Ich fasse es nicht. Nein, wirklich - ich kann es nicht begreifen, es will mir nicht in den Kopf. Ich hatte am gestrigen Abend ein ungutes Gefühl... ich wollte mich nicht schlafen legen, in der Angst in einer Welt aufzuwachen, in der Donald Trump erneut Präsident der USA ist bzw. wird. Und nun ist es so gekommen. Entgegen beinahe aller Erwartungen ist das "Kopf an Kopf"-Rennen sehr eindeutig ausgefallen. Trump gewinnt in beinahe allen Swing States, konnte sechs der Staaten „flippen“, also im Vergleich zur Wahl 2020 auf seine Seite ziehen. Der von einigen Demoskopen erwähnte Erdrutschsieg ist doch gekommen. Und auch in den beiden Kammern des Kongresses der USA, Senat und Repräsentantenhaus, wählten die Amerikaner_innen konservativ, republikanisch - etwas was kaum eine Umfrage vorhergesehen hat. Hintergrund: Bis auf wenige Ausnahmen müssen Beschlüsse von beiden Kammern übereinstimmend gefasst werden, wobei dem Präsidenten dann immer noch ein Veto zusteht. Da nun (künftig) aber alles unter Kontrolle der Republikaner ist, dürften die Zeiten in den USA rauher werden, insbesondere für afrikanisch-amerikanische Frauen aber auch für Menschen ohne Papiere, die illegal im Land arbeiten.
Trump kann nach Lust und Laune durchregieren - keine Demokraten-Mehrheit kann ihn stören. Die republikanische Partei in den USA ist eine "One-Man-Show" geworden. Durchaus denkbar, dass Trump - getreu seinen politischen Vorbildern - auch einfach die Regeln (Verfassung) ändern lässt, die derzeit vorsehen, dass ein US-Präsident max. einmal wiedergewählt werden kann und uns somit nicht einfach nur vier verdammt zähe Jahre bevorstehen, sondern ein Trump auf Lebenszeit droht. Ein Handelskrieg zwischen Europa und den USA ist ebenfalls nicht unwahrscheinlich - Trumps Lieblingswort sind "(Einfuhr-)Zölle". Dieser Handelskrieg könnte über die vierjährige Amtszeit gerechnet einen Verlust von bis zu 180 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft bedeuten. Grund: Die USA waren im ersten Halbjahr 2024 Deutschlands wichtigster Handelspartner.
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Die Amerikaner_innen haben es getan... schon wieder - Bild: KI-generiert |
Nochmal: Die Amerikaner sind nicht wirklich 50/50 gespalten, was die Präsidentschaftsfrage angeht. Sie haben deutlich mehrheitlich, und nicht nur "aus Versehen" Trump gewählt. Er hat bei den Älteren gewonnen, den Weißen, vor allem bei den Männern ("alte, weiße Männer"), aber auch bei den Latino-Männern und vorrangig bei Menschen ohne College-Abschluss. NBC News zufolge könnte Trump dieses Mal etwa ein Drittel der Stimmen von nicht weißen Wählern für sich gewonnen haben.
- Trotz der ersten Amtsperiode,
- trotz der angezweifelten Wahl 2021 und der Wahllüge,
- trotz des von ihm angezettelten Sturms auf das Kapitol,
- trotz dessen, dass er sich zweimal einem Amtsenthebungsverfahren stellen musste
- trotz all der Rechtsverfahren/Gerichtsprozesse gegen Donald Trump.
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Meiner ist größer! - Quelle: Netzfund |
Bei der Präsidentschaftswahl 2020 stand erst vier Tage nach der Wahl das Ergebnis fest: Der Demokrat Joe Biden schaffte es mit knappen Siegen in mehreren Swing States. Nach vier Jahren Trump wollte man lieber einen anderen alten Mann im Weißen Haus sehen. Biden gewann mit 306 Stimmen der Wahlleute. Rund 7 Mio. Stimmen machten den Unterschied - nicht viel wenn man bedenkt, dass dieses Land rund 335 Mio. Einwohner hat, von denen knapp 260 Mio. wahlberechtigt sind. Zum Vergleich: Bei der Präsidentschaftswahl 2016 gewann Trump gegen die Demokratin Hillary Clinton, obwohl diese insgesamt knapp drei Mio. Stimmen mehr als Trump holte - das Wahlsystem macht's möglich. Nun schafft es Kamala Harris ebenfalls nicht, die erste Präsidentin der USA zu werden - die USA hatten die Chance, etwas Historisches zu vollbringen. Und das (erst) im Jahr 2024 (dann doch nicht). Die Ansichten in diesem Land scheinen ebenso veraltet und verkrustet zu sein, wie das Wahlsystem an sich.
Denn wie allseits bekannt ist, entscheidet nicht die absolute Mehrheit der Wähler_innen insgesamt über die Wahl. Stattdessen wird von Staat zu Staat entschieden, wer die Mehrheit erringt. Und der jeweilige Kandidat bekommt dann ALLE "Wahlmänner"-Stimmen, welche dieser Staat in das Electoral College entsendet, welches schlussendlich über den Präsidenten entscheidet. Dieses System wurde vor 237 Jahren, der Zeit der Planwagen, in der US-Verfassung verankert. Weil das Land so groß und der Informationsfluss im späten 18. Jahrhundert so langsam war, entschloss man sich für eine repräsentative Demokratie. Jeder Bundesstaat bekam so viele Wahlleute, wie er Abgeordnete im Repräsentantenhaus besitzt, plus zwei weitere - unabhängig von Größe oder Anzahl von Einwohner_innen. Und somit kommt es dazu, dass ein "Electoral" - eine Wahlperson - aus dem eher dünn besiedelten Wyoming (mit etwas über 500.000 Menschen bevölkerungsärmster Bundesstaat = 3 Wahlleute) rund 150.000 Menschen repräsentiert, eine in Kalifornien (mit rund 39 Mio. mit Abstand bevölkerungsreichster Bundesstaat = 59 Wahlleute) jedoch mehr als eine halbe Million. Somit ist also vereinfacht gesagt eine Stimme auf dem Land eigentlich "mehr wert", als eine Stimme aus dem urbanen Bereich - bei ersteren wird traditionell eher republikanisch, bei letzteren eher demokratisch gewählt. Gleichwohl die Mehrheit der Bevölkerung dieses Verfahren als ungerecht empfindet, wird sich auch nach 237 Jahren voraussichtlich nichts ändern, denn das würde vorrangig beide großen Parteien (Demokraten UND Republikaner) benachteiligen. Die Welt dreht sich heute schneller, aber das System bleibt antiquiert.
Kritiker am System des einfachen Mehrheitswahlrechts und der konsequent umgesetzten Konkurrenzdemokratie im „Winner-take-all“-Prinzip in den meisten der 51 Abstimmungsgebiete beklagen, dass sich der Wahlkampf hauptsächlich auf die Swing States (die Staaten ohne klare Mehrheitsverhältnisse) konzentriere und damit die Anliegen der Wähler in diesen Bundesstaaten bevorzugt würden. Und wenn man sich den vergangenen Wahlkampf anschaut, ist da viel Wahres dran...
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Starke Präsenz beider Kandidaten in den umkämpften Swing States - Quelle: Votehub |
It’s the economy, stupid
And now we have the salad...
Trump hat im Wahlkampf keine Zweifel daran gelassen, wie er regieren würde: Am ersten Tag (nur?) wie ein Diktator. Er hatte nun vier Jahre Zeit, sich darauf vorzubereiten. Die republikanische Agenda, wie sie im „Project 2025“ ausformuliert wird, lässt nichts Gutes dafür ahnen. Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung – alles das wird in Frage gestellt. Im Nahost-Konflikt wird er den Flächenbrand sicher mehr anfeuern als löschen. Er ist kein großer Freund der NATO, bzw. würde allen Mitgliedsstaaten, welche sich nicht entsprechend an den Kosten beteiligen, die Unterstützung versagen. Sollte beispielsweise Russland ein NATO-Mitglied angreifen, welches nicht die 2% des eigenen Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert, so würde er Russland ermutigen (Zitat) "mit ihnen zu machen, was immer zur Hölle sie wollen". Ein klare Ankündigung zum Bruch des Nordatlantikvertrages, welcher die Rechte und Pflichten der NATO-Mitglieder regelt.
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Haben womöglich die beiden ihre Finger bei der Wahl mit im Spiel? - Quelle: Netzfund |
Apropos Krieg: Er (Trump) behauptet, den Ukraine-Krieg an nur einem Tag beenden zu können, ohne dabei konkret zu werden. Was das also auch immer bedeuten mag, es darf jedoch bezweifelt werden, dass der Putin-Versteher zu Gunsten der Ukraine handeln wird. Nein - eher bekommt die katholische Kirche eine Päpstin. Er wird die Unterstützung für die Ukraine zurückfahren, möglicherweise sogar komplett einstellen. Ja, Trump wird die Ukraine fallenlassen, denn für ihn ist sie wertlos. Ebenso wie eine auf Regeln gegründete internationale Ordnung. Er ist ein Narzisst.
Wird er zum 47. Präsident der USA gewählt, wird ihm das bei seinen vier Strafverfahren helfen. Trump hat versprochen, den Sonderstaatsanwalt, der zwei Bundesverfahren gegen ihn eingeleitet hat, sofort zu entlassen. Das muss man sich mal überlegen. Sowas kann Präsident werden. Richard Nixon trat 1974 infolge der Watergate-Affäre zurück, nachdem eine Reihe von gravierenden „Missbräuchen von Regierungsvollmachten" bekannt wurden. Hierzulande nahmen Politiker_innen ihren Hut, weil sie bei ihrer Doktorarbeit geschummelt haben.
Hier hat ein Mann diese Wahl, mit Lügen, mit Unterstellungen, mit Drohungen, mit rassistischen und menschenfeindlichen Äußerungen und auch mit autoritären Konzepten gewonnen, hat die (deutliche) Mehrheit der Amerikaner hinter sich gebracht. Donald Trump hält seine Unterstützer für bedingungslos treu - und offenbar auch für treudoof: "Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren", sagte Trump schon 2016 bei einem Auftritt im christlichen Dordt College in der Stadt Sioux Center in Iowa. Man muss befürchten, dass er damit recht hat. Wer aus der Vergangenheit nichts lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen. Und: Jedes Land erhält die Regierung, die es verdient.
Hat sich gelohnt
Berühmtester Trump-Supporter Elon Musk dürfte sich ebenfalls freuen. Die Tesla-Aktie schießt anlässlich der Trump-Wahl durch die Decke. Für ihn hat sich sein Engagement als Wahlhelfer ausgezahlt: Er ist nach der Wahl rund 90 Mrd. US-Dollar reicher. Die kommen nochmal auf seine bereits geschätzten rund 260 Mrd. hinzu (260.000.000.000$). Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen... nehmen wir an, ich hätte zu Christi Geburt begonnen (und wäre dazu in der Lage gewesen), jeden verdammten Tag (!) 100.000 auf die Seite zu legen, ich wäre heute nicht mal annährend so reich, wie Elon Musk.
Die Gratulanten
Aus Russland kommen erste Reaktionen der Freude über den Sieg von Ex- und "bald wieder"-Präsident Donald Trump. „Halleluja“, schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, in ihrem Telegram-Kanal. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gratuliert Trump bereits vor Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses zum Wahlsieg. Auf X spricht Orban vom "größten politischen Comeback" in der US-Geschichte. "Herzlichen Glückwunsch an Präsident Donald Trump zu seinem enormen Sieg. Ein dringend benötigter Sieg für die Welt". Glückwunsch an PRÄSIDENT (!) Donald Trump. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders gratuliert ebenfalls Präsident Trump und Amerika. Was kommt als nächstes? 2025 eine neue Bundesregierung aus Union und AfD?
Offenbar schockiert hier auch kaum noch jemand, dass Sachsens Landesvater Michael Kretschmer (CDU) sich zu einem vertraulichen Gespräch mit Sachsens AfD-Chef Jörg Urban getroffen hat. Oder gar der jüngste Fall mit AfD-Beteiligung: „Sächsische Separatisten“ [der Name dürfte kein Zufall sein - kurz "SS" (!!!)], bei denen mehrere AfD-Politiker beiteiligt waren (was die AfD natürlich abstreitet/sich von der Gruppe distanziert), planten mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern zu erobern, um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten. Wer in der rassistischen Ideologie nicht zu diesem NS-Staat gehört, sollte „notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden“, teilte die Strafverfolgungsbehörde mit.
The world has gone completely nuts. Wir sind alle hoffnungslos verloren...
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