In Bayern, Sachsen, Polen, Tschechien und Österreich treten in Folge von Niederschlägen mit teils über 400 Litern pro Stunde und Quadratmeter die Flüsse über die Ufer, Staudämme kommen an den Rand der Belastung, Kanalisationen sind schnell überfordert. Die Elbe in Dresden verzeichnet einen Pegelstand von rund sechs Meter - normal sind zwei. Man muss sich mittlerweile fragen, ob wir hier noch (immer wieder) von "Jahrhundert-Hochwasser" reden können oder ob es mittlerweile einfach das "Hochwasser-Jahrhundert" wird bzw. ist? Und ich warte täglich darauf, dass irgendein kruder Rechtsnationaler aus dem Gebüsch kommt und behauptet, am Hochwasser seien auch wieder nur die Migration schuld. Also entweder weil man aufgrund der ungeheuren Summen, welche in den vergangenen Jahren in die Migration gesteckt wurden, besser in Maßnahmen zum Schutz vor dem Klimawandel (der ja aber von der rechten Ecke stets geleugnet wird) investiert worden wären. Oder (und das wäre wahrscheinlicher, da man ja kein Geld in etwas stecken kann, was es nach eigener Ansicht nicht gibt) einfach plump, weil ja das Wasser "aus dem Ausland" kommt, es sozusagen zu uns "migriert" und man es mit verschärften Grenzkontrollen hätte aufhalten müssen ("Nä, du kommst hier nicht rein!").

Wenn gerade keine Naturkatastrophe ist, darf man nicht über den Klimawandel reden, weil das dann ja Panikmache ist. Wenn gerade eine Naturkatastrophe ist, darf man nicht darüber sprechen, weil es gerade Wichtigeres gibt und man sollte das nicht politisch ausnutzen. Dabei sind es dieselben, die jeden islamistischen Anschlag zur Demontage des Rechtsstaates nutzen, welche vorzugsweise den Grünen vorwerfen, eine Hochwasserkatastrophe "zu instrumentalisieren", um auf Klima- und Umweltschutz aufmerksam zu machen.
Leute, begreift es endlich: MIGRATION IST NICHT DAS PROBLEM! Es erschüttert mich zu sehen, dass aufgrund der desaströsen Ergebnisse in Thüringen und Sachsen nun sämtliche demokratischen Parteien allesamt in dasselbe Horn stoßen. Der Flüchtlingsschutz hat keinen parteipolitischen Hüter mehr. Ernsthaft: Es hat gerade einmal eine knappe Woche gedauert, bis nun an allen deutschen Grenzen Kontrollen durchgeführt werden. Unglaublich, wie schnell manches geht, wenn nur laut genug danach krakeelt wird oder? Und das sage und schreibe nur wenige Wochen nachdem man in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft unter dem Motto "United by football" feierte. Merkste selber, oder? Schön, dass man zumindest beim Fußball "vereint" ist, aber ansonsten den europäischen Gedanken über Bord wirft und die Grenzen wieder dicht macht. Aber gut, solln'se machen. Ich bitte dann aber um valide Daten, mit welchem Personalaufwand man dann wie viele (illegale) Migranten_innen herausgefischt hat - ich möchte die Überstunden nicht zählen.
Mal ohne Scheiß, ich komm' da einfach nicht mehr mit. Just eine Doku gesehen, in welcher ein Supermarktleiter gefragt wurde, wie es bei ihm mit Kriminalität, also Ladendiebstählen aussieht - es sei schlimmer geworden. Ok. Nächste Frage: Wie hoch ist dabei der Ausländeranteil? Rund 60 bis 70 Prozent. Aha. Dann jedoch schiebt er einen enorm wichtigen Satz hinterher: Ohne Migranten_innen könne er aber seine Geschäfte gar nicht betreiben. Bei ihm arbeiten über 30 Menschen aus Syrien und anderen Ländern. Puh, gerade nochmal die Kurve gekriegt. Und das ist der entscheidende Punkt: Die blau-braunen Schlümpfe liegen einfach falsch, so komplett daneben, wenn sie glauben, dass dieses Land so schlappe 25% weniger Einwohner_innen verträgt. NEIN, das tut es nicht. Es ist bereits jetzt statistisch belegt, dass vorwiegend junge und gebildete Frauen, aber auch junge Menschen allgemein und Ausländer Ostdeutschland verlassen und ob unter den aktuellen Umständen Menschen explizit dorthin ziehen werden. Letzteres möchte ich A) stark bezweifeln und B) haben wir ja in den nächsten fünf Jahren eine unfreiwillige Testwiese, die uns auch hier valide Daten liefern wird.
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Kandidat für das "Wort des Jahrzehnts" - Auswahl von Pressemeldungen aus den letzten 12 Monaten |
Wir haben wirklich andere, weitaus dringendere Sorgen. Hat irgendjemand mal die Pressemitteilungen der vergangenen Monate vor Augen? Es war erst im Juni... IM JUNI, als Markus Söder, seines Zeichens Bayerischer Ministerpräsident, in Gummistiefeln und Regenjacke mit durchsichtigem Regenschirm etwas verloren auf überflutete Gebiete in Bayern starrte und den Satz raushaute "Damit konnte nun wirklich keiner rechnen". Ja nee, iss klar Eckart! Und dass das nun, drei Monate später wieder passiert, ist auch absoluter Zufall (mit dem nun wirklich NIE-MAND rechnen konnte)?
Zur Erinnerung: In den vergangenen Jahren sind im ach so wohlbetuchtem Bayern wegen finanzieller Engpässe wichtige Hochwasserschutzprojekte gestoppt worden. 2018 hatte der damalige bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) für mehrere Flutpolder - eingedeichte Gebiete, die bei einem Flusshochwasser gezielt geflutet werden können - an der Donau geworben.
Doch nach der Landtagswahl 2018 wurde das Flutpolder-Projekt vor allem von den Freien Wählern verhindert. Söders Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte im November 2018 der Augsburger Allgemeinen, die Polder seien überflüssig und zu teuer, "weil so ein Polder ja nur alle hundert Jahre mal geflutet wird". Ah ja! Ich hatte vieles schon im Beitrag vom 22. August erwähnt.
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Ein Klassiker, auch das ist bei weitem nicht das drängendste Problem - Quelle: Ruthe.de |
Im Mai war das Saarland vom Hochwasser betroffen. Da legte Friedrich Merz noch eine 180-Grad-Kehrtwende hin, mit dem Satz, man müsse "alles tun, dass wir diesen Klimawandel stoppen". Surprise, surprise Friedrich - es wird mittlerweile vielfach die Meinung vertreten, dass da nichts mehr zu stoppen sei, sondern bestenfalls eine Verlangsamung erzielt werden könnte. Dass wir Kipppunkte bereits erreicht haben - vor zwei Jahren hatte man diese (erst) für 2030 für möglich gehalten... es geht aber alles viel, viel schneller. By the way: F. Merz postete rund ein Jahr wir seinem oben erwähnten Satz in den sozialen Netzwerken einen anderen Satz: "Die Welt geht morgen nicht unter" (im Sinne der "Klimahysterie") und wiederholte die Aussage auch in Interview mit der Zeit und dem ARD-Morgenmagazin. Ja nee... "morgen" sicher nicht, aber vielleicht übermorgen... oder nächste Woche.
Und unvergessen: Beim Hochwasser im Juli 2021 starben allein an der Ahr mindestens 135 Menschen. Die verheerende Sturzflut im Ahrtal war die bislang folgenschwerste Naturkatastrophe in Deutschland. 7,5 Milliarden Euro wurden bislang an über 200.000 Versicherte ausbezahlt. 7.500.000.000 Euro!!! Die Folgen des Klimawandels sind viel teurer als die Schutzmaßnahmen. Und Hochwasser ist bei weitem kein rein europäisches Problem: Sintflutartige Regenfälle und schwere Überschwemmungen haben jüngst in weiten Teilen West- und Zentralafrikas sowie im Süd-/Sudan schwere Schäden angerichtet. Nach UN-Angaben sind auf dem Kontinent zuletzt mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen.
Seit Jahren sind die Wissenschaftler_innen und Experten_innen am Reden, am Warnen. Es erschließt sich mir einfach nicht, wie Ottonormalverbraucher sich über (Natur-)Wissenschaften empören, weil Forscher_innen keine unumstößlich gültigen "Eins-plus-Eins-ist-Zwei"-Ansagen machen, die sich in den ersten sieben Sekunden eines TikTok-Videos vermitteln lassen. Auf dieser Seite lässt sich veranschaulichen, wie sich das Klima an einem Standort verändern wird: In 60 Jahren werden wir in der Region Hannover klimatische Bedingungen haben, wie heute in den Abruzzen (Italien). Stockholm wird in rund einem halben Jahrhundert nicht mehr an der Ostsee liegen (also klimatisch) sondern am Schwarzen Meer. Und im hohen Norwegen, noch ein kleines bisschen nördlicher des Polarkreises (!), wird es sich um 2070, 2080 so zutragen, wie heute um Genua am Mittelmeer.
Nein, nicht die Migration bedroht Europa, sondern der Klimawandel! Nicht die Migration muss als Notlage eingestuft werden, wohl aber die Klimakrise! So könnten wir endlich die Schuldenbremse umgehen und dringend notwendige Vorkehrungen gegen Extremwetter treffen. Rund 400.000 Menschen sind allein in Deutschland in Zukunft hochwassergefährdet.
Skandalös allein, dass sich Konservative beim Thema Schuldenbremse am Grundgesetz festklammern, wie die "letzte Generation" am Straßenbeton, aber wenn es um das ebenso im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl geht, ist man durchaus kompromissbereit hier etwas auszuweichen. Und nur ganz nebenbei: Über das im Grundgesetz vorhandene Parteiverbot bei einer gesichert rechtsextremen Partei zu sprechen, scheint ein ebenso großes Tabu zu sein. Die Deutschen meckern gern, dass nichts funktioniere, um dann in Angst zu verfallen, wenn sich etwas ändern soll bzw. muss. Wir brauchen Zuwanderung, weil es sich allein am Beispiel Thüringen ganz einfach nachrechnen lässt: Die AfD behauptet gerne (sinngemäß): "Ausländer nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg!". Im „Kyffhäuserkreis I“ kam die AfD auf stolze 46,5%. Arbeitslosigkeit ist dort vergleichsweise hoch: 8,2%. Aber Ausländer gibt es dort sehr wenig: Nur 5,6%.
In Jena wählten weniger als 20% die AfD. Dort leben prozentual mehr als doppelt so viele Ausländer wie im Kyffhäuser-Kreis: 12,6%. Arbeitslosigkeit hier: Nur 6%.
Lt. Studien fehlen in Thüringen im Jahr 2035 bis zu 250.000 Fachkräfte, auch weil bis dahin etwa 385.000 ArbeitnehmerInnen in Rente gehen. Im August gab es in Thüringen 68.843 Arbeitslose (Quote von 6,2%). Hinzu kommen 87.079 „Unterbeschäftigte“. 3.782 offene Lehrstellen, aber nur 1.083 Jugendliche, die bis dahin keinen Platz gefunden hatten. Das haut alles allein mathematisch OHNE Zuwanderung nicht hin!
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Ergebnisse der Landtagswahl, Fachkräftelücke-Prognose vs. Arbeitslosenzahl, Ausbildung in Thüringen |
In bereits erwähnter Doku erzählt eine junge Frau, die aus Afghanistan vor dem Taliban-Regime geflüchtet ist, dass es ihr Traum ist, Ingenieurin zu werden. Das erzählt die vor fünf Monaten Geflüchtete bereits auf Deutsch! In ihrem Heimatland wäre dieser Berufswunsch unmöglich, da die Taliban für Frauen und Mädchen nicht einmal eine Schulbildung erlauben. Man(n) betreibt dort die völlige Unsichtbarmachung der Frau aus dem öffentlichen Leben.
Für Migranten_innen ist zuallererst Sprache der Schlüssel und als nächstes muss ihnen ermöglicht werden, arbeiten zu können. Je länger dies verweigert wird, desto wahrscheinlicher, dass sie auf die schiefe Bahn geraten und z.B. Tunesier im Stadtpark Drogen verkaufen (ebenfalls Beispiel der o.g. Doku). Abschlüsse, Ausbildungen aus den Heimatländern müssen schneller und leichter anerkannt werden oder im Zweifel mit entsprechenden Prüfungen unter Beweis gestellt und ggf. mit Fortbildungen an hiesige Standards angepasst werden.
Politik muss (wieder) bedeuten: Aufstieg durch Bildung, Sicherung des Sozialstaats, gute Arbeit, gesellschaftlicher Zusammenhalt. Sicherheit - innere, äußere und soziale. Politik für Millionen, nicht für Millionäre.
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Quelle: X |
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