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Ukraine, Russland, China und Taiwan

Putin wollte die Ukraine praktisch im Sturm erobern und wie damals bei der Annexion der Krim wenig Tohuwabohu produzieren. Das war ein Satz mit X, dauert der Krieg in der Ukraine nun schon über ein Jahr. Und sind wir ehrlich, geschickt hat sich die Super-Macht Russland nicht angestellt.

Formiert sich eine neue "Achse des Bösen" gegen den Rest der Welt?
Nur zur Erinnerung…

MENSCHEN: Russland verfügt über etwas mehr als 1 Mio. aktive Soldaten, dazu 2 Mio. Reservisten und theoretisch fast 70 Mio. Menschen als wehrtaugliche Bevölkerung (Vergleich Deutschland: 36,8 Mio.; USA: 147,7 Mio.; China: 755 Mio.).

MONETEN: Das Militärbudget Russlands betrug im Jahr 2020 über 65 Milliarden US-$, das entspricht 4,3% des Bruttoinlandsprodukts (die Nato fordert von ihren Mitgliedern 2%). Vergleich: 2019 gab man sogar stolze 207 Mrd. US-$ aus und aktuell sind es geschätzt 154 Mrd. (lediglich China mit 250 und die USA mit 770 Mrd. geben noch mehr aus).

MATERIAL: 30.000 Militärfahrzeuge, über 12.000 Panzer, über 4.000 Flugzeuge und mehr als 600 Kriegsschiffe gehören zu den russischen Streitkräften


Man sollte also meinen, dass es sich um eine schlagkräftige Truppe handelt. Warum dauert es dann also über ein Jahr, um die Ukraine mit einer wehrfähigen Bevölkerung von gerade einmal 22,3 Mio. Menschen und 200.000 aktiven Soldaten, welche nur über etwas mehr als 2.500 Panzer und keinerlei atomaren Waffen verfügt, in die Knie zu zwingen? Welche „Fehler“ machte Russland beim Überfall auf die Ukraine?

  1. Man schickte anfangs, da man es ja als "militärische Spezialoperation" beschreibt und infolgedessen keine (General-)Mobilmachung ausrufen konnte, nur einen Teil seiner Truppen. Und das waren dann Freiwillige und/oder zumeist junge, unerfahrene Soldaten ethnischer Minderheiten aus der Provinz. 
  2. Später folgte dann doch zumindest eine Teilmobilmachung. Viele Russen fürchteten eingezogen zu werden und im Land regte sich Protest. Doch wer protestiert, wurde postwendend an die Front geschickt. Das wirkte, Proteste gab es kaum noch. Dennoch flüchteten viele junge Russen ins Ausland. Putin hatte zu Beginn des Einmarsches in die Ukraine versprochen, dass Wehrpflichtige nicht systematisch eingezogen werden. Würde er sich dennoch dazu entscheiden, müsste er sein damals geäußertes Versprechen zurücknehmen.
  3. Die Verluste - menschlich wie auch technisch - sind (unerwartet) hoch: Seit Kriegsbeginn soll Russland allein über 4.000 Kampf- und Schützenpanzer verloren haben (neben unzähligem anderen Gerät). Die Anzahl der gefallenen (russischen) Soldaten wird auf knapp 150.000 geschätzt. 
  4. Russland verteilt als „Dank“ für rekrutierte Söhne und Ehemänner Naturalien an die Familien: 5kg Fisch oder auch 10kg Kartoffeln und Möhren. Hinterbliebene von Gefallenen erhalten als „Entschädigung“ einen Pelzmantel, welcher aber wohl nach Posieren für die Kamera wieder einkassiert werden soll. 10kg Kartoffeln bekommt man beim Discounter für 4,99€. So viel sind Putin also Menschenleben wert.

  5. Mit zunehmender Dauer kommt auch immer älteres Gerät zum Einsatz. So beispielsweise Panzer aus Sowjetzeiten, wie der T55 dessen Produktion noch Nikita Chruschtschow ausgerufen hatte – teils sind die Panzer doppelt oder dreifach so alt, wie die Soldaten, die sie bedienen. Den modernen westlichen (Leopard, Abrams), mit denen die Ukraine mittlerweile kämpft, sind sie meilenweit unterlegen. 
  6. Sowohl die Ukraine als auch Russland verschießen mehr Munition, als nachproduziert werden kann. Russland verbraucht zwischen 20.000 und 60.000 Artillerie-Geschosse. Die Ukraine hingegen verschießt nur ein Zehntel dessen: Zwischen 2.000 und 7.000 Geschosse - jeweils pro Tag. Die europäische Rüstungsindustrie kann derzeit gerade mal so viel produzieren, wie Russland an einem Tag verschießt: 20.000 bis 25.000 Geschosse - pro Monat. Russland ist insbesondere durch das Handelsembargo wohl auch gezwungen, Munition nutzen zu müssen, die eigentlich als unbrauchbar eingestuft wurde.
  7. Das russische Militär erteilt Befehle von ganz oben nach unten durch (Top-Down-Struktur). Kein Soldat, keine Einheit macht praktisch etwas ohne Befehl von oben. Die Ukraine verfolgt eine andere Strategie, welche derer der NATO ähnelt. Es gibt zwar ein grundsätzliches, gemeinsames Verfahren, aber jede Einheit entscheidet weitestgehend selbst ihr Vorgehen, je nach Situation, welche sich auch mal schnell ändern kann. Dadurch lässt sich viel schneller, individueller und dadurch effektiver entscheiden, als stets auf Antwort von den Generälen aus Moskau zu warten. 
  8. All das, junge unerfahrene Leute, schlechtes oder ungenügend Material, dazu noch keine oder schlechte Versorgung bzw. mangelnder Nachschub und hohe Verluste tragen nicht sonderlich zur Moral der Truppe bei. 
  9. Zwar hat Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht ("Das ist kein Bluff!"), aber offenbar sind diese oder zumindest ein Großteil steinalt und vieles nicht mehr einsatzfähig. Insgesamt verfügt Russland über knapp 6.000 nukleare Sprengköpfe. Unter anderem z.B. 46 schwere Raketen des Typs "R-36M2 Voyevoda" (im Westen allgemein unter dem NATO-Namen "SS-18 Satan" bekannt), die in den 1970er und 80er Jahren hergestellt wurden. Die Haltbarkeit könne zwar mit Tests und Wartungen verlängert werden, dieser Raketentyp sei aber grundsätzlich für eine Lebensdauer von maximal zehn bis 15 Jahren ausgelegt. Randfakt: Jede dieser Raketen könnte bis zu zehn Sprengköpfe enthalten. Das entspricht einer Sprengkraft von bis zu einer Megatonne, also eine Million Tonnen TNT. Zum Vergleich: In Hiroshima setzten die USA 1945 eine Atombombe mit einer Sprengkraft von 16 Kilotonnen ein (=16.000 Tonnen TNT). Was dieser Unterschied bedeutet, lässt sich hier veranschaulichen:
    Vergleich Sprengkraft 1000 vs. 16 Kilotonnen

  10. Im Dezember verirrte (?) sich eine russische Rakete nach Polen. Nach Aussage des polnischen Regierungssprechers hat der Gefechtskopf keinen Sprengstoff enthalten. „Der ist ziemlich speziell, denn er ist aus Beton. Diese Rakete kann ohne das Gewicht des Gefechtskopfs nicht fliegen. Also hat jemand dieses Spitzenprodukt russischer Technologie dort eingebaut.". Bei der gefundenen Rakete, einer CH-55, handele es sich um eine russische Erfindung aus den 70er-Jahren, die ursprünglich dafür gedacht sei, mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet zu werden. Mit einer Länge von sechs Metern erreicht die Rakete eine Reichweite von etwa 3000 Kilometern. Damit könnte sie nebenbei erwähnt von (weiß-)russischem Boden theoretisch jede europäische Großstadt erreichen. Warum nun eine Rakete mit Betonkopf? Offenbar wollte man die ukrainische Luftabwehr damit versuchen zu verwirren.

Kampf auf Augenhöhe oder triumphiert David doch über Goliath? (Bild: Pixabay)
 

Und das sind nur ein paar Beispiele, welche vermuten lassen könnten, dass Russland schlussendlich den Krieg doch nicht gewinnen und sich (vielleicht/hoffentlich) alles doch noch zum Guten wenden könnte? Wenn, dann wäre es ziemlich zeitnah erforderlich, sagen wir grob binnen 1 bis 1,5 Jahren. Warum?

Die "Achse des Bösen" ist ein 2002 vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush geprägtes politisches Schlagwort. Er hat damit Länder beschrieben, die er beschuldigte, Terroristen zu unterstützen und nach Massenvernichtungswaffen zu streben und meinte speziell Nordkorea, Iran und den Irak. Wenn man so will, formiert sich gerade eine neue "Achse des Bösen":

  • Russland durch den Angriffskrieg auf die Ukraine
  • Belarus, welches die Stationierung von Russlands (taktischen) Atomwaffen erlaubt 
  • Iran, der Moskau Drohnen liefert und Russland damit im Angriffskrieg aktiv unterstützt
  • Nordkorea, welches Putin als "Vorbild" dient (und umgekehrt)
  • China, welches sich formell um Friedensgespräche im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine "bemüht", faktisch aber Putin Rückendeckung gibt. China ist schließlich Russlands größter Handelspartner. China sei ferner bereit, sich bei den jeweiligen "Kerninteressen" der beiden Staaten gegenseitig "stark" zu unterstützen.  

Russland und China haben 2018 ein gemeinsames Manöver abgehalten, aber um es bildhaft zu beschreiben: Wohl kein Chinese wird in der Ukraine fallen. ABER: Ernst für die NATO, speziell die USA wird es, müsste man nicht nur einen Krisenherd (Ukraine/Europa) in den Griff bekommen, sondern noch einen zweiten: Taiwan. Der chinesische General A.D. Zhou Bo hatte es kürzlich auf den Punkt gebracht: „Wir wollen den USA zeigen, dass uns alles andere egal ist, wenn es um Taiwan geht. Wir werden darum kämpfen, um jeden Preis.“.

Die Propaganda im russischen Fernsehen, insbesondere der Ultra-Nationalen hat bereits mehrfach demonstriert, London oder Paris binnen 200 Sekunden dem Erdboden gleichzumachen, bzw. die "ganze Insel" (UK) mit einem Tsunami von der Landkarte zu eleminieren oder wenn Deutschland weiter Panzer an die Ukraine schicke (man wird auch hier nicht müde, den Vergleich zu ziehen, dass deutsche Panzer wieder russische Soldaten töten), müsse es "Blut auf Berlins Straßen" geben. 

Nun geht auch China in die Offensive und gibt offen zu, dass es das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, die notfalls mit Gewalt mit dem Festland „wiedervereinigt“ werden soll. Abtrünnige Provinz? Ähnlich betrachtet China auch Kaschmir, im Konflikt mit Pakistan und Indien. Oder erinnern wir uns an 1997, als Großbritannien Hongkong an China übergab, verbunden mit einem völkerrechtlich bindenden Vertrag, laut dem die Menschen dort 50 Jahre ihre Art zu Leben beibehalten sollen, als chinesische Sonderverwaltungsregion. Vom liberalen Hongkong ist bereits nach knapp der Hälfte der Zeit wenig übrig.

In dieser Reportage ist ein Ausschnitt aus einem Propagandavideo der chinesischen Luftwaffe zu sehen (ab Minute 36), wo es heißt: "Meine Kriegsadler fliegen um die Insel der Schätze. Sie bringen Sehnsucht und flüstern in dein Ohr, dass du doch heimkommen möchtest.". Knallharte millitärische Drohung, samtweich verpackt.

Aus Chinas Sicht hat man vor seiner Küste eine Handvoll "Marionettenstaaten der USA": Japan, Südkorea, die Philippinen und eben Taiwan. Würde letzteres chinesisch, würde das "Reich der Mitte"  damit Seewege kontrollieren, über welche beinahe die Hälfte des Welthandels laufen.

Screenshot aus der Reportage "Putins Tabubruch"

Taiwan war nie Teil der Volksrepublik China und nur ein sehr kleiner Teil der taiwanesischen Bevölkerung würde einen solchen Plan gutheißen. Keine guten Voraussetzungen für eine friedliche Lösung. Eine Invasion ist nie einfach (s. Russland/Ukraine), erst recht nicht über den Seeweg und Taiwan hat große Bemühungen in die Befestigung seiner Grenzen gesteckt. Zudem verfügt die chinesische Armee praktisch über keinerlei Kampferfahrung. Doch man konnte mitverfolgen, welche Fehler Russland gemacht hat (s.o.). 

Sollte China sich doch dazu entscheiden, Taiwan militärisch anzugreifen, dann wäre der beste Zeitpunkt lt. Expertenmeinung schon jetzt recht klar: Im Januar 2025. Drei Gründe dafür:

  1. Sollte es Nachwehen bei der US-Wahl 2024 geben oder gar einen Machtwechsel, wäre dies ein geeignetes Zeitfenster für eine Invasion. Man hat in den vergangenen Jahren gesehen, dass die USA in einem solchen Fall oft monatelang kaum richtig handlungsfähig sind: Viele Top-Leute gehen schon Monate vor der Amtsübergabe, Spitzenstellen der Administration und Botschafterposten bleiben lange unbesetzt. Die USA könnten Anfang 2025 möglicherweise (sehr) geschwächt sein. 
  2. Zudem lässt sich die Taiwan-Straße am besten in den Wintermonaten überqueren, weil das Meer dann ruhiger ist. 
  3. Außerdem findet das chinesische Neujahrsfest 2025 im Januar statt. Dann reisen Hunderte Millionen Menschen durchs ganze Land, sodass man große Truppenverlegungen vom Satelliten aus kaum erkennen würde. 

Alles, was China dann noch braucht, ist eine Vollmondnacht und gutes Wetter. Bis dahin wird China Taiwan und den Westen weiter mit "Manövern" provozieren, so wie es Russland 2021/2022 ebenfalls gemacht hat. Immerhin hat Putin auch die Olympischen Spiele in Peking abgewartet (Abschlussfeier 20.02.2022), bevor er vier Tage später die Ukraine überfallen hat.


Beides (der Ukraine- und der Taiwan-Konflikt) in Kombination löst gewisse Beklemmungen aus, ehrlich gesagt.

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