Aktuell regt sich Unmut, speziell in der Gastronomie. Warum? Zum einen wegen dem Fachkräftemangel - u.a. Corona hat dafür gesorgt, dass sich viele in der Gastro Beschäftigten andere (besser bezahlte und/oder mit verträglicheren Arbeitszeiten) Jobs gesucht haben. Dadurch fehlt Restaurants und Co. massiv Personal. Zum anderen gibt es (ebenfalls Corona-bedingt) eine (zeitlich befristete) Senkung der Mehrwertsteuer für diesen Bereich. Normal zahlt man für den Besuch im Restaurant 19% Mwst., doch noch bis zum Jahresende ist dieser Steuersatz auf 7% gesenkt (Ausnahme: Getränke). Dadurch soll den durch die Pademie stark gebeutelten Betreiber_innen staatlicherseits unter die Arme gegriffen werden.
Erhöhung Mindestlohn und gestiegene Energiepreise taten ein übriges dazu, dass ein Restaurantbesuch mehr und mehr zum Luxus mutiert. Die Reduzierung des Steuersatzes führte mitnichten dazu, dass alle Speisen 12% günstiger wurden. Beispiel? Neulich auf der Dienstreise mit einem Kollgen in einem zentral gelegenen Restaurant in Erfurt gewesen. Er: Zwei (!) Thüringer Klöße mit ein paar Waldpilzen in Rahmsauce und "etwas Grün" - 15,90 Euro. Für zwei Klöße! Ich: 200g Rumpsteak (das eigentlich mehr nach einem banalen Nackensteak aussah) mit Pommes und einem Beilagensalat - 25,50 Euro. Bitteschön. Vermehrt wird darüber berichtet, dass ein Schnitzel bald schon nicht mehr unter 30 Euro oder eine Pizza bald eher für 20 Euro zu bekommen sein wird. Sollten die Bemühungen um eine Beibehaltung des niedrigeren Steuersatzes umsonst sein, wird wohl alles darauf hinauslaufen. Doch das ist heute eigentlich gar nicht das Thema und dient nur als Teaser.
Die Mehrwertsteuer.. wat is dat eigentlich? Da stellen wir uns mal janz dumm (um ein bekanntes Zitat der Feuerzangenbowle zu nutzen). Spaß beiseite. Kurze Einführung: Die Umsatzsteuer (USt) ist eine Steuer, die auf den Verkauf bzw. den Austausch von Produkten und Dienstleistungen von Unternehmen erhoben wird. Die Umsatzsteuer beträgt laut §12 des Umsatzsteuergesetzes 19 %. Für bestimmte Waren und Leistungen gilt der ermäßigte Steuersatz von 7 %.
Die beiden Begriffe Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer werden in
Deutschland häufig synonym verwendet, wobei der steuerrechtlich korrekte
Begriff „Umsatzsteuer“ lautet. Die Mehrwertsteuer hat sich jedoch nicht
nur als umgangssprachlicher Begriff etabliert, sondern wird auch häufig
auf Belegen und Quittungen als "MwSt." ausgewiesen. Der Begriff
Mehrwertsteuer leitet sich aber eigentlich von der Form der Besteuerung
ab. Denn die Umsatzsteuer wird nach dem „Mehrwertprinzip“ berechnet.
Auch die Vorsteuer ist eine Mehrwertsteuer. Total verwirrt? Ganz ruhig...
Das Mehrwertprinzip gilt in Deutschland seit 1968. Produkte, die dem Gemeinwohl dienen und für das Existenzminimum (!Das wird später noch witzig!) nötig sind, sollten dadurch privilegiert werden. Dabei geht es beispielsweise um Lebensmittel, Bücher oder Zeitungen, aber auch Leistungen im Nahverkehr oder Kulturangebote. 75 Prozent der ermäßigten Artikel sind Lebensmittel. Der Staat lässt sich diese Reduzierung der MwSt. jährlich etwa 23 Milliarden Euro kosten. Demnach zahlt jedes Unternehmen nur Umsatzsteuer auf den Mehrwert, den es durch den Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung generiert (Differenz von Einkaufspreis und Verkaufspreis). Man spricht auch vom sogenannten Vorsteuerabzug.
Rechenbeispiel zur Mehrwertsteuer: Kauft beispielsweise ein Küchenstudio eine Küche im Wert von 8.000 Euro (netto) ein und verkauft diese im Wert von 11.000 Euro (netto), so wird die Umsatzsteuer nur auf den Mehrwert von 3.000 Euro fällig. Konkret:
- Brutto-Einkaufspreis: 8.000 € x 1,19 = 9.520 €
- Vorsteuer: 9.520 € (brutto) – 8.000 € (netto) = 1.520 € (diesen Betrag schuldet das Finanzamt dem Unternehmen)
- Brutto-Verkaufspreis: 11.000 € x 1,19 = 13.090 €
- Umsatzsteuer: 3.090 € (brutto) – 11.000 € (netto) = 2.090 € (diesen Betrag schuldet das Unternehmen dem Finanzamt)
Die Steuerlast ergibt sich dann aus der Differenz der Umsatzsteuer und Vorsteuer: 2.090 € – 1.520 € = 570 €. Diese Umsatzsteuerzahllast muss das Unternehmen schlussendlich (als Vorsteuer) ans Finanzamt zahlen.
Die Mehrwertsteuer macht etwa ein Drittel des staatlichen Gesamtsteueraufkommens aus. Im Jahr 2019 kamen von insgesamt knapp 800 Milliarden Euro Steuereinnahmen mehr als 243 Milliarden Euro aus der Mehrwertsteuer. Die corona-bedingte Reduzierung von 19 auf 16% und von 7 auf 5% im zweiten Halbjahr 2020 kostete den Staat übrigens ca. 20 Milliarden Euro.
So weit, so bürokratisch. Und (fast) jedermann (und -frau) weiß nun: Es gibt zwei Steuersätze. 19% ist "der Normale", 7% der Reduzierte, für "Güter des täglichen Bedarfs" wie es so schön heißt oder wie oben bereits erwähnt "Produkte, die dem Gemeinwohl dienen und für das Existenzminimum nötig sind". Könnte eigentlich sehr einfach sein? Ist es aber nicht. Beispiele gefällig? Tief Luft holen!
Oben hatten wir bereits eingangs das Beispiel in der Gastronomie: Beim Restaurant "Zur goldenen Möwe" (oder auch dem Imbiss an der Ecke) wird man am Ende der Bestellung immer gefragt "zum hier essen oder zum mitnehmen?". Das erfolgt nicht nur zur Information ob man die Sachen auf ein Tablett oder in eine Tüte packen muss. Der Kunde, der z.B. einen Cheeseburger im
Restaurant isst, zahlt (normal und geplant ab 2024 wieder) 19% als Umsatzsteuer. Bei
dem Umsatz handelt es sich nämlich um eine Restaurationsleistung, die
(normalerweise) mit 19 % zu besteuern ist. Nimmt der Kunde seinen Cheeseburger
hingegen mit, handelt es sich um eine Speisenlieferung, die mit 7% zu
versteuern ist. Das Restaurant/der Imbiss muss also weniger
Umsatzsteuer abführen (daher will die Gastronomie unbedingt die Beibehaltung der temporären Steuersenkung). Bei beispielsweise zehn Euro Umsatz, den der Kunde entrichten muss, macht das einen Unterschied zwischen 1,60 Euro und 65 Cent. Immerhin 95 Cent haben oder nicht haben für den Betrieb. Denn hierzulande sind stets Endpreise angegeben. Im Gegensatz zu den USA, wo beispielsweise am Supermarktregal die Nettopreise stehen und an der Kasse die Steuer hinzuaddiert wird. Würde man hierzulande ähnlich agieren (stünde also "Cheeseburger €2,50 + Steuer" an der Preistafel), wäre der Mitnehm-Cheeseburger (€2,68) für den Kunden billiger, als der, welcher im Restaurant gegessen wird (€2,98).
Für Verbraucher, die ein Päckchen Kaffee im Supermarkt kaufen, ist auf der Quittung der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7% ausgewiesen. Dabei ist es egal ob der Rohstoff bereits gemahlen oder
noch als Kaffeebohne vorliegt. Ausnahme: Instantkaffe wird mit 19% versteuert. Sonst also stets 7%. Das ändert sich jedoch, wenn Kaffee in der veredelten, flüssigen Form gekauft wird. Als genussfertiges Produkt fallen für die Tasse Kaffee im Restaurant oder Café 19% Mehrwertsteuer an. Dieser normale Mehrwertsteuersatz gilt auch für den „Coffee To Go Becher“ am Tresen. Da ist vor Ort oder "außer Haus" egal, denn die "Lieferung" von zubereiteten Kaffees ("coffee-to-go") und Tees unterliegt grundsätzlich dem Regelsteuersatz von 19%, da diese nicht dem § 12 Abs. 2 i.V. Anlage 2 zum Umsatzsteuergesetz unterfallen. Klar, oder?
Aber Kaffee ist aus Sicht der Steuerbehörde dann doch nicht gleich Kaffee. Schließlich gibt es ja auch Kaffee mit einem hohen Milchanteil wie den Cappuccino oder den Latte Macchiato. Der Verkauf von Milch im Geschäft unterliegt wiederum nur dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7%. Wenn daher Kaffee mit einem Milchanteil von 75% und mehr an einem Verkaufsort erworben wird, bei dem das Getränk nicht direkt vor Ort verzehrt werden kann, sind für den Kaffee nur 7% Mehrwertsteuer zu zahlen. Streng genommen besteht orignal italienischer Cappuccino aus gleichen Teilen Espresso und aufgeschäumter Milch - demzufolge also nur 50% Milch. Kann also sein, dass man mehr Milch reingemischt bekommt als normal, um den geringeren Steuersatz zu zahlen. Die Vergünstigung gilt aber wiederum nur für Kuhmilch, nicht z.B. für Soja-, Hafer-, Mandel- oder Reismilch, denn pflanzliche Milch wird nicht als Grundnahrungsmittel gezählt. Und streng genommen müsste es dann sowieso „Kaffee mit Haferschaum“ oder eine Tasse „Sojadrink-Kaffee“ heißen, denn laut Gesetz sind andere Bezeichnungen als Milch zu verwenden, wenn Kuhmilch durch Getränke aus Soja, Hafer oder was-auch-immer ersetzt wird. Der Begriff „Milch“ ist rechtlich geschützt. Nach einer europäischen Verordnung ist damit „das Gemelk einer oder mehrerer Kühe“ gemeint. Aber ich schweife schon wieder ab - anderes Thema.
Auf einen Apfel fallen auch 7 % MwSt. an, auf Apfelsaft aber 19 %. Wasser hingegen
zählt zum täglichen Bedarf und fällt unter den ermäßigten Satz – außer
es kommt mit Kohlensäure versetzt aus der Flasche. Also: Leitungswasser 7
%, Mineralwasser 19 %. Wir erinnern uns: Das Paket Kaffee 7%, die Flasche Sprudelwasser 19%. Kaffee = Grundbedarf. Sprudelwasser nicht.
Alkoholische Getränke werden ebenfalls mit 19 % besteuert. Wer es besonders prickelnd mag, zahlt auf Sekt und Co. übrigens auch noch die zu Kaiserzeiten eigeführte Schaumweinsteuer. Und wenn wir schon bei ein bisschen Luxus sind: Wer zum Schampus einen Hummer möchte, zahlt darauf 19 %. Gleiches gilt für Langusten, nicht aber für Krabben. Gänseleber, Froschschenkel, Wachteleier, oder Riesengarnelen werden mit ebenfalls nur mit 7% besteuert. Trüffel sind auch steuerlich begünstigt, sie fallen wie andere Pilze unter die 7 %. Sofern sie denn ohne Essig haltbar gemacht sind - Pilze und Trüffel, die mit Essig haltbar gemacht, bekommen den normalen Mehrwertsteuersatz. Ermäßigter Satz für Tomatenmark und -saft, normaler Satz für Tomatenketchup und -soße. Ab wann (welcher Dickflüssigkeit) ist ein Saft eigentlich Soße? Auch Kartoffeln gehören zu den Grundnahrungsmitteln (7%), Süßkartoffeln wiederum nicht (19%) - Ausnahme: Süßkartoffel-Pommes im Imbiss (7%), wenn man sie mitnimmt - hatten wir ja oben. Von Gewürzen fangen wir gar nicht an – hier hängt der Umsatzsteuersatz davon ab, ob sie frisch, getrocknet oder in einer Gewürzmischung verarbeitet sind.
Ähnlich wie bei Gewürzen, ist es bei Blumenschmuck: Sind
die Schnittblumen frisch, sind nur 7 % fällig, ein Adventskranz aus
frischen Bestandteilen ist vergleichbar mit Schnittblumen – überwiegen
jedoch getrocknete Bestandteile, fallen 19% an. Kompliziert wird es, wenn Islandmoos (Cladonia rangiferina, silvatica
und alpestris) begünstigt wird, nicht aber Isländisches Moos (Cetravia
islandica). Und: Trockenmoos wird
durch Anfeuchten nicht (wieder) zu frischem Moos. Tulpen in einer Papiertüte kosten als Gebinde nur 7%, sind sie mit Erde in einem Glasgefäß, 19%. Sind die Tulpen lose in dem Glasgefäß, fallen auf das Glasgefäß 19% und auf die Tulpen 7% Steuer an.
Besonders beim nächsten Punkt sollte man die Sinnhaftigkeit nicht hinterfragen, denn während Schnittblumen und Trüffel mit dem reduzierten Steuersatz ja zum "täglichen Bedarf" gehören, fallen Windeln aus dem Raster: Hier sind 19 % Umsatzsteuer angesetzt. Dasselbe gilt für Babynahrung. Tiernahrung hingegen: Täglicher Bedarf = 7%. Auf Bücher, Zeitschriften und Malbücher fallen auch 7% an, denn Bildung und Information soll nicht durch den vollen Steuersatz verteuert werden. Für E-Books gilt das kurioserweise nicht. Ebenso verhält es sich bei Hör- und Bastelbüchern.
Während auf Pferde aller Art 7 % Mehrwertsteuer
entfallen (dasselbe gilt für Haussschweine), sind es bei Eseln 19 % (ebenso bei Wildschweinen). Handelt es sich um eine Kreuzung aus
Pferd und Esel, also ein Maultier oder einen Maulesel, sind es nur 7 %.
Das Gleiche gilt für bereits geschlachtete Esel. Was, wenn ich ein Hausschwein mit einem Esel kreuzen möchte..? Lassen wir das...
Der öffentliche Nahverkehr zählt ebenfalls zum
täglichen Bedarf - sofern die Strecke nicht weiter als 50km ist. Bahn- und
Taxifahrten, die weiter sind als 50km, werden mit dem Regelsatz
von 19% besteuert. Flüge (in aller Regel >50km) sind jedoch komplett steuerbefreit, denn es gibt keine Kerosinsteuer. Etwas, das u.a. die Bahn seit langem anprangert. Fahren Sie allerdings mit dem Skilift, müssen Sie sich keine
Sorgen machen: Hier gilt immer der ermäßigte Satz.
Zwischenfazit: Wer sein Eselsteak mit Trüffeln im Skilift isst, spart dabei immer Steuern, solange er nur Leitungswasser trinkt.
Wir sind uns einig: Die Mehrwert- oder Umsatzssteuer bedarf DRINGEND einer Reform. Warum kommt sie nicht schon längst? Der Kampf um die Reform der Umsatzsteuer droht in einem Kompromiss zu Lasten des Verbrauchers zu enden. Am Ende siegt womöglich (wieder einmal) der Lobbyismus. Wir erinnern uns vielleicht noch an 2009, als eine der ersten Amtshandlungen der frisch gewählten schwarz-gelben Regierung, die Reduzierung des Mwst.-Satzes auf Hotelübernachtungen war. Etwas was wir alle ganz dringend brauchten (nicht).
Warum gilt der reduzierte Steuersatz nicht einfach auf alle nachweislich gesunden Lebensmittel, wie beispielsweise Obst und Gemüse? Zuckerhaltige Lebensmittel sollten nach der Menge des Zuckers (hoch) besteuert werden. Großbritannien hat das mit seiner Zuckersteuer bestens vorgemacht: Dortige Getränke enthalten teils nur noch halb soviel Zucker wie früher. Hört man jenseits des Festlands das große Stöhnen ("Please, bring mir aus dem Ausland die 'richtige' Cola mit, my dear!")? Nein, kein Brite beschwert sich über den Geschmack. Es ist eine Sache der Gewohnheit.
Eine Vereinfachung würde nicht nur uns Verbrauchern zu Gute kommen, viele auch wirklich entlasten, sondern vor allem den Gewerbetreibenden, da weniger Aufwand. Und Reduzierung von Bürokratie kommt dem Standort Deutschland zugute. Ja, es würde unter Umständen geringere Einnahmen für den Staat bedeuten oder womöglich partiell die einen oder anderen Mehrkosten für gewisse Leute. Unterm Strich müssen wir uns aber nicht fragen, warum auf die Orangen sieben Prozent und auf den Orangensaft 19% Steuer gezahlt werden. Und wenn auf Babynahrung und Windeln weniger Steuern entrichtet werden müssen, als auf Trüffel und Gänseleber, kommt das sicher mehr Menschen zugute, als umgekehrt.
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