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(zu wenig) Klimaschutz gefährdet unseren Wohlstand

Man kennt das Sprichwort: Wer billig kauft, kauft (meistens) doppelt. Oder anders gesprochen: Ich habe kein Geld, um mir billiges Zeug zu kaufen. Praktisch: Wenn man vor der Wahl steht, dass man beispielsweise einen neuen Toaster braucht, kann man natürlich das "no name"-15 Euro-Teil vom Discounter nehmen, oder aber ein Markengerät für knappe 50 Euro. Manche würden auch argumentieren "Da kann ich ja drei billige Toaster kaufen und hab immer noch gespart!" - ja Manfred, aber Du musst halt auch drei Mal kaufen UND entsorgen! Anzunehmen ist auch, dass die Variante für 15 Euro mit viel Glück gerade einmal die gesetzliche Gewährleistung (zwei Jahre) übersteht - was die meisten nicht wissen: Schon nach sechs Monaten ist man als Verbraucher jedoch in der Beweispflicht, dass der Mangel bereits beim Kauf bestand. However.

Nein, ein Toaster-Kauf rettet natürlich NICHT die Welt (lediglich Veranschaulichung am prominenten Beispiel einer Discounter-Kampagne!!!) - Grafik: Collage

So ähnlich wie beim Toaster verhält es sich auch beim Klimaschutz. Erinnern wir uns noch an die Aussage von Markus Söder, als er vergangenes Jahr mit Gummistiefeln und Regenschirm im Überflutungsgebiet stand und sagte: "Damit konnte nun wirklich niemand rechnen!"? Doch, Markus... damit musste man rechnen, schon vor vielen Jahren, mindestens schon 2019. Hat man in Bayern aber nicht, als man (die CSU) die Koalition mit den Freien Wählern schmiedete und z.B. "größenwahnsinnige Flutpolder" abschmetterte. Die Hochwasserkatastrophe 2024 hat in Bayern zu Schäden in Höhe von über 4,1 Milliarden Euro geführt, wobei nur etwa die Hälfte davon versichert war. Bayern hat über 60 Millionen Euro an Nothilfe für Betroffene bereitgestellt.

Und nochmal zur Verdeutlichung: Das ist nur die Summe für die Entschädigung bzw. Beseitigung der Schäden. Davon ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts in Hochwasserschutz (Achtung, Wortspiel) geflossen! Soll heißen: Hätte man VORGESORGT und die Gelder in wirksamen Schutz INVESTIERT, hätte man kein (oder zumindest bedeutend weniger) Geld für Schadensregulierung ausgeben müssen. Billiger Toaster, hochwertiger Toaster. Okay zugegeben, der Vergleich hinkt ein klein wenig, aber es sollte vom Grundprinzip klar sein.

Klimaschutz sind keine Schulden, sondern Investitionen - Karikatur: Mester

Fakt ist: Effektiverer Klimaschutz würde sich nach einer aktuellen Studie der OECD und des UN-Entwicklungsprogramms UNDP auch wirtschaftlich lohnen – und zwar im Laufe der Zeit immer stärker. Denn gerade in der zweiten Jahrhunderthälfte würden Schäden, die mit einem geringeren Anstieg der Erdtemperatur milder ausfielen, positiv zu Buche schlagen. Die Autoren der Studie haben zwei Szenarien verglichen: Im ersten würde die Weltgemeinschaft beim Klimaschutz so weiter machen wie bisher und bereits beschlossene Klimaschutzvorhaben umsetzen. Der globale Ausstoß an Treibhausgasen würde den Berechnungen zufolge damit bis 2040 um 7 Prozent sinken im Vergleich zu 2022. Die Erdtemperatur würde bis zum Ende des Jahrhunderts um 2,45 Grad ansteigen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Im zweiten Szenario hingegen bliebe der Temperatur-Anstieg wie bei der Pariser Weltklimakonferenz 2015 vereinbart deutlich unter 2 Grad, konkret: bei 1,7 Grad. Die Emissionen würden damit bis 2040 um 34 Prozent sinken! Die weltweite Wirtschaftsleistung läge im zweiten Szenario bis 2040 um 0,2 Prozent über jener im ersten; bis 2050 läge die Differenz bei 3 Prozent und bis zum Jahr 2100 bei 13 Prozent.

Wir müssen umdenken und zwar in sehr vielen Bereichen. 

Ein ganz simples Beispiel zur Veranschaulichung (und weil ich selbst einmal dort war, kann ich es gut beurteilen): Der spanische Stadtplaner und Architekt Ángel Panero wollte während des Lockdowns 2020 eine Baustelle besuchen und überquerte dazu den großen Platz vor der Wallfahrtskathedrale von Santiago de Compostela. Die riesige Fläche der Praça do Obradoiro vor der Kathedrale war - Corona-bedingt - menschenleer... und grün: Der berühmte Platz, über den in normalen Jahren Hunderttausende von Pilgerfüßen wandern, hatte sich (mangels Pilger_innen) in ein Biotop für "Unkräuter" verwandelt. Unzählige kleine Pflänzchen hatten sich in den Fugen der Granitplatten angesiedelt. 

Wenn im Sommer die Sonne auf die Plätze der nordspanischen Altstadt knallt, verwandeln sich die Granitplatten in regelrechte Heizkörper. Bei einer Tagestemperatur von 30 Grad Celsius sind 55 Grad heiße Platten keine Seltenheit. Als man den unkrautbewachsenen Boden mit einer Wärmebildkamera filmte, stellte man fest, dass er deutlich kühler war: Bis zu 28 Grad weniger zeigte das Messinstrument. Das liegt unter anderem an der Verdunstung, die alle Pflanzen ausüben. Kleine Pflänzchen, große Wirkung.

Karikatur: Mester

Wenn wir also wieder einmal den heimischen Flammenwerfer anschmeißen, um das "hässliche Unkraut" zwischen den Fugen unserer Einfahrten zu beseitigen, damit alles wieder schön ordentlich aufgeräumt auszusehen hat, sollten wir nochmal nachdenken. Wir haben über Jahrzehnte unsere Innenstädte mit Glas, Beton und Stein vollgeschustert, weil es einen sauberen, "cleanen" Eindruck machte, alles schön modern und pflegeleicht. Ebenso wie unsere "Gärten des Grauens": Stein, Schotter und Unkrautfolie wohin man blickt. Bloß kein Löwenzahn zupfen, bloß kein Laub harken müssen und dieses ewige Gießen! Furcht-bar. nein, da macht man es sich schön unkompliziert. Wir bauen weitere Legebatterien Hochhäuser (weil wegen Wohnungsnotstand), zimmern uns damit elementare Frischluftschneisen zu und wundern uns, warum die Alten, Kranken und Schwachen in den Sommermonaten in den Städten umkippen wie die Fliegen. Kaum ist es draußen mal annähernd um die 30°C, sind Martinshörner ein ständiger Begleiter... hot town, summer in the city!

Klimaschutz kostet Geld, ja. Aber er spart auch welches. 

Das Problem: Am persönlichen Wohlstand möchte keine/r kratzen. Zu Verzicht sind die Wenigsten bereit. Denn es wird sie (leider) immer geben, die ihr 2,50-Euro-Nackensteak auf den 700-Euro-Highend-Grill schmeißen, vehement an ihrem 250PS-Diesel-BMW festhalten oder an ihrer Öl- oder Gasheizung. Einfach weil es jahrzehntelange Gewohnheit ist (und man Neuem grundsätzlich skeptisch gegenüber steht). "Hat uns das früher geschadet?!" wird dann gerne mal unqualifiziert in Diskussionen geworfen. "Unsere Kinderbettchen waren damals mit Farbe, die Cadmium enthielt, gestrichen! HAT ES UNS GESCHADET?". Direkt vermutlich nicht, Hildegard, aber langfristig schon und späteren Generationen definitiv. 

Bestes Beispiel: Der Super-GAU von Tschernobyl. Rund 36 Prozent des radioaktiven Cäsiums gingen damals über Weißrussland, Russland und der Ukraine nieder, etwa 53 Prozent über dem Rest Europas - schätzungsweise 500 Millionen Menschen in ganz Europa wurden mit Strahlendosen belastet. Sowjetische Behörden gaben für ganz Europa eine Kollektivdosis von 2,4 Millionen Personen-Sievert an – mit der Folge von rund 216.000 bis 842.000 zusätzlichen Krebserkrankungen, davon etwa die Hälfte mit tödlichem Ausgang. Eine Studie, die 2006 im International Journal of Cancer veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass in ganz Europa etwa 41.000 zusätzliche Krebsfälle und mehr als 15.000 Krebstode durch Tschernobyl zu erwarten seien. Ferner ließ sich abschätzen, dass circa 21.000 Menschen infolge von Tschernobyl Schilddrüsenkrebs entwickeln werden. Da dachte man auch, man habe alles im Griff und es werde schon gut gehen.

Blicken wir mal etwas über 200 Jahre zurück: Um das Jahr 1800 war die Welt für das gemeine Volk ziemlich trist, also so farbentechnisch (und sonst eigentlich auch). Farbe war nur etwas für Reiche. Dann entdeckte der Österreicher Ignaz Edler von Mitis sozusagen per Zufall das "Schweinfurter Grün", welches im 19. Jahrhundert sehr beliebt wurde. Endlich konnte sich jedermann (und -frau) Farbe leisten. Es diente zum Anstreichen von Wänden, zum Bedrucken von Tapeten, zum Färben von Stoffen, z.B. für smaragdgrüne Ballkleider der modebewussten Frau des 19. Jh., oder auch als Künstlerfarbe: Es fand sich besonders gerne in der Farbpalette der französischen Impressionisten wie Paul Gauguin oder Vincent van Gogh. Problem: Dieses Grün wurde beim Ausfällen von Grünspan mit einer Arsenverbindung "Arseniksaures Kupfer" gewonnen. Arsen? War da nicht etwas? Ja, aber das wusste man damals noch nicht: Den Nachweis der giftigen Wirkung von mit Schweinfurter Grün bedruckten Tapeten veröffentlichte erstmals der Merseburger Arzt Carl von Basedow im Jahr 1844. Er zeigte, dass ein bestimmter Pilz (Penicillium brevicaule) aus leimgebundenem Schweinfurter Grün organische Arsenverbindungen freisetzt, die über die Atemluft zu Vergiftungen führen. In Deutschland ist Schweinfurter Grün seit 1882 für Hausanstriche und Tapeten verboten (doch schon - rund 40 Jahre nach der Entdeckung von Basedow).

Karikatur: Mester

Zwei Beispiele dafür, dass man sich fabulös geirrt hat. Was, wenn es beim Klima genauso ist und wir schon längst den "point of no return" verpasst haben, die Kipppunkte längst erreicht sind? Wenn auch das Bewusstsein für die Herausforderungen der Erderhitzung gewachsen ist, so ist jedoch das von sogenannten Kipppunkten ausgehende Risiko wenig bekannt. Wie können wir mit dem heutigen Wissen immer noch genauso weitermachen wie bisher. Manche behaupten, dass es nur eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit gäbe, dass alles so schlimm werde. Anders gefragt: Wer würde in ein Flugzeug einsteigen, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% abstürzt?

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