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Bitte ruf nicht an - nein, wirklich nicht!

Es gibt Leute, die reden gerne. Sollen sie auch, meinetwegen. Aber bitte verschont mich mit Telefonanrufen. Ich hör die eine oder den anderen schon stöhnen "Boah, typisch Mann!" - es gibt ja das Klischee "Ein Mann ein Wort - eine Frau ein Wörterbuch", na bitte, wem's gefällt. Es mag vielleicht auch an meiner Vergangenheit als Call-Center-Agent liegen (ja, ich war jung und brauchte das Geld - also wirklich). Und es war damals schon schlimm... als ich bei der Störungshotline der Telekom arbeitete und das Phänomen des aktiven und passiven Zuhörens am eigenen Leib erleben musste. Nur ein Beispiel: Ich fragte standardmäßig, ob man geprüft habe, dass der Fehler/die Störung nicht am eigenen Endgerät liegt (z.B. durch Anschließen eines anderen/intakten Geräts, notfalls vom Nachbarn kurz ausgeliehen o.ä.) - Hintergrund: Kommt der Techniker raus und stellt fest, dass es nicht an der Leitung sondern am defekten Gerät liegt, wird es teuer. Dann lag das Verschulden nicht an der Telekom, sondern beim Kunden bzw. dem von ihm gekauften Apparat und ein Techniker-Einsatz wurde glaube ich pauschal mit knapp 100DM abgerechnet. Auf eben diese Frage hörte ich dann allzu oft (!) die Antwort "Ja, ich rufe jetzt vom Handy an!". DAS HATTE ICH NICHT GEFRAGT!!! Ich denke, mit E-Mails (oder Briefen) wäre das nicht passiert - hätte man sich mehrfach durchlesen können, bis man es verstanden hätte. Egal, weiter im Text, ich rege mich schon wieder im ersten Absatz auf.

Es gibt ja diverse Arten von Anrufen. Am liebsten sind mir solche die mit einem "Grüß Dich, störe ich?" beginnen. Innerlich sage ich dann erst einmal zu mir selbst "Hallo Frank" (ich sollt mich ja grüßen) bevor ich festhalte, dass dies eine rhetorische Frage ist, wäre ich sonst drangegangen? "Ach verdammte Axt, ich stehe gerade auf einer 5m hohen Leiter und erlerne das Jonglieren mit Kettensägen und dann klingelt das Telefon... was, wenn das jetzt was Wichtiges ist?" - ist es in 95% der Fälle nie! Gerne wird auch ein "Ich bin's, Klaus" vorgeschoben - ja, das hat mir mein Smartphone auch beim Klingeln schon souffliert (Klaus, wir kennen uns zehn Jahre - dein Name ist im Adressbuch) - sehr oft begrüße ich die Anrufenden mit ihrem Namen bereits beim Annehmen des Anrufs, dann spart man sich wenigstens das. Dann gibt es die Kategorie der nervtötenden "Ich möchte mit Ihnen über XXX sprechen!". Wobei "XXX" dann wahlweise, ihre Krankenkassenmitgliedschaft, ihre Lebensversicherung (besonders passend beim Kettensägen-Jonglieren) oder auch über Gott sein kann, 100%ige Aktien-Investments-Tipps werden auch gerne genommen oder der allseits bekannte (Spam-)Anruf einer Behörde (gerne Euro- oder Interpol) oder neuerdings PayPal. Komischerweise wollte mich noch nie der nigerianische Prinz, der mir 2,5 Mio. Dollar überweisen will, anrufen - der schreibt immer nur E-Mails!

Es gibt auch Situationen, da kannst du schreiben, bis du schwarz wirst - eine Antwort erhälst du nur selten: Ärzte, Handwerker, um nur zwei zu nennen. Mein Hausarzt hat nicht mal eine Mail-Adresse im Impressum seiner Webseite und in der Praxis hängt seit gewisser Zeit (im Jahre 2023 n. Chr. - Digitalisiserung... Neuland) ein Hinweis, dass man Rezeptanfragen an eine E-Mail-Adresse schicken könne, die werden binnen ein bis zwei Tagen bearbeitet und man könne sich das Rezept dann nach Rückruf abholen, alle anderen Anfragen werden darüber aber nicht beantwortet. Ja, natürlich kann man das nicht verallgemeinern - klar. Überall im Leben gibt es Ausnahmen - unser Tierarzt beispielsweise ruft auf meine Mails immer zurück, sogar am Freitag um 20 Uhr. Warum ich dort nicht selbst anrufe, wenn ich was will? Weil ich weiß, dass die dort praktisch ganztägig einen Arsch voll zu tun haben und wenn eines unserer Tiere (um es ein bisschen zu dramatisieren) nicht gerade im Sterben liegt, sondern es einfach nur um eine Terminabsprache wegen des Impfstatus geht, schreibe ich und bitte um Rückantwort, wenn es eben die Zeit zulässt. Handwerker haben aktuell so volle Auftragsbücher wie praktisch noch nie. Und ja, da glaube und verstehe ich gerne, dass man nach einem zehn- oder bei manchen auch zwölf-Stunden-Tag kaum noch Muße findet, E-Mails zu beantworten. Aber im Ernst, soll ich den Dachdecker tagsüber anrufen, wenn er in 15 Meter Höhe Ziegel verlegt? Oder den Tischler, der gerade mit der Kreissäge werkelt. Nein! Und die wenigsten leisten sich ein Büro, dass solche Anrufe entgegen nimmt. Es gibt auch in meinem (Büro-)Beruf Zeiten, die ich so verplane, dass ich ähnliche Arbeiten en bloc abarbeite. Ist man nämlich erst einmal in einem Prozess drin, geht dieser deutlich leichter/schneller von der Hand, als wenn ich ständig wechseln muss. So haben auch Anrufe (wenn zwingend notwendig) einen festen Platz in meinem Terminplan. Und auch bei mir gilt: Fällt an einem kalten Dezembertag die Heizung aus, rufe auch ich beim Heizungsmonteur an, natürlich.

Ansonsten ist es aber auch ein Stückweit "Berufskrankheit". Ich arbeite in dem Bereich Schadensabwicklung und da mutmaßen wir nicht, wir wollen wissen. Und wenn es später einmal vor Gericht geht, dann heißt es auch "nach Sach-/bzw. Aktenlage". Konkret: Wer hat wann mit wem worüber gesprochen, was war vereinbart? Ein Telefonat oder eine mündliche Absprache lassen sich schwer bis gar nicht belegen und wenn einer am Ende die Rechnung bezahlen soll, wollen alle mit dem Hintern ganz dicht an der Tapete dran und keiner will es gewesen sein. Dann heißt es "in dubio pro reo" oder halt "im Zweifel für den Angeklagten". Ein anderes Sprichwort besagt "wer schreibt, der bleibt". Ich sage auch gerne (leicht abgewandelt von "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold") "Schriftlich ist Gold, mündlich ist Mist".

Versteht mich nicht falsch. Ich kann gerne mit jemand plaudern, den ich schon eine Zeit lang nicht getroffen/gehört habe. Kategorie "Wie geht's", Smalltalk, gerne, kein Thema. Ich wimmel auch keinen Kollegen ab, der sich erkundigt, wie das Wochenenede war. Dem sage ich auch nicht "Schreib mir über Teams!". Gespräche aus der Kategorie "Wir müssen mal dringend reden" auch kein Problem, dann aber bitte face-to-face, da treffen wir uns lieber auf ein Bier oder was-auch-immer, anstatt Gefahr zu laufen, verdächtigt zu werden, das Gegenüber erhält nicht die volle Aufmerksamkeit und man würde neben dem Telefonat die Wäsche bügeln. Das sind Dinge, die zum Schreiben zu belanglos oder dann auch wieder zu kompliziert/wichtig sind. ALLES ANDERE muss (!) auch in einer kurzen Nachricht Platz finden können. Und ich rede NICHT von Sprachnachrichten! Herrgott nochmal, wer hat sich diesen Scheiß ausgedacht!? Als wir dachten, SMS und WhatsApp hätten uns vom Telefonieren erlöst, wurde in der Hölle die Sprachnachricht erfunden. Die nervigste Erfindung des Kommunikationszeitalters. Fabi Rommel persifliert das hier großartig, weshalb ich das hier (ausnahmsweise) auch mal nicht weiter breittreten will, wenn Menschen über WhatsApp einen regelrechten Podcast veranstalten. Okay, zugegeben: Auch die schriftliche Variante hat zwei Seiten der Medaille: Gruppen-Chats. Ich könnte wahnsinnig werden, wenn sich darüber zeitgleich mehrere Handlungsstränge ergeben, wie in einer schlechten.. nein eigentlich jeder TV-Soap. Hier ist das ebenfalls perfekt persifliert.

Es gibt konkret (mindestens) sieben Gründe warum ich keine Anrufe mag:

  1. Wir sind alle meistens irgendwie ziemlich beschäftigt! Was du mir mitteilen möchtest, ist vermutlich nicht wichtiger als das, was ich gerade entschieden habe zu tun, denn...
  2. Anrufe sind allermeist unangenehm und unpassend! Nicht immer befindet man sich in der Möglichkeit ungestört und frei zu sprechen, denn...
  3. Telefonieren ist ein unüberlegter und unhöflicher Kommunikationsweg! Jemanden anzurufen ist auch nicht viel besser als direkt bei jemandem im Büro oder vor der Haustür zu stehen, denn...
  4. Anrufe lassen sich nicht sortieren oder priorisieren! Anrufe kann man nur so annehmen (oder nicht), wie sie ankommen und vielleicht sind einige Anliegen sogar dringlicher als andere, aber die hören dann nur ein Besetztzeichen.
  5. Ich bin vergesslich! Schwierig zuzugeben, aber traurige Realität: Ich kann mich einfach schlecht an Telefongespräche erinnern, denn...
  6. Ein Anruf hinterlässt keine Spuren! Bei einer telefonischen Diskussion werden oftmals Entscheidungen getroffen, doch das gesprochene Wort ist später nicht mehr nachvollziehbar/nachprüfbar, denn...
  7. Mein Terminkalender und meine "to do"-Liste befinden sich auf meinem Smartphone! Bei vielen Anrufen geht es aber um die Planung, z.B. eines gemeinsamen Meetings, Terminen oder man wird gebeten irgendetwas zu tun. Da heutzutage auch kaum noch jemand auf dem Festnetz anruft, sondern fast immer mobil, muss ich erst einmal auf Lautsprecher umschalten, um dann mit dem Gerät in der Hand (und nicht mehr am Ohr) in die anderen Apps zu wechseln (Kalender, E-Mail, etc.) und dann sieht es auch wieder so bekloppt aus, als würde man eine Tafel Schokolade vollquasseln (das sieht man auch zur Genüge, speziell bei den Sprachnachricht-Fans).
"Entschuldigung, sprechen sie da mit ihrer Ritter Sport?"

Fassen wir zusammen: Wenn du mich anrufst und ich gehe nicht dran, oder ich drücke dich vielleicht auch weg, dann befinde ich mich in einer Situation, in der ich gerade EINFACH NICHT TELEFONIEREN kann oder will. Vielleicht sitze ich in der vollbesetzten U-Bahn und möchte mit dir ungern die erfolgreiche Prostata-Untersuchung diskutieren. Oder ich sitze in einer wichtigen Ausschuss-Sitzung (die ich vielleicht sogar leite) und kann wirklich gerade nicht mit dir erörtern, welches Geburtstagsgeschenk wir für Onkel Herrmann kaufen wollen. Und ich kann nachvollziehen, dass es für dich jetzt im Moment einfacher ist, kurz im Kontakt auf den grünen Hörer zu drücken und meist mich um etwas zu bitten. Aber ich habe auf der anderen Seite oftmals das "to do" und muss es irgendwie festhalten, weil kein Gedächtnis so gut ist, wie ein Stück Papier und etwas Tinte (oder eben ein digitaler Eintrag). 

Und am allerbesten ist es, eine WhatsApp-Nachricht schreiben, um einen Anruf anzukündigen, in dem man ein Meeting vereinbart, das über Teams/Zoom abgehalten wird, damit man ein persönliches Treffen planen kann.

Ich habe praktisch immer mein Smartphone "am Mann" und eine kurze Nachricht kann ich immer schreiben. Du erreichst mich über WhatsApp, Signal, Threema, den Facebook-Messanger und meinetwegen sogar über Skype, Telegram und TeleGuard. Ansonsten schreib mir eine E-Mail oder wenn es sein muss auch einen Brief und wenn du willst, sogar gerne ein Fax - ja ich nutze die Faxfunktion meines Multifunktionsdruckers. (Fast) Alles ist möglich, nur bitte spar dir Anrufe (und Sprachnachrichten!!!). Danke.

Foto: Collage

 

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