Es gibt da auf einem Privatsender ein Sendeformat, welches der Öffentlichkeit Einblick in Bereiche gewährt, in die sich die Deutschen ganz speziell für gewöhnlich nicht reinschauen lassen: Kontoauszüge. Noch konkreter: Das Gehalt, den Verdienst, den Lohn. Über kaum ein anderes Thema wird in Deutschland ein größeres Geheimnis gemacht. Du willst meinen Browserverlauf tracken? Kein Thema. Ich soll via Ebay/Kleinanzeigen.de "als Bestätigung" meinen Personalausweis fotografieren? Überhaupt kein Problem. Für meine wertvollen Kundendaten und mein Kaufverhalten ein paar (Payback-)Punkte bekommen, die ich dann in irgendwelchen Tinnef ummünzen kann? Ja bitte, sehr gerne. Aber darüber sprechen, was man von seinem Arbeitgeber am Monatsende überwiesen bekommt? Um Gottes Willen! Nein, das macht man (hierzulande) nicht. Andere Länder sind da offener.
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Wetter, Sport, Politik, Religion... alles bessere Gesprächsthemen als das Gehalt |
In Schweden beispielsweise haben gesellschaftliche Transparenz und Vertrauen in den wohlmeinenden demokratischen Staat eine lange Tradition. Dementsprechend machen die Finanzbehörden die zu versteuernden Einnahmen aus Arbeit und Vermögen der Bürger öffentlich. Jeder kann hier problemlos die Einkommensverhältnisse eines jeden Bewohners einsehen – mit Ausnahme der des Königspaars. Ein positiver Effekt dieser Praxis ist die Diskussion über die Angemessenheit von Gehältern, die letztendlich dazu führen kann, dass die Einkommenslücke zwischen Viel- und Geringverdienern, aber auch die zwischen Männern und Frauen verringert wird. Auch die Steuermoral wird erhöht. Schließlich kann jeder einen Zusammenhang zwischen Lebensstil und versteuertem Einkommen herstellen. Gegner kritisieren dieses System beispielsweise aus Angst vor Einbrüchen und Entführungen. Kriminelle bräuchten nur noch die Steuerlisten nach lohnenden Opfern zu durchsuchen.
Übrigens: Auch in Norwegen und Finnland herrscht diese Art der Einkommenstransparenz. Diese staatliche Maßnahme beeinflusst selbstverständlich auch das Sprechen über Geld. Dem Thema wird ein großer Teil der Brisanz und des Geheimnisvollen genommen, es kann ja sowieso jeder nachschauen, was der andere verdient. Dass es auf Island inzwischen verboten ist, Frauen weniger zu zahlen als Männern in vergleichbarer Position, entstammt einer ähnlichen Transparenzkultur. Thema "Gender Pay Gap". Hier bei uns gilt: Geschickt verhandelt = mehr Verdienst. Da können Mann und Frau haargenau dieselbe Arbeit verrichten - wenn Frau beim Vorstellungsgespräch niedriger gestapelt hat, dann hat sie - um es salopp zu formulieren - Pech gehabt.
Doch zurück zum Thema. Wer die Sendung nicht kennt: Dort werden verschiedene Familien in ihrem Alltag gezeigt und wie viel sie für diesen ausgeben.
Das Thüringer Geringverdiener-Pärchen (sie 21, er 28, Kind 1) hat nicht allzu viel Geld (sein Gehalt rund 2.000 Euro netto), will aber alles haben bzw. auf nichts verzichten: Hund, Kaninchen, Pferd, zwei Autos, Fitnessstudio. Sofa, Kühlschrank, Geschirrspüler alles auf Rate gekauft. Bereits am Monatsanfang bleiben nach Abzug aller Fixkosten gerade mal etwas über 50 Euro! Zur Monatsmitte kommen dann aber noch Kindergeld (für den Sohn), ihr Kindergeld (von der Mutter) und eine Finanzspritze des Vaters hinzu - in Summe fast 1.000 Euro. Aber diverse Streaming-Anbieter, Pizza-Essen, Bankkredit, Versicherungen, Handyverträge und der Weihnachtsgeschenke-Ratenkauf fordern ihren Tribut. On Top noch eine Zahlung ans Finanzamt von über 200 Euro. Ach ja und beide brauchten noch (jeweils) eine Fitness-App fürs Handy. Somit ist man zur Monatsmitte, trotz inanzspritze rund 400 Euro in den Miesen. Es folgen bis zum Monatsende noch ca. 200 Euro Einnahmen aus einer "Selbstständigkeit", welche aber auch rund 60 Euro Ausgaben verursacht, aber auch weitere Ausgaben wie für ein Videospiel, Tierfutter, Tanken und und und. Da müssen 200 Euro vom Sparkonto aus Ausgleich herhalten und die Selbstständigkeit bringt nochmal 200 Euro ein. Am letzten Tag bekommt sie auch ihr Gehalt i.H.v. rund 700 Euro. Kaum ist das Konto wieder im Plus: Ausgaben Selbstständigkeit ("Wareneinkauf") 200 Euro. Woraus sie konkret die 700 Euro erarbeitet oder woraus das Kleingewerbe besteht, bleibt im Dunkeln. Stallmiete (210 Euro), neue Kinderschuhe und ein (zweifelsohne notwendiger) Restaurantbesuch lassen das Konto zum Monatsende mit einem Saldo von 0,49 Euro abschließen. Ohauehaueha.
Da ist die "Besserverdiener-Familie", vier Personen aus dem Speckgürtel Münchens, in ihrem sieben-Zimmer-Nichts. Monatliches Nettoeinkommen rund 8.000 Euro. Nach Abzug aller Fixkosten, hat sie am Monatsanfang "nur noch" rund 3.000 Euro übrig - zu den Fixkosten zählen auch 500 Euro Miete und 350 Euro Lebenshaltungskosten für die 18jährige Tochter, neben 168 Euro Studienkosten. Zur Monatsmitte bleiben noch rund 1.900,- Euro, trotz Einkauf beim Bäcker - Brötchen für vier Personen 15 Euro! O-Ton: "Ob wir damit noch hinkommen?". Sie sparen auch schon - mit einem Balkonkraftwerk, wodurch sie eigenen Strom produzieren und nur dann Wäsche waschen, wenn die Sonne scheint. Und ansonsten werden damit vorrangig die zwei Elektroroller aufgeladen, die neben den beiden Autos zusätzlich in der Tiefgarage parken. Und auf eine Vitrine für rund 1.700 Euro muss man auch "sparen". Randnotiz: Am Ende des Monats bleiben ihnen 1.300 Euro (O-Ton: "Wir haben's geschafft!"). Da bekommt die Tochter zum 19. Geburtstag auch ein eigenes Auto geschenkt (okay, ist gebraucht vom Bekannten für 250 Euro, aber die Nebenkosten werden Mutti und Vati sicher auch übernehmen).
Die Millionärsfamilie zahlt sich zum Monatsanfang 30.000 Euro auf's Privatkonto. Am Monatsanfang gehen dann rund 3.000 Euro für recht normale Dinge ab (Versicherungen, Hausnebenkosten, usw.). Dann fliegt man übers Wochenende mal eben nach Mallorca, mietet dort eine Yacht für einen Tagesausflug (2.500 Euro) und kauft für das neue Eigenheim einen Whirlpool für 14.000 Euro. Auf Mallorca gab man auch schon rund 500 Euro für das Restaurant aus, da wird zwischendurch zu Hause "zur Sicherheit" Blumenkohlsuppe selbst gekocht. Sie: "Blumenkohl war günstig, weißt du was Gurken mittlerweile kosten? 1,99!". Er: "So weit ist es schon?!". Als Getränk gibt es Mineralwasser. Am Ende des Monats bleiben ihnen rund 7.500 Euro. Zumindest scheinen sie auf dem Boden geblieben zu sein und sich den Wohlstand aus eigener Hände Arbeit verdient zu haben, hatten laut eigener Aussage "auch schon im Hochhaus gewohnt" und wenn es das Leben mal nicht mehr so gut mit ihnen meinen sollte, hätten sie auch kein Problem damit, wieder im Hochhaus zu wohnen. Ah ja...
Dann ist da die vierköpfige Familie mit einem Monatseinkommen von etwas über 3.300 Euro - sie liegt damit knapp am oberen Ende der Geringverdiener (WTF?!). Sie zahlt nur etwa 700 Euro Miete, weil der Vermieter durch ihre Wohnung die Treppe rauf in seinen Bereich muss. Ansonsten ist die Wohnsituation nicht gerade üppig - wenn die Kinder größer sind werden die Eltern wohl ihr Schlafzimmer räumen und in einem abgetrennten Bereich des Wohnzimmers ihr Schlaflager einrichten. Bedingt durch einen Schuldenberg von rund 75.000 Euro zahlen sie allein schon rund 800 Euro monatlich an Krediten ab - noch sechs Jahre lang. Okay, man zeigt Sparbereitschaft und kann den Einkauf von Windeln und Babynahrung von knapp über 100 Euro um rund 15 Euro durch Gutscheine drücken. Dennoch zahlt man Monat für Monat 5,95 Euro Kontoführungsgebühr an die Bank. Und ein Strafzettel für 82,50 Euro will auch bezahlt werden. Ebenso wie rund 100 Euro für Zigaretten. Da ist man mit knapp über 90 Euro Restsumme am Monatsende weit vom Ziel entfernt, dem Sohnemann zum Geburtstag ein Elektroauto für 300 Euro zu kaufen. Aber mit der Unterstützung der Verwandtschaft klappt es dann doch noch. Happy Birthday.
Auch Mutter und Sohn aus dem "Bürgergeld-Lager" dürfen nicht fehlen. Sie beziehen rund 850 Euro monatlich. In einem Monat gibt es dann sogar noch einen warmen Geldregen on top: Rückzahlung vom Stromanbieter i.H.v. 350 Euro. Doch die Sache hat einen Haken: Strom bezahlt das Amt. Somit müsste auch diese Rückzahlung ans Amt zurückgezahlt werden. Aber da man lieber Geld in Haarfärbemittel und Friseurbesuche investiert, 40 Euro für das bereits kaputte Poco-Sofa und 100 Euro monatlich an einen Anwalt für eine Nachbarschaftsstreiterei abgestottert werden und der Sohnemann Zigaretten lieber kauft (stattliche 150 Euro pro Monat), anstatt sie geldsparend selber dreht/stopft (das kann er nicht bzw. ist ihm "zu zeitaufwändig"), ist bereits am Monatsanfang wenig mehr als der an das Amt rückzuzahlende Betrag übrig (390 Euro). Ich frage mich, wenn selber drehen/stopfen ihm zu zeitaufwändig ist, wofür er die ganze Zeit braucht? Die beiden sieht man 90% des Tages zu Hause. Aber im Garten muss ja eine Baumwurzel weg, weil da soll ein Zaun hin, weil in den Garten noch ein Pool soll, damit man sich da nicht so beobachtet fühlt... VON DEM ACKER VORM HAUS, WO KEINE MENSCHENSEELE LANG LÄUFT!!! Vorher pflanzt man aber erst mal noch zehn Blümchen vom Netto - man will's ja auch ein bisschen schick haben. Und ein Drucker wurde angeschafft... um Bewerbungen schreiben zu können. Ach ja, und weil Getränke vom Discounter schleppen immer so schwer ist, will man auch einen Führerschein machen. Sohnemann hatte den mal angefangen, aber irgendwann nicht mehr weiter gemacht. Mutterns Pappe ist 1989 ausgestellt, aber elf Jahre später auf mysteriöse Weise "verschwunden" und nun "nicht mehr gültig"...? Doch allein der Kostenvoranschlag der Fahrschule holt beide schnell auf den Boden der Realität: 2.300 Euro pro Person (es muss ja zwei Führerscheine in der Familie geben). Und die Frage der Mutter nach einem "Gruppenrabatt", weil ja Mutter und Sohn beide gemeinsam machen würden, wurde von der Fahrschule nur müde belächelt. Man verschiebt das Projekt erst einmal und macht dennoch auf dem Verkehrsübungsplatz mit einer Bekannten ein paar Fahrübungen für 20 Euro, um später Fahrstunden zu sparen... die man sich eh nicht leisten kann. Die Bekannte möchte nicht ins Fernsehen und versteckt sich hinter der Kopfstütze - ich kann sie verstehen. Und danach McDonalds für 25 Euro muss auch drin sein. Über Jobbemühungen erfährt man sehr wenig. Kurz vor Ende des Monats bleiben noch rund zwei Euro, aber man hat ja noch Nudeln und Ketchup im Vorrat. Dann gibt es doch mal ein Vorstellungsgespräch als Ordner_in im Fußballstadion. Natürlich erst einmal maximal Minijob, um die Bezüge nicht zu beschneiden (Motto: Minimaler Aufwand - maximaler Ertrag). Frage Personalchef: "Abgeschlossene Ausbildung?". Sohn: "Eher nicht.". Personalchef: "Wie sieht denn die Zukunft aus, wo soll's hingehen?". Sohn: "Ganz nach oben!" *verlegenes Lachen*... Fremdscham-O-Meter ist hart am Anschlag.
Diese Sorgen hat Claudia Obert, von der Firma IMK (steht nach eigener Aussage für "immer mehr Kohle") nicht. Sie macht es "wie der Papst, ich geb' so viel aus, wie ich brauch" und braucht schon ihre 1.000 Euro am Tag. Sie muss sich nach eigener Aussage nicht dafür entschuldigen was sie hat, aber ihr tun alle leid, die weniger haben. Sie gibt täglich (ja wirklich jeden Tag!) das Geld für Friseurbesuche aus, was die Bürgergeld-Bezieher im Monat verrauchen. Hinzu kommen jeweils rund 2.000 Euro für Taxifahrten und Restaurantbesuche - da wird überall auch gerne und teils großzügig Trinkgeld gegeben. Anders als beim Gemüsehändler, wo man etwas Tomaten, Basilikum und Mozzarella kauft - Endsumme irgendwas mit 37,28 Euro. Claudia bezahlt mit einem "Da kann man nicht meckern." und einem Fünfziger. Der Händler fragt, ob sie vielleicht 28 oder 30 Cent in klein hätte, daraufhin wirft Frau Obert dem Gemüsehändler eine Handvoll Kleingeld auf die Gemüsewaage - soll er sich selber raussuchen "Ist mir zu mühsam!". Hätte man auch (mit 2,72 Euro Trinkgeld!) auf 40 Euro aufrunden können - hätte. Immerhin ist ein Blumenstrauß für 120 Euro auch "schweineteuer" und später gibt sie rund 900 Euro für eine Gesichtscreme aus, aber die hält ja auch Monate. Und wenn man in Berlin sein muss, macht das Hotel einen Sondertarif von 250 Euro, pro Nacht. Zurück zu den Tomaten und Co.: Kochen tut sie in ihrer Hamburger Mietwohnung für 700 Euro eh nicht - im Herd lagert das Werkzeug und in den Küchenschränken stehen Bücher. Sie geht stets essen, anstatt selbst zu kochen (im Restaurant werden 127 Euro dann schon auf 150 aufgerundet). Zwischendurch dann mal rund 600 Euro für Unterwäsche - der 36 Jahre jüngere "Freund" soll ja was zum Anschauen und "Auspacken" haben - und 250 Euro für einen "super-süßen Sonnenhut". Da sie leider, leider keine Wohnung für rund 5.000 Euro im Monat in ihrem Lieblingshotel (wo sie monatlich 1.800 Euro für Schwimmen und Massagen ausgibt) mieten kann (es wird und wird einfach nichts frei), wird dann später lieber doch eine Eigentumswohnung in Hamburg für etwas über eine halbe Million gekauft - ist ja auch eine Investition, keine Ausgabe. Oder auf der eigenen Finca auf Mallorca eine Yacht für einen Tag gemietet, Kostenpunkt 3.000 Euro. Sie überweist sich von ihrem Geschäftskonto den einen Monat 20.000 Euro - zur Monatsmitte bleiben dann nur noch 7.500 Euro, am Ende dann nur noch 750. Im nächsten Monat macht sie lieber 30.000 draus - das war doch etwas knapp für ihr Motto "Bumsen, Bechern, Business". Ich möchte vor Fremdscham im Boden versinken.
Ganz ehrlich: Ich gönne ja jedem sein Geld, dass er durch ehrliche Arbeit verdient hat. Und mein tiefster Respekt gilt denen, die den Bezug zur Realität nicht verlieren. Und ja, Rauchen hat etwas mit Droge/Laster zu tun, wo man nicht einfach mit dem Finger schnippt und man ist weg davon. AAABER: Es gibt einige Zeitgenossen, die haben absolut gar keinen Bezug zu Dingen der Notwendigkeit und Sachen die mehr als flüssig sind - überflüssig. Und dann gibt es noch diejenigen, welche die Kohle beinahe schon sinnlos raushauen, weil sie sie eben haben. Ich weiß nicht über welches Extrem ich mehr schockiert sein soll.
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