Wer hat's gewusst? Heute (24. April) ist internationaler Tag des Versuchstiers. Es gibt ja so ziemlich für alles Tage: Zum Beispiel der internationale Küsse-Rothaarige-Tag (12. Januar), der internationale Dudelsack-Tag (10. März), den Welt-Mittelfinger-Tag (01. August) oder auch den "Gib-vor-ein-Zeitreisender-zu-sein"-Tag (08. Dezember) - ja, den gibt's tatsächlich. Teils handelt es sich um Spaßtage, von denen vermutlich die wenigsten gehört haben werden. Auch der heutige ist sicher eher wenigen unter uns ein Begriff und mit Spaß hat es definitiv nichts zu tun...
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Foto: Pixabay |
Bei dem Thema Tierversuche denken wir häufig an kleine weiße Labormäuse oder auch Ratten, vielleicht auch mal Kaninchen. Aber des Menschen bester Freund, der Hund? Oh ja, auch der ist mit dabei. 2022 wurden lt. Deutschem Tierschutzbund insgesamt 4.207.231 Tiere in deutschen Laboren „verbraucht“, diese wurden größtenteils getötet. Über vier Millionen! 1.769.437 Tiere, wurden allein als sogenannte „Überschusstiere" getötet. So werden die Tiere bezeichnet, welche zwar für die Wissenschaft gezüchtet wurden, für welche die Labore dann aber doch keine Verwendung hatten. Dafür kann es schon ausreichen, dass sie nicht das gesuchte Geschlecht oder das passende Alter für das jeweilige Experiment haben. Sie werden dann „entsorgt“, also getötet. Denn für die Labore ist es schlicht zu teuer, die Überschusstiere alle bis an ihr natürliches Lebensende zu versorgen. Der Mensch... die "Krone der Schöpfung"... naja.
Anzahl und Arten der Tiere für Tierversuche - Quelle: Deutscher Tierschutzbund
Es gibt über 900 Tierversuchslabore nur in Deutschland. 2022 litten mehr als die Hälfte der Tiere in Tierversuchen hierzulande allein für die sogenannte "Grundlagenforschung". Sie sucht nach Erkenntnis; Anwendung ist zunächst nachrangig. Die Grundlagenforschung schafft ein Elementarwissen für die weitergehende Forschung. Die dortigen Experimente haben also streng genommen weder einen konkreten noch einen absehbaren Nutzen, sondern dienen halt nur dem reinen Erkenntnisgewinn. In der angewandten Forschung werden Tiere künstlich krank gemacht, um an ihnen als Modell diverse Krankheiten des Menschen zu untersuchen. Doch Ergebnisse aus Tierversuchen lassen sich im Grunde nur schwer auf den Menschen übertragen und bringen bei weitem nicht den erhofften Durchbruch bei dringend benötigten Therapien für Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Parkinson. Schon die grundlegenden Unterschiede in Körperbau, Stoffwechsel und Lebensweise zwischen Hunden und Menschen legen nahe, dass Ergebnisse aus Versuchen an Hunden nicht auf den Menschen anwendbar sind.
Weitere rund 16% der Tierversuche werden für die Herstellung, Kontrolle oder Zulassung von Produkten "verwendet". Zum Beispiel Beagle-Hündin Lilly: Sie wurde ganz gezielt für Tierversuche gezüchtet und im Labor geboren. An Lilly wurde getestet, ob Kindershampoo in den Augen brennt - was zweifelsohne wohl vorgekommen sein muss, denn sie verlor durch das aggressive Shampoo ihr Augenlicht. Ihre Augen mussten vom Tierarzt entfernt werden, die Lider wurden zugenäht. Sie hat vermutlich nie eine grüne Wiese gesehen. Laborbeagle kennen i.d.R. gar kein Tageslicht oder konnten ihre Nase mal in einen Kaninchenbau stecken. Versuchs-Beagle leben extrem reizarm. Denn die Tiere kennen bis auf ihre Artgenossen und Menschen in weißen Kitteln rein gar nichts. Randbemerkung: Erst im hohen Alter von zehn Jahren fand sich ein Hundefreund, welcher Lilly aus dem Labor rettete, um ihr zumindest einen schönen Lebensabend zu bescheren. Zumindest können Kevin und Chantalle jetzt tränenfrei ihre Haare waschen. Toll.
Beagle-Hündin Lilly (10) verlor durch Shampoo-Versuche im Labor ihre Augen - Foto: christian lohse
Was viele vielleicht nicht wissen: Wenn es um Versuchshunde geht, sprechen wir in der Regel immer über Beagle. Es sind diese Hunde, die mehrheitlich für Versuche eingesetzt werden. Das hat aus der Sicht der Institute gute Gründe: Beagle sind robust, freundlich und können als Meutehunde sehr gut im Gruppen gehalten werden. Weil sie dank ihres sanftmütigen und umgänglichen Wesens leicht zu handhaben sind, nutzt der Mensch diese Liebenswürdigkeit ganz bewusst, denn Beagles neigen nicht dazu zu beißen, obwohl der Mensch ihnen wiederholt Schmerzen zufügt. Einige wenige Zuchtfarmen weltweit haben sich darauf spezialisiert, diese Rasse zu "produzieren" und beliefern die Institute.
Ja, ich kann in gewisser Weise schon verstehen, wenn jetzt einige sagen, "Aber Arzneimittelforschung ist doch wichtig!" - ja zweifelsohne. Arzneimittel müssen auf Unbedenklichkeit getestet werden. Hierfür erfolgen einerseits Giftigkeitstests, um die Sicherheit bewerten zu können, als auch Wirksamkeitstests. Je nach Teststoff müssen neben Kaninchen und Affen als zweite, sogenannte "Nicht-Nagerspezies", auch Hunde in den Versuch. Um herauszufinden, ob bestimmte Substanzen bei oraler Einnahme giftig sind, wird dabei die Schädlichkeit des Stoffs nach täglicher Gabe über das Futter auf längere Zeit untersucht. Hierbei gilt es im Hinterkopf zu behalten: Tierversuche werden an jungen, gesunden Tieren durchgeführt, während die meisten Medikamente menschlichen Patienten fortgeschrittenen Alters mit Bluthochdruck, Diabetes und anderen Krankheiten verabreicht werden. Um Präparate gegen Bluthochdruck zu testen, wird Hunden beispielsweise ein Herzschrittmacher implantiert. Damit wurde gezielt und künstlich eine Herzfrequenz bis etwa 220 Schlägen pro Minute am wachen Hund ausgelöst (die normale Frequenz liegt bei etwa 80 bis 100 Schlägen). Und auch wenn die Tiere unter Narkose operiert und ihnen Schmerzmittel gegeben werden, so leiden sie dennoch: Die ungewohnte Versuchssituation und die gleichzeitige Abwesenheit der vertrauten Tierpfleger und der gewohnten Artgenossen (durch die versuchsbedingte Einzelhaltung) sowie die notwendige Fixierung verursachen praktisch immer Angst und Stress. Substanzen aller Art können Übelkeit und Erbrechen sowie Durchfall hervorrufen - die berühmt-berüchtigten Risiken und Nebenwirkungen. Gegen all das hilft kein Schmerzmittel.
Davon abgesehen gibt es eine Vielzahl an teils absurden, teils völlig unnützen Versuchen:
- Es wurden Löcher in Kieferknochen gefräst
- Herzversagen am unbetäubten Hund simuliert
- Experimente mit einem seit 50 Jahren verwendeten Medikament
- 20 % des Blutes abgelassen, um einen Blutungsschock herbeizuführen
- Schmerzversuche zu einem längst etablierten Schmerzmittel
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Foto: PETA |
Aber: Für die Prüfung von Arzneimitteln und Chemikalien gibt es inzwischen viele tierfreie Verfahren. Der Trend geht dahin, mit Kombinationen aus verschiedenen tierfreien Methoden viele Tierversuche ersetzen zu können. Hemmend wirken jedoch die unterschiedlichen Regularien in OECD- und Nicht-OECD-Ländern und die mangelnde Bereitschaft, den Ausstieg aus dem Tierversuch endlich entschieden anzugehen. Wirkstoffe können an schmerzfreier Materie wie menschlichen Zellen und Gewebe getestet werden. Mit Hilfe von Multi-Organchips, die ähnlich wie ein Minimensch funktionieren, oder Computersimulationen, die auf menschlichen Daten basieren, wird das Verhalten von Substanzen im menschlichen Körper detailliert dargestellt, was für den Menschen relevante Aussagen über möglicherweise schädliche Auswirkungen erlaubt. Im Sinne von Mensch und Tier muss das System Tierversuch auf schnellstem Wege abgeschafft werden. Nähere Infos gibt der Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. oder auch Ärzte gegen Tierversuche.
Die Regierung von Neuseeland hat übrigens bereits 2016 ein Gesetz verabschiedet, das bahnbrechende Bedeutung auch für andere Länder haben könnte: Das Animal Welfare Amendment Bill. Darin ist in Gesetzesform festgeschrieben, dass alle Tiere empfindungsfähig sind und die gleichen Gefühle haben wie wir Menschen. Das Gesetz sieht ein Strafsystem vor, in dem Verstöße gegen das Wohlbefinden von Tieren durch Tierschutzinspektoren geahndet werden. Es verbietet u.a. den Mißbrauch von Tieren zum Testen kosmetischer Produkte. Ja, da ist endlich ein Land, in dem Albert Schweitzers ethische Forderung nach „Respekt vor allem Leben“ tatsächlich konsequent umgesetzt wird.
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Grafik: Collage |
Die Hunde, welche die Versuche gesund überleben, werden abgegeben und können danach theoretisch ein ganz normales Hundeleben führen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Laborhunde kennen und können nicht viel, wenn sie das Institut verlassen dürfen und fangen erst jetzt an, Dinge zu lernen, die andere Hunde bereits im Welpenalter lernen. Sie sind natürlich nicht stubenrein und kennen auch keine Leine. Es gab bisher nur ihren Zwinger, im günstigsten Fall vielleicht auch kurze Zeiten im Auslauf des Instituts. Das war es dann aber auch. Wozu soll ein Laborhund "Sitz" und "Platz" beherrschen? Meist wird er eh "mit Gewalt" in die "richtige Position" gebracht. Rückrufkommando? Wozu, er kann ja eh nirgendwo hin.
Der Wechsel in ein normales Leben in einer Familie ist mit vielen neuen Reizen und Anforderungen verbunden. Einige der Hunde verhalten sich bereits am zweiten Tag in der Familie so, als hätten sie niemals woanders gelebt und zeigen dies dann auch mehr als dankbar. Andere brauchen länger, einige wenige brauchen lange. Jedes Tier ist individuell.
Dennoch: Kauft bitte keine Tiere beim Züchter oder gar über Kleinanzeigen.
Für den/die Züchter/in ist das im weitesten Sinne ein Geschäft, bzw. ihm/ihr geht es oftmals darum, mit "makellosen" Tieren Preise zu gewinnen und versucht noch die kleinste Unebenheit wegzuzüchten. Prominentestes Beispiel sind hier die viel zu kurzen Nasen der französischen Bulldoggen, welche zu Atemnot führen kann. Sie scheinen stets zu lächeln, es geht aber auf anatomische Fehlzucht zurück. Die Neufassung des Tierschutzrechtes will u.a. gegen Qualzuchten vorgehen.
Foto: Beagles of Stonehedge Mountain
Das Internet bzw. Züchterseiten sind voll mit Fotos, wo die Hunde, an Kinn und Schwanz gefasst, in Pose gebracht und mit zig Pokalen präsentiert werden. Das Ganze erscheint mir ähnlich fragwürdig, wie kleine Mädchen in irgendwelche Abendroben zu pressen, von Erwachsenen ausgedachte Sätze aufzusagen und künstlichstes Grinsen aufzusetzen, um damit irgendwelche Schönheitswettbewerbe zu gewinnen.
Warum können Kinder (aber auch Hunde) nicht einfach nur spielen und Spaß im Leben haben?
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Die gelb markierte Passage kam erst 2002 in den Gesetzestext. Bild: dejure.org |
Auf Kleinanzeigen, kann man vielleicht auch seriöse Angebote eines (ungewollten) Familienwurfs finden, aber zu oft werden teils wenige Wochen alte Welpen aus Osteuropa wie Handyhüllen verscherbelt, die viel zu früh von der Mutter getrennt wurden, ohne irgendwelche Papiere, geschweige denn Untersuchungen/Impfungen (weil dafür viel zu jung).
Nochmal: Ich will mitnichten die eine oder die andere Gruppe ausnahmslos über einen Kamm scheren. Verallgemeinerungen sind immer Mist! Schon klar, oder? Aber wenn man sich gründlich Gedanken über ein neues Familienmitglied gemacht hat, muss es immer der Vorzeigehund, wie aus dem Prospekt (da ham' was wieder), mit Ahnentafel und Titel?
Geht in die Tierheime, die sind voll mit Hunden, deren Vorbesitzer vielleicht irgendwann gemerkt haben, dass es doch ein wenig Aufwand, Zeit und Geld bedarf. Denen es schlicht über den Kopf gewachsen ist und die das fühlende Lebewesen mehr oder minder wie einen defekten Toaster zurückgebracht oder im schlimmsten Fall irgendwo ausgesetzt haben. Denkt darüber nach, einem Laborhund ein schönes Restleben zu schenken, auch wenn der Start ins selbige nicht perfekt war. Unterstützt den Laborbeagleverein oder die Laborbeaglehilfe.
Man kann auf die Straße gehen - Ärzte gegen Tierversuche rufen hierfür zur Demo auf - oder auf das Thema aufmerksam machen, der Politik schreiben.
Auf wermachtwas.info gibt es Infos und auch eine App, welche Auskunft über allerlei Produkte gibt, welche mit Tierversuchen in Verbindung gebracht werden können, bzw. welche frei davon sind.
Und man kann natürlich Geld spenden - der Deutsche Tierschutzbund hilft damit beispielsweise Tieren in Not. Aber natürlich freuen sich alle zuvor genannten Institutionen über finanzielle Hilfe.
Wer einmal in die Augen eines Beagles geschaut hat, kann nicht widerstehen - Foto: Privat
Danke für die Unterstützung.💓
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