Ja sorry, der Seitenhieb im Titel musste sein. Und ja natürlich gilt das derzeit nur für DIESE Saison und jaaa die ist natürlich längst noch nicht gelaufen. Aber ganz ehrlich? So ein bisschen hoffen zumindest alle abseits der knapp 340.000 Bayern München-Fans in Deutschland, dass es am 36. Spieltag (oder wahlweise auch früher) nicht wieder einmal mehr heißt "Deutscher Fußballmeister: FC Bayern München". Der Postillion hat bereits (satirisch) darauf reagiert:
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Der Balkon kann - lt. Postillion - privat gbucht werden |
Okay schauen wir uns mal ganz banal die Fakten diese Saison an. Früher ist alles abseits des "Triples" eine Katastrophe gewesen: DFB-Pokal gewinnen - ja, ganz nice. Deutscher Meister - ist ja praktisch schon ein Abo drauf. Champions League - das ist das eigentliche Ziel, die Meisterschaft nur "Mittel zum Zweck". Alles zusammen der heilige Gral der Fußballwelt. Besser als Weihnachten und Oktoberfest auf einen Tag. Schwamm man mal eine Zeit lang "nur" im oberen Drittel der Tabelle mit, wurde sofort der Trainer ausgetauscht (s.u.). Befüllst Du den Trophäenschrank (wobei ein "Schrank" ja auch nicht wirklich reicht) des "FC Hollywood" nicht regelmäßig, bist du deinen Trainer-Job dort schneller los, als du "Säbener Straße" sagen kannst.
Diese Saison läuft es allerdings nicht ganz so rund:
- Im DFB-Pokal scheiterte man gegen Saarbrücken. Einen Drittligisten. In der zweiten Runde. Man verlor 1:2 in der regulären Spielzeit und schied damit zum vierten Mal in Folge bereits vor dem Halbfinale aus. Den Titel "Pokalsieger" holte Bayern zuletzt 2020. Bemerkenswert: Die Saarbrücker feierten diesen Sieg (nochmals: In der zweiten Runde des DFB-Pokals) überschwänglicher als die Bayern manche Meisterfeier in den vergangenen Jahren.
- Champions League: Jüngst 0:1 Niederlage gegen Lazio Rom. Den Tabellensiebten der Serie A, der obersten italienischen Spielklasse. Nur zur Einordnung: Die sind ganze zwei Mal italienischer Meister geworden - einmal 1974, einmal 2000. Den italienischen Pokal (also vergleichbar mit dem DFB-Pokal) gewannen sie immerhin sieben Mal. Nun gut, es war nur ein 0:1 unter unguten Bedingungen (Unterzahl) und im Rückspiel des Achtelfinals spielt man ja auch zu Hause. Noch ist alles drin - oder aber die Nerven flattern offenbar so sehr, dass.... schaun' mer mal, hätte der Kaiser gesagt. Rest in peace Franz.
- Bundesliga: Am ersten (nicht sonderlich aussagekräftigen) Spieltag hieß der Tabellenführer VfB Stuttgart. Am zweiten Union Berlin. Seitdem ist es Leverkusen - mit zwei Unterbrechungen: Am 5. und 13. Spieltag übernahmen die Bayern die Führung in der Tabelle, aber nur kurzzeitig. Jetzt kam es jüngst zum direkten Duell und es gab eine herbe 0:3-Klatsche für die Bayern (in der Hinrunde gab es in München ein 2:2). Ergebnis aktuell: Fünf Punkte Vorsprung in der Tabelle. AAAber: Es sind ja noch zwölf Spieltage, also fast die komplette Rückrunde! Rechnerisch max. 36 Punkte. Da ist ein 5-Punkte-Vorsprung "nice to have" aber alles andere als ein Ruhekissen. Zwei Mal schlecht spielen, bums. Daher sparen wir uns auch das übliche Restprogramm-vergleichen - es kommen fast alle nochmal dran.
Es liegt etwas in der Luft. Aber: Wir erinnern uns an letzte Saison: Borussia Dortmund hatte vor dem letzten Spieltag zwei Punkte Vorsprung (!) vor dem FC Bayern und hätte mit einem Heimsieg (!!) gegen Mainz (!!!) aus eigener Kraft Meister werden können. Um es mit einer Karikatur von Thomas Plaßmann zu sagen:
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Ehrlich, mehr ging wirklich nicht |
Was passierte dann? Am letzten Spieltag ging der FC Bayern in Köln früh mit 1:0 in Führung. In der „Blitztabelle“ zog er damit am BVB vorbei. Kurze Zeit später erzielte Mainz das 1:0 in Dortmund. Nur zwei Minuten später bekamen die Dortmunder nach Videobeweis einen Foulelfmeter zugesprochen, den Sébastien Haller aber verschoss. Ausgleich vertan und Mainz legte stattdessen das 2:0 nach. Obwohl der BVB, angefeuert von 80.000 frenetischen Fans, auf den Anschlusstreffer drängte, geschah sage und schreibe bis zur Mitte der zweiten Halbzeit nichts mehr, da zahlreiche Großchancen einfach nicht genutzt werden konnten. Erst in der 69. Minute fiel in Dortmund das Tor zum 1:2 durch Raphaël Guerreiro. In der 81. Minute wurde den Kölnern wiederum gegen Bayern ein Elfmeter zugesprochen, den diese zum 1:1 verwandelten. Dadurch war zu diesem Zeitpunkt der BVB trotz des eigenen Rückstandes wieder Tabellenführer. Allerdings schoss der erst in der 85. Minute eingewechselte Jamal Musiala vier Minuten nach seiner Einwechslung den 2:1-Siegtreffer für Bayern München. Der BVB erzielte zwar noch das 2:2 in der Nachspielzeit, aber ein Siegtor, welches wiederum den Titelgewinn der Dortmunder (zuletzt 2012) bedeutet hätte, blieb aus. Die Münchner wurden punktgleich, aber mit dem eindeutig besseren Torverhältnis Meister. Mehr oder minder sprach man erneut vom "Bayern-Dusel". Wir erinnern uns noch an 2001, wo Schalke 04 vier Minuten lang Meister war, dann jedoch Bayern München in der Nachspielzeit ein Tor schoss. Aber ein stückweit war es letztes Jahr auch einfach Dortmunder Unvermögen, den Sack einfach zuzumachen. Muss man sich auch mal vorstellen: Hättest du irgendwann in der Saison, in einem der 33 anderen Spiele nur ein Tor mehr geschossen, anstatt einem 1:2 vielleicht ein 2:2 gemacht, hättest du einen Punkt mehr eingefahren, der dich schlussendlich aber zum Meister gemacht hätte... hätte.
Echt jetzt. Die Voraussetzungen waren einmalig: Zwei Punkte Vorsprung. Man hätte nur zu Hause gegen Mainz gewinnen müssen. Gegen Mainz, die wurden am Ende Neunter, für die ging es um nichts mehr! Ebenso wie für die Kölner (11.) Ich habe seinerzeit am vorletzten Spieltag (aus Spaß) zehn Aktien des BVB gekauft, zum Stückpreis von damals 5,88€. Am letzten Spieltag stürzte der Kurs ab, wie ein Stein, den du aus dem Fenster wirfst. Aktuell steht die Aktie bei 3,65€.
Nun liegt es also an Leverkusen (Stuttgart auf Platz drei hat 12 Punkte, der Vierte Dortmund 15 Punkte Rückstand), oder besser "Vizekusen", wie der Verein spöttisch genannt wird, da man speziell in den späten 1990er-Jahren mehrfach nur den 2. Platz belegte - meist hinter Bayern München. Das Team spielt derzeit eine beeindruckende Saison, ist (noch) ungeschlagen. Mehr noch: Bereits nach dem 16. Spieltag hatte Bayer 04 Leverkusen das 25. Pflichtspiel (DFB-Pokal- und Europa League-Pflichtspiele mit einbezogen) in Folge ohne Niederlage bestritten und damit den vom Hamburger SV seit der Saison 1982/83 bestehenden Rekord von 24 Spielen in Folge ohne Niederlage gebrochen.
Und die Bayern? Verpflichteten für die aktuelle Saison sensationell Harry Kane (Rekordtorschütze von Tottenham Hotspur und der englischen Nationalelf.) der allein im Verlauf der Hinrunde 22 Tore erzielte - also im Schnitt mehr als ein Tor/Spiel. Er erhielt einen Vier-Jahres-Vertrag und man spricht von einer "Sockel-Ablöse" von sagenhaften 100 Mio. Euro!
Vergangene Saison, im März 2023, hatte der FC Bayern nach einer 1:2-Niederlage in Leverkusen die Tabellenführung an Borussia Dortmund abgeben müssen, man war also "nur noch" Zweiter. Wenige Tage später trennte sich der Verein von Julian Nagelsmann der nur zwei Jahre zuvor für geschätzt 15-25 Mio. Euro von RB Leipzig freigekauft wurde (25 Mio. Ablöse für einen Trainer!). Als Gründe wurde seitens des Vorstands angegeben, man sehe "die sportlichen Ziele in Gefahr" - nur zur Einordnung, das musst du dir mal vorstellen: Du verlierst nicht desaströs 0:8 gegen den Tabellenletzten sondern lediglich 1:2 gegen den Tabellen-Achten Leverkusen. 23 Spieltage lang standen die Bayern in der Saison an Platz 1 der Tabelle, waren nur am 7. Spieltag mit dem 5. Platz am schlechtesten. Noch ein paar Highlights aus der Saison 2022/2023 gefällig? Bitte:
- In 54 aufeinanderfolgenden Bundesliga-Auswärtsspielen traf der FC Bayern München mindestens einmal (2. Spieltag 2019/20 – 5. Spieltag 2022/23).
- 87 Spiele in Folge erzielte der FC Bayern mindestens ein Tor (16. Februar 2020 bis 10. September 2022).
- Der FC Bayern erzielte die meisten Tore in der ersten Spielhälfte innerhalb einer Saison: 57
- Mit 5 Spielen, in denen der FC Bayern in einer Saison mindestens 6 Tore erzielte, ist er Rekordhalter.
Wie gesagt... nur zur Einordnung, von wegen "sportliche Ziele in Gefahr". Manch anderer Club (eigentlich alle) würden sich sagen "könnte schlechter laufen".
Seit Ende März 2023 trainiert Thomas Tuchel den Verein, mit dem er im Mai 2023 dann doch noch (s.o.) die deutsche Meisterschaft gewinnen konnte - die elfte in Folge! Ich hab's schon mal gesagt und ich sage es wieder: Unsere Tochter würde - insofern sie sich für Fußball interessieren würde - Zeit ihres Lebens keinen anderen Deutschen Meister als die Bayern kennen. Das ist in gewisser Weise erschreckend.
Ich hatte über den "FC Hollywood" schon einmal einen Artikel geschrieben. Der Verein ist einfach eine "andere Hausnummer". Schon seit einigen Jahren wird das routinemäßige Abfeiern der Erfolge von Spielern und Fans mehr und mehr zur Farce. Thomas Müller wurde nach dem Gewinn der zehnten Bayern-Meisterschaft in Folge direkt nach dem Spiel im Auto vom Stadion wegfahrend interviewt, wie er denn noch Auto fahren könne nach diesem historischen Gewinn? Seine Antwort: Man habe in der Kabine "ein bisschen gefeiert", aber man ist ja Sportler. Wenn Du den größten sportlichen Erfolg im deutschen Fußball feiern kannst, wie den Fassbieranstich beim Oktoberfest oder die Narren den 11. November um 11:11 Uhr, tja dann ist es halt nix Besonderes mehr. "Nice to have".
Hoffen wir also, dass Leverkusen es bis zum Schluss spannend hält und nicht irgendwann die Nerven verliert. Denn eines ist auch klar: Als Jäger sind die Bayern gefährlicherer denn als Gejagte.
By the way: Einen Balkon für eine evtl. Siegesfeier hat das Leverkusener Rathaus (wie damals das Wolfsburger) auch nicht. Das ist nämlich mehr in einem Einkaufs-Center untergebracht.
Rathaus Leverkusen mit der Rathaus-Galerie - Quelle: Wikipedia
Vielleicht muss die Werkself der Bayer AG ja auch in der Firmenzentrale feiern? Hoch-repräsentativ für eine Meisterfeier - Foto: dpa/Oliver Berg
Kann man machen... muss man aber nicht.
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