Kind.." - "Was soll ich mir von 18 Euro kaufen?!". "Es gibt zusätzlich den Heizkostenzuschuss von 300 Euro..." - "BRUTTO!!!".
*Man
hat das Gefühl, wenn wir nicht binnen kürzester Zeit 80 Millionen
individuelle Rettungsschirme stricken, kannst du machen was du willst.*
Selbst wenn Du sagst "Jede/r Bundesbürger/in erhält 1.000 Euro cash (und
netto) - kann sich jede/r da und da abholen." würde es vermutlich
heißen "Was? Da kommt keiner persönlich zu mir? Wie soll ich da denn
hinkommen?". Frei nach dem Motto "WER GIBT MIR ETWAS? NIEMAND!" - wusste
Kalkofe schon 2015: https://www.youtube.com/watch?v=Fw8zVdLXG4Y
Deutschland
und weite Teile Europas stehen im Winter vermutlich vor einer
handfesten Energie-, Inflations- und damit einer Wirtschaftskrise,
welche die Folgen der Corona-Pandemie geradezu lächerlich erscheinen
lassen könnte.
Hinzu kommt, dass ausgerechnet jetzt gigantische Rettungsgelder verteilt werden müssen.
Es sind Summen, die wir dringend bräuchten, für Investitionen in
klimafreundliche und digitale Technologien, um uns für die Zukunft
erfolgreich aufzustellen. Putins Krieg bremst auch den Kampf gegen die
Klimakrise.
https://www.t-online.de/nachrichten/id_92413726/usa-die-groesste-demokratie-vor-dem-extremismus-stresstest.html
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