...sind nicht (unbedingt) die eigenen Kinder. Auch nicht der Hund, wie gemeinhin gesagt wird. Nein, es ist und bleibt das Auto. Das Fahrzeug, obwohl korrekterweise müsste es "Stehzeug" heißen. Denn wenn man es realistisch betrachtet, steht das Auto mehr, als es fährt - im Normalfall. Beispiel? Otto Normalverbraucher steigt morgens um 07:00 Uhr in sein Gefährt, um die durchschnittlichen 17,2km zur Arbeit zu fahren. Und das tun (mit dem Auto) beinahe 60% der Berufstätigen - nur Bruchteile benutzen das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel. Sprechen wir der Strecke mal rund eine halbe Stunde Zeit zu. Dann arbeitet man einen Vollzeitarbeitstag, während das Auto brav vor der Türe wartet. Um 16:30 Uhr geht es dann wieder heim, oder vielleicht noch zum kurzen Einkauf, bevor es dann vor der heimischen Türe wieder in den Wartemodus bis zum nächsten Morgen geparkt wird. Kommen wir auf rund eine Stunde, vielleicht auch 1,5h Fahrtzeit am Tag. Sicher, bei manchen wird es auch mehr sein. Aber in diesem Beispiel steht das Auto etwa 23 von 24 Stunden des Tages herum. Die Deutschen gucken 2-3 mal mehr Fernsehen am Tag, als sich mit dem Auto zu bewegen. Bei der Handynutzung ist es genauso. Selbst der vermeintliche beste Freund des Menschen braucht doppelt so viel Bewegung und Auslauf.
Problemfall E‑Auto? - Karikatur: Gerhard Mester
Wenn es aber irgendwie um Einschränkungen oder nur Veränderungen im Verkehrsbereich geht, kennt der Deutsche keinen Spaß. Tempolimit auf den Autobahnen? Traut sich kein Verkehrsminister heran, gleichwohl es dafür eine mehrheitliche Zustimmung in der Bevölkerung gäbe. Der Spritpreis steigt? Skandal! Warum tut die Regierung nichts dagegen (Stichwort "Tankrabatt")!? Abgesehen davon, dass sich einige medienwirksam vor Preistafeln von Tankstellen positionieren, eine "Spritpreisbremse" fordern und dem Pöbel nach dem Mund reden. In der heimischen Kommune wird eine Straße modernisiert... okay, das ist in Ordnung, schont dann auch meine Stoßdämpfer... aber durch den Umbau und die Neuordnung des Straßenverkehrs fallen ein paar Parkplätze weg? SKANDAL! Kommunen müssen immer häufiger die in die Jahre gekommenen Straßen aber auch Gehwege modernisieren. Oftmals sind die aus den 1960ern oder 70ern stammenden Planungen sehr autolastig ausgelegt gewesen. In entsprechend alten Stadtteilen sieht man Gehwege, die schmal genug sind, dass man schon ausweichen muss, wenn sich zwei Fußgänger begegnen. Ist dabei dann noch jemand mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen unterwegs, wird es beinahe unausweichlich, dass der/die "mobilere" auf die Straße ausweichen muss.
Ergo basteln immer mehr Verwaltungen und Baubehörden daran, die Räume der Innenstädte denen zurückzugeben, die darin leben: DEN MENSCHEN! Zum Beispiel mit gemischten Verkehrsflächen, allgemein hin besser geläufig (wenn auch nicht 100%ig korrekt) als "Spielstraße", also wo nicht strikt nach Fußweg und Straße getrennt ist, sondern wo sich Fußgänger, Fahrrad- und Autofahrende einen gemeinsamen Bereich teilen - in den 1990ern als "Shared Space" in den Niederlanden entwickelt. Oftmals wird hierbei auch daran gedacht, dass man die Aufenthaltsqualität erhöht (z.B. mit einer Sitzbank) oder dem Klimawandel entgegengewirkt wird (indem man - etwas - mehr Grün pflanzt). In anderen Bereichen bekommt z.B. der Fahrradverkehr eine eigene Spur - in Hannover beispielsweise gibt es drei große Ein-/Ausfallstraßen: Die Hildesheimer, die Vahrenwalder und die Podbielskistraße. Alle haben eines gemeinsam: Jeweils zwei Fahrbahnen stadtein- und -auswärts, in der Mitte die Straßenbahn. Auf der letzten Straße wurde jedoch vor einiger Zeit die rechte Autospur zur Fahrradspur. Man könnte meinen, es drohte der Verkehrskollaps, weil ja nun für den Autoverkehr nur noch die Hälfte der Fläche zur Verfügung stand. Doch, oh Wunder, es verläuft alles normal. Es geht... wenn man will.
All diese Maßnahmen brauchen natürlich Fläche. Fläche, welche in den vergangenen Jahrzehnten oftmals zum großen Teil dem Autoverkehr zugewiesen wurde. Und die Fläche ist ja nicht beliebig skalierbar: Sehr oft stehen ja beispielsweise links und rechts Häuser. Der Platz dazwischen ist also "fix" - der Kuchen kann nicht vergößert, sondern muss anders aufgeteilt werden. Allzu oft reden wir gerne von Verkehrs- oder Mobilitätswende. Problem: Der Deutsche möchte nicht gestalten - er will mit dem Status Quo unzufrieden sein.
"PKW-Dichte" von Kostas Koufogiorgos
Am 1. Januar 2025 gab es in Deutschland insgesamt 61,1 Millionen zugelassene Kraftfahrzeuge, darunter 49,3 Millionen Pkw - bei rund 83 Mio. Einwohner_innen. Der Pkw-Bestand erreichte damit einen neuen Höchststand. Zieht man dann noch die etwa 14 Mio. Menschen bis einschl. 17 Jahre ab, die theoretisch noch kein Auto fahren dürfen, verbleiben noch 69 Mio. Menschen, mit rund 49 Mio. Autos. In Deutschland leben etwa 10,5 Millionen Hunde - etwa 21% der deutschen Haushalte haben einen Hund. Lediglich Smartphones haben wir noch mehr als Autos (und Hunde): Auf 100 Menschen kommen 134 Geräte.
Etwa 1,4 Deutsche teilen sich ein Fahrzeug! Und die brauchen halt auch Platz. Und genau da liegt das Problem: Wir haben keinen! Also nicht für diese Masse. Deutschland ist ähnlich groß wie Norwegen, Finnland oder die Republik Kongo. Aber auch ähnlich groß wie Vietnam oder Japan. Worin der Unterschied liegt? Norwegen und Finnland haben jeweils nur rund 5,5 Mio. Einwohner_innen. Vietnam und Japan wesentlich mehr, kommen auf über 300 Einwohner_innen pro km². Deutschlands Wert liegt bei 233/km². Die Skandinavier oder auch der Kongo pendeln lediglich um die 17 Menschen pro km². Die Finnen verzeichnen rund 2,5 Mio. Autos (bei etwa 5,6 Mio. Einwohner_innen. 125 Mio. Japaner_innen haben rund 67 Mio. Autos. In Singapur benötigt man zum Autofahren eine limiterite Lizenz für (umgerechnet) schlappe 80.000 Euro - dort versucht man so dem Platzproblem Herr zu werden (das sollte man sich hier mal trauen - Aufstände oder gar bürgerkriegsähnliche Zustände wären die Folge). Okay, die haben (nach Monaco) auch die höchste Dichte an Menschen/km².
Aber nochmal zurück: Über die Jahrzehnte konnten sich nicht nur immer mehr Menschen ein (eigenes) Auto leisten, auch wurden die Autos immer größer. Das Lieblingsauto der Deutschen feierte kürzlich Geburtstag: 50 Jahre ist der VW Golf jetzt alt, und noch immer ist er das meistverkaufte Fahrzeug hierzulande. Doch das, was heute als Golf angeboten wird, hat nur noch wenig mit dem zu tun, was am 29. März 1974 erstmals vom Band gelaufen ist. Der Golf VIII ist einen halben Meter länger und rund eine halbe Tonne schwerer als der Golf. Und: Jedes dritte neu zugelassene Auto in Deutschland ist inzwischen ein SUV - eine Schrankwand auf Rädern.
Golf VIII vs. Golf I - Foto: Autozeitung
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