Direkt zum Hauptbereich

Melodien für Generationen

Menschen werden gerne in Schubladen bzw. Kategorien gesteckt... das machen Menschen (leider) so. Was zur Grundsatzfrage führt: Warum müssen Menschen immer in gesellschaftliche, politische, religiöse, sexuelle oder was-auch-immer Gruppen eingeordnet werden? Wenn überhaupt, dann genügen eigentlich nur zwei Gruppen: "Menschen" und "Arschlöscher" (sei kein Arschloch!) - aber das wäre ein eigenes Thema. Darum geht es heute nicht...

Hinsichtlich des Alters ordnet die Soziologie beispielsweise ein, in die (Baby-)"Boomer" (die von 1955 bis 1969 Geborenen) oder die Generation X (umfasst etwa die Jahrgänge 1965 bis 1980), zu der auch ich gehöre (https://de.wikipedia.org/wiki/Generation_X_(Soziologie)). Darauf folgte die Generation Y oder auch "Millennials" (die im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahren geboren sind) und die Generation Z (die zwischen 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind). Die Übergänge sind überall etwas fließend. Und jede Generation hat "ihre" Musik - das ist das Thema heute.
Als ich ein Kind war, hörten meine Eltern beispielsweise bevorzugt NDR1 Radio Niedersachsen - und das Programm von damals war ein sehr viel anderes als das von heute. Ich hingegen bin mit den jungen, wilden, privaten, z.B. mit FFN groß geworden, als diese noch aus einem Gutshof in Isernhagen sendeten. Unvergessen seinerzeit das sonntägliche "Frühstyxradio" (https://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChstyxradio). Wir haben dazu (nach dem langen Ausschlafen) ausgiebig gefrühstückt (heute würde man "brunchen") und haben nebenbei Tränen gelacht. Oder Wortspiel-Comedy wie "Die drei Musketiere" mit dem jungen Oliver Kalkofe oder als man in der Morningshow die Zuhörer_innen zu Pizza-Hut eingeladen hatte (morgens um 7). Spätestens mit "Morgen-Män" Franky (obgleich der Namensvetternschaft) entfernten FFN und ich uns mehr und mehr voneinander ("Phätt aus dem Bett" das war selbst mir doch zu laut, zu schrill).
Mit Einstieg in die Ausbildung prägte NDR2 meinen Musikgeschmack, derweil dies in unserer Werkstatt im Radio der festeingestellte Sender war. Auch dort gab es damals, Anfang der 90er, noch ganz andere Titel. Beispielsweise (ich glaube Dienstagnachmittag?) die Sendung "Opa", wo dann auch mal die Rolling Stones mit "(I can't get no) Satisfaction" oder Marianne Rosenberg mit "Er gehört zu mir" liefen - das waren noch Zeiten. https://de.wikipedia.org/wiki/NDR_2
Am 04.04.1994 um 04:44 Uhr nachmittags (also 16:44 Uhr) startete der NDR sein neues Jugendprogramm N-Joy. Ich weiß es noch wie damals, erster Titel: "Look Who's Talking Now" von Dr. Alban - wie passend. Ich habe sogar noch eine Kassette (!) vom Programmstart. 
Das Programm war (damals) fast schon revolutionär. Eine ganz andere, bis dahin im Radio nie gehörte Musikmischung, sehr puristisch ohne Verkehrsdurchsagen und sogar ohne Werbung und mit dem krassesten Scheiß, den die 90er zu bieten hatten. Heute ist das natürlich auch alles "weichgespült", denn die Hörer_innen von damals sind ja auch keine 21 mehr. Was mich zur Frage treibt: Altern die Sender mit ihrer Hörerschaft oder wechselt man ab einem gewissen Alter den Sender? N-Joy richtet sich aktuell an die 14- bis 39jährigen, NDR2 die 30- bis 59jährigen, NDR1 eher die "50+"-Zielgruppe - auch hier: Übergänge fließend.
Gucke ich mir jedenfalls heute die Charts an, stelle ich unwiderruflich fest: ICH - BIN - ALT! Manchmal denke ich darüber nach, meine DJ-Kopfhörer an den Nagel zu hängen. Ich kann mit den Titeln und erst recht mit den Bands heute nichts anfangen, zumindest mit sehr vielen. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, es ist ein Wettbewerb, wer die längste Interpreten-Kombi hinbekommt: DJ Ohrenstäbchen & the Hastenichtgesehen vs. irgendwas mit kruder Schreibweise feat. Pillemeier-Hansen. Manches sieht auch aus, als sei bei der Bandgründung einfach die Katze über die Tastatur gelaufen ("atb x Topic x A7S"? Was soll uns das sagen??). Ich habe zu den meisten Sachen keine Melodie im Ohr und keine Ahnung wie die Künstler aussehen oder was die sonst noch so gemacht haben. Es "flashen" mich auch heutige Songs sehr viel seltener und das obwohl allein bei Spotify täglich (!) rund 60.000 neue Uploads erfolgen sollen (wer soll das alles hören?). Die Titel aus den 80ern erkenne ich zum Teil am ersten Ton und kann ich beinahe alle im Schlaf mitsingen - okay, zugegeben: Die habe ich auch ein paar Mal öfter gehört. Aber die Machart war meines Erachtens einfach eine andere - damals konnte man noch minutenlange Intros machen, heute in Zeiten, wo Streams nach Sekunden bezahlt werden, undenkbar - auch wenn bereits seinerzeit das Rad nicht immer neu erfunden und viel gecovert wurde. Nehmen wir als Beispiel "Always On My Mind" von den Pet Shop Boys. Das war einige Jahre zuvor auch in einer Country-Version erschienen und unvergessen die Version von Elvis aus dem Jahr 1972. Die erste Aufnahme des von Johnny Christopher, Mark James und Wayne Carson geschriebenen Stücks erfolgte aber durch B.J. Thomas bereits 1970. Sie wurde jedoch nicht veröffentlicht (im gleichen Jahr veröffentlichte er jedoch mit "Raindrops keep fallin' on my head" einen Welthit). Das Werk aus 1987 ist und bleibt aber mein Favorit.
Oder ein anderes Beispiel: 1988 erschien "Looking for Freedom" von David Hasselhoff. Und ich oute mich: Dazu haben wir in der Tanzschule getanzt und wir fanden es cool (erst recht im Vergleich zur klassischen Tanzmusik unseres damals 70jährigen Tanzlehrers). Heute ist einem das in irgendeiner Weise etwas peinlich - damals war er (also Hasselhoff, nicht unser Tanzlehrer) sozusagen Zeitgeist in seinem coolen schwarzen Trans-Am als "Knight Rider" oder die Mädchen haben vielleicht eher auch "Baywatch" bevorzugt. Im Folgejahr sang er (also immer noch Hasselhoff) dann seinen Nummer-1-Hit beim Fall der Berliner Mauer und Tausende haben zugejubelt und mitgesungen - eigentlich wäre es folgerichtig gewesen, wenn er mit K.I.T.T. mittels "Turbo-Boost" durch die Berliner Mauer gesprungen wäre und sie damit zum Einsturz gebracht hätte, egal. Helden von damals fallen auch: 2007 wurde ein skandalträchtiges Video öffentlich, das Hasselhoff sturzbetrunken in einem Hotelzimmer zeigt, wie er auf dem Boden sitzend einen Burger isst oder es zumindest versucht... ich schweife ab, anderes Thema. Jedenfalls war auch "Looking for Freedom" ein Remake oder wie man auch sagt, eine Neuauflage bzw. Neuinterpretation. Und für uns war der Titel damals cool. Ganz im Gegensatz zu der Version, die beispielsweise bei meinen Eltern in ihrer Tanzschule lief: Da gab es die deutsche Variante "Auf der Straße nach Süden", gesungen von Tony Marshall *schauder*. Das war früher so gang und gäbe, dass erfolgreiche englischsprachige Lieder "verschlagert" wurden, damit man damit den deutschen Markt bedienen konnte (eines der bekanntesten Beispiele: Jürgen Drews - Ein Bett im Kornfeld vs. Bellamy Brothers - Let Your Love Flow). However. Erst sehr viel später wurde mir jedenfalls bekannt ("wir hatten ja nichts", erst recht kein Internet), dass dieses Lied gar nicht aus der Feder von Hasselhoff stammt, sondern ebenfalls nur ein Cover ist. Das Original ist aus dem Jahr 1978, gesungen von Marc Seaberg. Aber dennoch war die 80er-Version mein Favorit, ebenso wie "Always on my mind" in der Dance-Version der Pet Shop Boys. Auch "Venus" erschien bereits 1969 von der Band "Shocking Blue", aber die 1986-Version von Bananarama bleibt für mich legendär. Eine schöne Übersicht zwischen "Cover vs. Original" habe ich übrigens hier gefunden: http://www.cover-vs-original.de/songs.html
Und na sicher haben die 80er nicht nur Gold hervorgebracht: 1981 z.B. waren die "Electronica's" aus den Niederlanden mit "Dance Little Bird", besser bekannt als der "Ententanz", auf Platz 1 der Jahrescharts! Im Übrigen ein Song, der ebenfalls noch "eingedeutscht" wurde (gleichwohl es ein instrumentales Stück war) durch Frank Zanders "Ja wenn wir alle Englein wären". Oder denken wir bloß an die "musikalische Vergewaltigung" der Sugarhill Gang (mit dem Meilenstein "Rappers Delight") durch "GLS-United" mit "Rapper's Deutsch" mit Thomas Gottschalk, Manfred Sexauer und Frank Laufenberg - ohauehaueha. Und die Lebensweisheiten, die uns die 90er in den Schädel hämmerten, werden (Gott sei Dank) auch auf keiner Sprüche-Kachel überdauern: "Max, don't have sex with your ex, It will make your life complex, it will knock you off your legs". Oder "Boom boom boom boom, I want you in my room, let's spent the night together, forever in my room". Ganz nett in der Großraumdisco mit acht ATÜ auf dem Kessel, aber sonst...
Musikalisch hängen wir also irgendwie alle immer unserer Jugend nach - oder zumindest die meisten. Ich höre heute immer noch NDR2, gleichwohl ich aber öfter umschalte, weil ich manche Sachen (speziell in der "Hot-Rotation") einfach nicht mehr hören kann. Dann wechsele ich z.B. auf www.cafe80s.de oder https://www.80s80s.de/ oder recht neu https://www.90s90s.de/.
Warum ist das so? Wissenschaftlich erwiesen: Am liebsten hören Menschen Lieder, die aus ihrer Pubertätszeit stammen. https://www.spiegel.de/kultur/musik/musik-von-frueher-nichts-praegt-uns-so-wie-die-songs-unserer-jugend-a-00000000-0003-0001-0000-000002103438. Ich denke, da Musik sehr oft vom Leben und vom Lieben handelt und man damals noch verhältnismäßig oft geliebt ("Sie ist jetzt - aber wirklich - die Liebe meines Lebens!") und zum Teil auch exzessiv(er als heute) gelebt hat, haben einen die Songs von damals einfach am stärksten geprägt. Es stellt sich nur die Frage: Warum prägt uns heute so wenig? Ich frag in ein paar Jahren mal unsere Kinder (Generation Z). Bis dahin lasse ich das heute mal so stehen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

ICH VERSTEHE ES EINFACH NICHT!

Nein, sorry. Ich komm' einfach nicht mehr mit. Geht nicht in mein Hirn rein. Besteht dieses Land nur noch aus Menschen, die ihre Denkfabrik gegen ein aufgeweichtes Brötchen getauscht haben und/oder sich wie Friedrich Merz selbst (mit einem geschätzten Vermögen von rund 12 Mio. Euro) zur " gehobenen Mittelschicht " zählen und deswegen mehrheitlich künftige Politik für Wohlhabende wählen? Ehrlich, anders begreife ich das nicht. Gut möglich, dass ich z.B. auf Instagram in einer Bubble stecke, wo man denken könnte, es geht noch vielen anderen so. Aber ganz offenbar spiegelt diese Bubble nicht die Mehrheit der Wahlberechtigten wieder. Denn wie ist sonst solch ein aktuelles Umfrageergebnis möglich? Halten wir uns nochmal ganz kurz an den Fakten fest: Dem Kanzlerkandidaten der Union haftet die Skepsis von Führungskompetenz an, da er noch nie (!) ein Amt mit Regierungserfahrung bekleidete. In den jeweils 16 Jahren Kanzlerschaft von Helmut Kohl und Angela Merkel haben ihn beide ...

Verbot von privatem Feuerwerk - JETZT!

Ja, ich weiß... jetzt heißt es bei manchen " Zwei Artikel hintereinander zum gleichen Thema? ". Beruhigt euch! Mit den jüngsten Eindrücken, insbesondere diverse Videos auf Instagram und Co. komme ich da leider nicht drumherum, (nochmals) meinen Senf dazuzugeben, verbunden mit einem eindringlichen Appell. Zudem lag der Fokus des vorangegangenen Artikels auf dem Kauf, dieser hier handelt vom Umgang mit Feuerwerk und den m.E. daraus resultierenden notwendigen Maßnahmen. Silvester in den 1970ern: Im Fernsehen wird der Countdown gezählt, Mitternacht, man macht eine Flasche Sekt auf, stößt an. Man geht vor die Tür, behangen mit Luftschlangen und bunten Papphütchen auf dem Kopf, zündet seine drei Raketen, "Aaaahhh, Ooohh". " Frohes Neues! " wird den Nachbarn auf der Straße zugerufen und dann wurde drinnen weitergefeiert. Die Älteren werden sich erinnern. Grafik: Collage Heute: Tagelanger Bürgerkrieg ! JA, sagen wir es doch, wie es ist! Nur ein kurzer Rückblick a...

Es gibt KEIN Argument gegen Klimaschutz!

"Fridays for Future" wollte mit friedlichen Demonstrationen möglichst viele Menschen mobilisieren, gehört mittlerweile aber praktisch zum (harmlosen) "demokratischen Inventar". Damals war der größte Aufreger, dass die Jugendlichen freitags die Schule schwänzten. Heute (gefühlt): "Ist Freitag. Demo?" - "Ja, klar. Danach Steakhaus?". Derzeit präsenter: Die "letzte Generation", denn sie will mit aufsehenerregenden Aktionen auf das dramatische Tempo beim Klimawandel aufmerksam machen. Eins vorweg: Auch ich ("Generation X") finde, dass in dieser Hinsicht zu wenig Tempo gemacht, dafür hingegen zu viel diskutiert wird. Das Problem ist aber nicht der Diskurs an sich - grundsätzlich sollten gewisse Dinge gut geplant und daher besprochen werden, bevor man Hals über Kopf irgendwas macht, was einem gerade im Moment als (vermeintlich) richtig erscheint. Das eigentliche Problem: Es gibt (leider) zu viele, die Wissenschaft als "Meinung...