Es gibt Geschichten, die kann man sich nicht ausdenken... manche Firmen werden auf einmal vom Nobody zum Big-Player. "Zoom" beispielsweise kannte 2019 kaum jemand, obwohl die Firma acht Jahre zuvor gegründet und die Software schon seit sechs Jahren auf dem Markt war. Ein Jahr später ("Corona sei Dank") war es praktisch für jedermann und -frau ein Begriff, um aus dem Home-Office mit den Kollegen_innen Pandemie-geschützt arbeiten zu können (und die Aktie schoss von ursprünglich rund 40$ innerhalb rund eines Jahres rauf auf einen Spitzenwert von über 480$).
Und dann gibt es Firmen bzw. Marken, die kennt man scheinbar ewig und dann gehen sie auf einmal in die Knie. Jüngstes Beispiel: Tupperware.
Tupperware wurde bereits 1946 gegründet (und ja, von einem Herrn Tupper, Earl Silas Tupper um präzise zu sein), in Zeiten als ein Kühlschrank noch nicht zum gängigen Küchen-Inventar zählte. Die luft- und wasserdichten Behältnisse hielten verderbliche Lebensmittel länger frisch und genießbar. Dennoch gab es anfangs auch Absatzprobleme, bis man das Prinzip Direktvertrieb einführte. Die Tupperware-Partys wurden legendär. Kaum ein Haushalt, der sie nicht nutzte. Man ist mit den Kunststoff-Behältern aufgewachsen, die Mutter hatte Dutzende davon in der Küche und auch bei uns ist es nicht anders: Würde man "Tupper raus!" in die Küche schreien - die Hälfte der Schränke wären leer. Doch nun steht Tupper vor dem Aus. Das Geschäft hat sich offenbar überholt. Man kann die Produkte weder im Einzelhandel noch online erstehen, man muss auf so eine Party. Man hat in der Pandemie aber kaum noch Partys veranstalten können, das Online-Geschäft komplett verschlafen.
Gleiches Schicksal hat seinerzeit so einige Versandriesen ereilt: Neckermann und Quelle, um nur zwei zu nennen. Lediglich der Otto-Versand hat gerade noch so die Kurve bekommen und sich sage und schreibe schon 2019 vom (in Spitzenzeiten) mehr als 1.000 Seiten starken und über 1kg schweren Papierwälzer verabschiedet und kann anderen Online-Riesen (z.B. Amazon) noch einigermaßen die Stirn und damit dem Kunden eine Alternative bieten. Amazon auch so ein Beispiel: 1994 als ein reiner Buchversand aus der heimischen Garage entstanden, beschäftigt heute weltweit über 1,5 Mio. Menschen, bedient über 300 Mio. Kunden und macht damit einen Umsatz von über 514 Milliarden US-Dollar.
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erste Amazon-Webseite aus dem Jahr 1995 |
Amazon hat mit seinem Online-Kaufhaus (wirtschaftlich gesehen) den richtigen Weg gewählt. Ein anderer Dinosaurier, der jedoch (so gut wie) ausgestorben ist: Das Kauf- oder Warenhaus in der heimischen City. Früher gab es Hertie, Horten, Karstadt, Kaufhof, nicht nur in den großen Städten, sondern auch in mittelgroßen Ortschaften. Horten und Hertie sind längst Geschichte. Kartstadt und Kaufhof sind praktisch aus der Not fusioniert und stehen kurz vor dem K.O..
Grund: Das Warenhaus war früher ein Ort, an dem man alles bekam. Das war bequem, weil man nicht mehr in zig Fachgeschäfte dackeln musste, sondern alles unter einem Dach erhielt und ganz nebenbei waren diese Konsumtempel ein wahres Erlebnis - man hat das Einkaufen nicht als "zwingendes Übel" empfunden, nein es hat Spaß gemacht. Doch, auch diese hat der Onlinehandel irgendwann eingeholt. Anfänglich überwog die Skepsis, etwas "irgendwo" zu bestellen, vielleicht sogar noch auf Vorkasse und dann auf die Lieferung zu warten. Doch mit der Zeit setzte es sich durch: Es war einfacher, vom heimischen Sofa aus seine Einkäufe zu erledigen, anstatt sich anzuziehen, in die Stadt zu fahren, zuerst einen Parkplatz und dann eine/n Verkäufer/in zu finden, um sich dann zwei oder drei verschiedene Artikel zeigen zu lassen. In einem Bruchteil der Zeit hat einem das Internet hunderte, ja tausende Artikel zum Vergleich angezeigt. Man bekam seine Ware nicht selten kostenfrei zugeschickt und konnte was nicht gefällt ebenso kostenfrei zurückschicken. Und oftmals hat der sehr viel günstigere Preis die Wartezeit für den Versandweg mehr als entschädigt.
Technisch gibt es ebenfalls Beispiele: In der Videotechnik standen sich damals VHS und "Video2000" im sogenannten "Formatkrieg" gegenüber und (nur der Vollständigkeit erwähnt) auch noch Betamax - deren Marktanteil lag jedoch lediglich im einstelligen Prozentbereich, das können wir also getrost unter den Tisch fallen lassen. Und obwohl "Video2000" im Grunde das bessere Konzept hatte (etwa gleich große Kassetten hatten ggü. VHS das Doppelte der Spielzeit) führten überstürzte Markteinführungen zu unausgereiften, unzuverlässig arbeitenden Geräten. VHS war jedoch von Beginn an konsequent mit Blick auf den Privatanwender entwickelt worden und bot durch seine simple Konstruktion vergleichsweise preiswerte und zuverlässige Geräte. Der Verbraucher hat entschieden - 1989 wurden keine "Video2000"-Geräte mehr produziert.
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VHS-Kassette mit Platz für zwei Spielfilme |
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Video2000-Kassette mit 2x4 Stunden Kapazität |
Von seinerzeitigen deutschen Traditions-Unternehmen wie Grundig, Telefunken oder AEG ist heute nur noch der Name, bzw. die Rechte an selbigem übrig geblieben. Dahinter steckt heute zumeist Technik aus Fernost. Die Gründe für das "Ableben" der Unternehmen sind vielfältig und würden hier zu weit führen.
Gennadi Iwanowitsch Gerassimow, in den 1980er-Jahren außenpolitischer Sprecher von Michail Gorbatschow und seines Außenministers Eduard Schewardnadse, soll damals den (zumeist Gorbatschow zugeschriebenen) Ausspruch „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ geprägt haben. Anders ausgedrückt, wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit (ab)gehen. Das trifft auf alle oben genannten Beispiele zu. Tupperware hängt bis heute am Direktvertrieb fest. Die Warenhäuser boten von allem ein bisschen - man spricht von der Sortimentsbreite (man hatte halt Parfüm, Kleidung, Haushaltswaren und Technik), aber es fehlte die -tiefe (man hatte von einem Kleid vielleicht nur vier gängige Größen oder nur drei versch. Toaster).
Die Insolvenz-Welle trifft aktuell viele bekannte (Traditions-)Unternehmen: Görtz, Salamander und Reno (Schuhe), Adler, Esprit, Peek & Cloppenburg (Kleidung), Staples (Büroartikel) und Hakle (Hygienepapiere) sind jüngere Beispiele. Drogerist Schlecker, AirBerlin sowie Praktiker und der zur gleichen Baumarkt-Dachkette gehörende Max Bahr sind ältere Bekannte (vor der Pandemie).
Alle haben vielleicht auch nicht gut gewirtschaftet, aber sonst wohl schlicht irgendwann die Zeichen der Zeit, des Wandels, verschlafen - die Konkurrenz hat es besser gemacht. Progressivität, dem Neuen gegenüber offen zu sein, dem Fortschritt zugewandt, das ist die Zauberformel. Wer am Althergebrachten und dem "was immer funktioniert hat" festhängt, wird irgendwann von denen überholt, die sich das (Markt-)Geschehen angeschaut und (noch) besser gemacht haben. Und damit kommen wir zum eigentlichen Punkt: Ich kann mittlerweile die "Vorschläge" der Konservativen nicht mehr ertragen: "Lasst es uns nochmal mit Atomkraft versuchen!", "Jetzt noch schnell eine neue Ölheizung einbauen, bevor sie verboten wird!", "Wir müssen den Verbrennermotor weiterlaufen lassen!". Es dauert nicht mehr lange und dann erleben wir ein Revival der Dampfmaschine?!? Genug heiße Luft dafür produzieren ja schon viele selbst.
Wir
wollen (zu oft) zurück in eine (scheinbar) billige Vergangenheit, die uns aber in der Gegenwart
so teuer zu stehen kommt, dass sich viele die Zukunft nicht mehr leisten
können. Man sucht scheinbar aus purer Verzweiflung immer nur die Heilsbringung im Altherbrachten, anstatt Anstrengungen in neue Innovationen zu investieren. Und damit meine ich neben dem Forschen und dem Vermitteln von Know-How, AUCH finanzielle Förderung. Hierzulande möchte man aktuell weg von fossilen Brennstoffen, weil man festgestellt hat, wenn man sich auf eine Lösung, auf einen (Haupt-)Lieferanten (Russland) einlässt, kann das Probleme mit sich bringen. Öl- und Gasheizungen am liebsten sofort verbannen. Tja, das ist das Risiko beim "Single-Sourcing".
Alternative: Wärmepumpe. Und sonst? Nichts "und sonst". Es gibt derzeit keine (weitere) Alternative (zumindest keine nennenswerte) - Holz-Pellets sind mittlerweile ähnlich teuer wie Gas und Öl, Fernwärme ist nicht überall verfügbar und eine Brennstoffzelle... naja, die hat sich aufgrund des schlechten Wirkungsgrads und den hohen Kosten für die Infrastruktur sowie hohen Anschaffungs- und Wartungskosten schon beim Auto nicht durchsetzen können. Stattdessen wird die (einzige) Technologie, welche bei der Frage, wie wir unsere Häuser warm bekommen und heiß duschen können, die Wende bringen soll, auch noch geradezu verteufelt: "Funktioniert nur im Neubau und sonst auch nur im Sommer/bringt im Winter nicht genug Leistung..". Finnland, Norwegen und Schweden (alle nicht gerade für subtropisches Klima bekannt) installierten 2022 zehnmal mehr Wärmepumpen pro 1.000 Einwohner als Deutschland - muss einen Grund haben. By the way: Eine (Vaillant-)Wärmepumpe in DK kostet umgerechnet inkl. Einbau rund 25.000 Euro und ein Modell eines Schwedischen Herstellers erzielt eine Jahresarbeitszahl (JAZ) von 4,5 (bedeutet: Sie erwirtschaftet aus 1 kWh Strom, 4,5kWh Energie). Hierzulande muss man mit rund 30.000 - 35.000 Euro all inklusive rechnen und jüngst wurde uns eine Anlage mit einer JAZ von 3,irgendwas angeboten.
Ganz ehrlich, ich verstehe es nicht... jahre-, jahrzehntelang hat man mit Gas und Öl geheizt und sich keinen Kopf drum gemacht. Wenn gegen Ende der Heizperiode die Gasspeicher leer waren, hat man gesagt "Prima, hat ja gereicht!". Nun, wo der Rohstoff knapp und dadurch teuer wurde, hat jeder gespart wo er/sie konnte. Und siehe da: Am Ende der Heizperiode 22/23 sind die Füllspeicher noch zu knapp 2/3 gefüllt! Gut, wir hatten auch einen vergleichsweise milden Winter, aber dennoch. Jahrzehntelang war es den Immobilienbesitzern relativ egal, welchen Energiestandard das Haus hatte. Heizung runterdrehen während des Lüftens? Viel zu aufwändig! Jetzt, wo buchstäblich das Geld zum Fenster rausfliegt, fängt alles an, sein Haus warm einzupacken, zu modernisieren. Lernkurve: Erst wenn es teuer genug ist, wird investiert, wird vernünftig gehandelt. In der Zwischenzeit aber mal nach etwas neuem Ausschau halten, etwas Effizienteres entwickeln? Warum, läuft doch!
Anderes Thema: Deutschland war Anfang der 2000er-Jahre Weltmarktführer im Bereich Solarenergie. Dann, ca. ab 2011, aufgrund der Verlagerung von Produktionskapazitäten in Länder mit niedrigerem Lohnniveau, geringeren Umweltstandards und höherer staatlicher Förderung (die Regierung kürzte 2012 z.B. die Einspeisevergütung für Solarstrom drastisch), z. B. in Asien, sanken die Modulpreise und setzten die deutsche Solarindustrie zunehmend unter Druck. Mit der Abwanderung nach China gingen 80.000 Arbeitsplätze in der heimischen Solarindustrie verloren.
Ähnliches Beispiel Volkswagen. Die Volkswagen Group China verzeichnete 2017 auf dem chinesischen Markt
einen Absatz von rund 3,14 Millionen Autos und war nach Absatz die
größte Marke in China. Lange Zeit hatten deutsche Automobilhersteller nur Zugang zum
chinesischen Markt, wenn sie ein Joint Venture mit einem Partner aus der
Volksrepublik eingingen. Das erlaubte zwar den Verkauf der Fahrzeuge
auf dem größten Markt der Welt, führte jedoch auch zu einem enormen
Wissenstransfer, mit einem wesentlichen Effekt: Chinesische Hersteller produzieren mittlerweile Fahrzeuge, die
deutschen Modellen kaum nachstehen. Mehr noch: Mercedes verkündete erst Anfang
dieses Jahres eine Zertifizierung für automatisiertes Fahren nach Level 3
für den US-amerikanischen Straßenverkehr in Nevada erhalten zu haben - in Shenzhen sammeln chinesische Fahrzeuge längst Testkilometer auf Level 5! Man spricht beim Vorsprung von "Lichtjahren". Chinesische Hersteller setzen Kundenwünsche umgehend um. Ein
Beispiel sei die Sleeper-Funktion: Dabei stellt das Auto die Sitze in
die Horizontale, der Wagen heizt sich vor und filtert die Luft.
Chinesische Kunden können so in der Mittagspause kurz 30 Minuten im
Auto schlafen. Obwohl es nicht mehr ist als die Verknüpfung bereits
vorhandener Technologien, müssen deutsche Hersteller in China dazu
monatelange interne Abstimmungsprozesse durchlaufen. Chinesische Hersteller setzen so etwas einfach um. Und wir alle kennen die Geschichte, warum deutsche Automobilbauer damals zunächst keine Modelle in den USA verkauften... es lag an den fehlenden bzw. viel zu kleinen Getränkehaltern. Amerikaner fühlen sich aufgrund der großen Distanzen und den dadurch verbundenen langen Fahrten im Auto wie im 2. Wohzimmer und brauchen dann auch immer mal ein Getränk.
Nochmal etwas Geschichtliches: Als im 18. und 19. Jahrhundert die Industrialisierung technische Neuerungen wie den Webstuhl und die Dampfmaschine hervorbrachte, gefiel das nicht jedem. Innerhalb der Bevölkerung kam es schnell zu Protesten und Aufständen. Ähnliches widerfuhr dem Automobil Anfang des 20. Jahrhunderts: Wer damals ein Auto besaß, musste mit Drohungen und gewalttätigen Übergriffen rechnen. Dem deutschen Kaiser Wilhelm II wird ja gar folgendes Zitat zugeschrieben: "Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung".
Nicht zu vergessen: die Proteste gegen den Tonfilm in den 1930ern.
Wie wir alle wissen, hat nichts davon den technologischen Fortschritt aufgehalten – und trotzdem ist die Technologiefeindlichkeit in Deutschland noch immer stark ausgeprägt. Sogar die Wortwahl ist gleich geblieben: Während Kritiker den Tonfilm vor 100 Jahren als „wirtschaftlichen und geistigen Mord“ bezeichnet haben, spricht im Jahr 2023 ein gewählter bayerischer Minister im Zuge des von der EU beschlossenen Verbrenner-Verbots von einem „Anschlag auf den Wirtschaftsraum Europa“.
Wenn man dieser Tage Unions- oder FDP-Politiker über das Verbrenner-Aus reden hört, fällt stets der Begriff „Technologieoffenheit“. Dieser wurde von diesen Parteien in den vergangenen Jahren derart inflationär benutzt, dass er zu einer inhaltsleeren Phrase verkommen ist.Ich frage mich: Werden wir möglicherweise in 20, 30 Jahren kopfschüttelnd zurückschauen und uns fragen, wie wir DAS jahrzehntelang "normal" fanden:
Aber klar, wenn sich einfach jeder so ein Balkonkraftwerk ans Geländer hängt, DAS sieht nicht schön aus...
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