Noch 2011 wollte Markus Söder als bayerischer Umweltminister alle fünf bayerischen AKW abschalten: https://www.merkur.de/politik/soeder-schaltet-zuerst-isar-zr-1228270.html (by the way: Artikel/Meldung zwei Monate nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima).
2023
ist der aufgrund der Energiekrise zuletzt nochmals verlängerte Ausstieg
besiegelt und Söder möchte als bayerischer Ministerpräsident nun, dass
Atomkraftwerke Ländersache werden und sie dadurch weiterbetreiben
können: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/soeder-atomkraft-weiterbetrieb-101.html
Söder kämpft bei der Landtagswahl
im Oktober um seine persönliche Laufzeitverlängerung als
Ministerpräsident. Er glaubt, damit nur gewinnen zu können: Bleibt die
Energieversorgung stabil [so wie wir - entgegen allen (konservativen)
Unkenrufen - diesen Winter auch nicht frierend im Dunkeln verbracht
haben], interessiert sich im Oktober kein Mensch mehr für irgendwelche
Schlagzeilen aus dem April. Geht es schief, wird der CSU-Chef erzählen,
dass er es immer schon gewusst habe, seine Warnungen aber ignoriert
worden seien.
Und
ja, gewisse Positionen sollte man von Zeit zu Zeit gerne überdenken -
sonst wäre die Idee mit der Kernkraft Mitte des vergangenen Jahrhunderts
jetzt noch immer nicht endlich passé. DIESER Sinneswandel des
bayerischen Ministerpräsidenten ist aber schon SEHR speziell! UND: Wenn
es ihm wirklich ernst wäre, müsste er dann auch ein Endlager für den
künftigen Atommüll "Made in Bavaria" suchen und bereitstellen. Das war
seinerzeit auch "nicht denkbar": https://www.tagesschau.de/inland/endlagersuche-bericht-reaktionen-101.html
Stattdessen lagert alter Atommüll aus Bayern in anderen Ländern: https://www.br.de/nachrichten/bayern/tonnenweise-atommuell-aus-bayern-in-anderen-laendern,Tc3mKcj
Darum aber ist Atomkraft KEINE Option und der Ausstieg daraus die folgerichtige und längst überfällige Aktion:
- Explodierende Kosten: In Frankreich sollte in der Vorgängergeneration der sogenannte EPR-1-Reaktor (europäischer Druckwasserreaktor) ursprünglich 2,5 Milliarden Euro kosten. Beim Baubeginn sind es schon 3,3 Milliarden gewesen. Am Ende wurden es 22 Milliarden Euro (=22.000.000.000 Mio.!). https://www.fr.de/wirtschaft/atomkraft-flamanville-frankreich-pannen-akw-kernenergie-91236945.html
- Andere Energieträger sind wirtschaftlicher: Eine Offshore-Windenergieanlage kostet je nach Standort zwischen 2,5 und 4 Millionen Euro pro installiertes Megawatt Leistung. PV-Anlagen mit 1 MWp kommen auf rund 1 Mio. Euro Baukosten. Ein mittleres Atomkraftwerk wie das Kernkraftwerk Emsland hat eine Nennleistung von etwa 1.400 Megawatt - bei den zuvor erwähnten 22 Mrd. Euro wären es also rund 16 Mio. Euro/Megawatt. http://offshore-das-fundament.de/kosten-und-strompreise/was-kostet-eine-offshore-windenergieanlage.html
- Immense Bauzeiten: Laufe es gut, könnte der erste der geplanten sechs Reaktoren in Frankreich 2039 ans Netz gehen - in sechzehn Jahren. Problem: Bisher lief es aber bei keiner der Planungen gut, eher viel schlechter als die schlechtesten Prognosen. Dann würde 2043 der erste fertig sein. Und der sechste 2050. Das verstärkt dann noch den ersten Punkt, denn da kann sich jeder vorstellen, wie zuverlässig Kostenschätzungen auf die nächsten 20 Jahre sein werden. https://web.de/magazine/politik/atomkraft-deutschland-schaltet-rest-38039772
- Fachkräftemangel allerorten: Die Industrie ist in Frankreich schon mit den existierenden Reaktoren überlastet. Wegen akuter Probleme müssen Schweißer aus den USA und Kanada eingeflogen werden. Rohrstücke mussten in Italien gefertigt werden, weil es in Frankreich keine Fertigungskapazitäten gibt. Dieser Fakt ist ein weiterer "Turbo" für Punkt 3.
- (mangelnde) Sicherheit:
Das Alter der Reaktoren verursacht ebenfalls steigende Kosten. Im
Schnitt hat weltweit gesehen ein Atomreaktor 30 Jahre auf dem Buckel.
Viele der
europäischen Meiler haben mittlerweile sogar das stattliche Alter von
50 Jahren erreicht. Da muss man kein Experte sein, um zu wissen, dass
das nicht auf dem letzten Stand der Technik ist. Randfakt: Das
Kernkraftwerk Tschernobyl wurde in der heutigen Form etwa von 1970 bis
1983 erbaut und ging 1978 in den kommerziellen Betrieb - die Katastrophe
ereignete sich, nur acht Jahre später, 1986. https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Tschernobyl.
Fukushima Daiichi wurde ab 1971 in Betrieb genommen und ist damit das
älteste Kernkraftwerk Japans, welches dem Erdbeben 2011 (also 40 Jahre
nach dem Bau) nicht standhielt. https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_Daiichi
- Atomstrom ist NICHT "CO2-neutral": Die Treibhausgasemissionen sind größtenteils der Stromproduktion vor- und nachgelagert. Betrachtet man den gesamten Lebensweg – von Uranabbau, Brennelementherstellung, Kraftwerksbau und -rückbau bis zur Endlagerung – so ist in den einzelnen Stufen des Zyklus zum Teil ein hoher Energieaufwand nötig, wobei Treibhausgase emittiert werden. https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/ist-atomstrom-wirklich-co2-frei
- Strom aus Atomkraft ist nicht "billig":
Bei einer unabhängigen Betrachtung ist Strom aus Atomkraftwerken völlig
unwirtschaftlich, vor allem im Vergleich zu den erneuerbaren Energien.
Die Atomkraft in Europa profitiert vor allem von massiven
Steuervergünstigungen, Subventionen und anderen Finanzhilfen für Bau,
Instandhaltung und Entsorgung. Hinzu kommt, dass der Strompreis nicht
die wahren Kosten der Atomkraft widerspiegelt. Das Forum
Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat in
einer Studie die gesamtgesellschaftlichen, realen Kosten verschiedener
Energieformen verglichen. Eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom kostet so
bis zu 42,2 Cent. Die Windenergie liegt hingegen nur bei etwa 8,1
Cent/kWh. https://www.bund-sh.de/energie/atomkraft/hintergrund/die-wahren-kosten-von-atomkraft/
- Von einer Abhängigkeit in die nächste: Zum Betrieb von AKW bedarf es Uran. Uran gibt es nicht im Supermarkt um die Ecke. Und in DE gibt es keinerlei Uranvorkommen. So wie beim Gas würde man sich auch beim Uran erneut in eine Abhängigkeit eines (Haupt-)Lieferanten (z.B. Russland) begeben. https://www.erneuerbareenergien.de/energiemarkt/energiemaerkte-weltweit/europas-abhaengigkeit-von-russischem-uran-muss-enden
- Umgang mit dem "strahlenden Erbe": Kernkraft ist eine Technologie aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Seit rund 70 Jahren hantiert man damit, ohne einen adäquaten Umgang mit dem Rest, was bei der Energieproduktion anfällt. Allein in der Europäischen Union betreiben 14 Staaten etwa 140 Kernkraftwerke - weltweit sind es mehr als 400. Doch kein einziges Land besitzt ein Endlager. Wir nutzen also praktisch seit drei Generationen eine Technologie, ohne auch nur annähernd eine Lösung zu haben, was wir mit dem "Überbleibsel" anstellen sollen. https://www.tagesschau.de/ausland/euatommuell100.html
- Unfälle sind keine Einzelfälle: Die
Liste von AKW-Unfällen ist sehr viel länger als "nur" Tschernobyl und
Fukushima. Diese beiden sind hinsichtlich der Schwere auf der Skala am
höchsten ("katastrophal") einzustufen, doch im Gesamten gab es sehr viel mehr
(schwere und ernste) Unfälle. https://www.global2000.at/unfaelle-atomkraftwerke und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Unf%C3%A4llen_in_kerntechnischen_Anlagen
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Screenshot Musikvideo "Tschernobyl (Das letzte Signal) - Wolf Maahn & Unterstützung" |
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