Das erste TV-Duell zwischen den alten weißen Männern ist gelaufen. Biden (81) vs. Trump (78). Und selbst die Demokraten sagen, dass Biden unterirdisch wirkte. Obwohl er dieses frühe TV-Duell explizit selbst wollte. Es liegt aber auch ein Stückweit daran, dass Trump besser wirkt, weil Trump ein Entertainer ist und Biden schon immer Politiker war. Und Fernsehen ist halt vorrangig Entertainment. Er fragt andere Menschen, ob sie glauben können, dass er Politiker sei - er selbst könne es nicht glauben. Trump hat im TV-Duell durchgängig Lügen und nicht belegte Behauptungen verbreitet und kam demnach in den 90 Minuten auf mindestens 24 Falschaussagen. Ansonsten unterhielten sich die beiden Senioren u.a. auch darüber, wer der bessere Golfer ist. Es wurde beschimpft, beleidigt - die beiden Politiker beschäftigten sich am liebsten mit sich selbst, anstatt über die Probleme im Land. Nicht Lösungen, Inhalte zählen, sondern nur Emotionen.
Keine Fakten/Inhalte - Nur noch Personen/Gefühle
Es ist in den USA wie mittlerweile gefühlt überall (auch in Deutschland), dass die Menschen keine Statistiken mehr kümmern. Egal wie die nüchternen Fakten sind: Es zählt mehr und mehr nur das Gefühl. Gleichwohl die wirtschaftliche Lage gar nicht so schlecht ist, fühlen sich manche "abgehängt", fühlen, dass sie weniger im Portemonnaie haben oder mehr für den Einkaufswagen bezahlen müssen. Es gibt einen (zum Teil erheblichen) Unterschied zwischen der wirtschaftlichen Lage (die vergleichsweise gut ist) und eben der gefühlten Lage.
Screenshot Weltspiegel-Doku (ARD)
Besser ein Bürgerkrieg als "status quo"
Da ist eine glühende Trump-Anhängerin. Sie trägt ein T-Shirt auf dem explizit steht "Ich wähle nicht republikanisch, ich wähle Trump!". Sie lebt den totalen Personenkult, fährt hunderte von Meilen, steht stundenlang in den Warteschlangen, nur um ihrem Messias zuhören zu können und schläft zur Not auch mal im Auto. Sie erzählt, wenn Trump seinerzeit gesagt hätte "Lasst uns das Kapitol einnehmen!" wäre sie als 67jährige Frau mit ein paar Ziegelsteinen vom Kapitol nach Hause gegangen. Sie sagt, mit aller Entschlossenheit im Gesicht, dass sie lieber in einem Bürgerkrieg leben würde, als im derzeitigen Status - das Land ginge vor die Hunde.
Das muss man erst mal wirken lassen. Ich meine, die USA haben bereits einen Bürgerkrieg hinter sich, wir erinnern uns? Naja, ist ja nur rund 160 Jahre her. Und bereits damals kamen Schätzungen zufolge rund 750.000 Menschen (darunter ca. 50.000 Zivilisten) ums Leben, damals als ein Gewehr einen Schuss abfeuern konnte und es eine ganze Weile brauchte, eine neue Kugel nebst Schießpulver nachzufüllen. Nur zum Vergleich: Im Vietnamkrieg, knapp 100 Jahre später, waren es etwa 1,3 Mio., im Koreakrieg ca. 4 Mio. Menschen. Heute laufen die Amis mit halbautomatischen Waffen zu Starbucks, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Kaum auszudenken, was ein Bürgerkrieg heutzutage an Verlusten bedeuten würde. Und eine "Grenze" wäre auch schwierig zu ziehen... damals was es der Süden der gegen den Norden kämpfte - die einen für die Sklavarei, die anderen dagegen. Jetzt hätte man im engeren Sinne Demokraten gegen Republikaner, die teils nebeneinander oder in derselben Straße wohnen.
Das Zweiparteien-System in den USA holt viele nicht mehr ab. Sie sind weder von der einen noch der anderen Partei überzeugt. Wie sollen sich auch Anfang der 2000er Geborene von Männern um die 80 abgeholt fühlen? Es mangelt an Optionen. Natürlich gibt es z.B. auch "Grüne" in den USA, oder auch die "Libertäre Partei". Doch seit Mitte des 19. Jahrhunderts besitzen nur die Demokratische und die Republikanische Partei praktische Bedeutung. Einige Jahrzehnte war das hierzulande ähnlich: CDU und SPD waren die Gegensätze, die FDP stets nur kleinerer Koalitionspartner wenn notwendig, aber andere Parteien spielten keine Rolle. In den 80ern kamen dann die Grünen und mittlerweile ist das Parlament so durchmischt, wie in vielen anderen (vorwiegend europäischen) Staaten. Klein- und Kleinstparteien erringen immer mehr Zuspruch und Sitze in den Parlamenten, sodass sich Zusammenschlüsse und Bündnisse von nicht selten fünf bis zehn Parteien für eine erfolgreiche Regierung bilden müssen. Ob wir vielleicht in baldiger Zukunft etwas ähnliches wie "Republikaner" auf der einen und demokratische Parteien auf der anderen Seite haben werden?
2. Amtszeit Trump = Ende der Demokratie?
Trump hatte bereits angekündigt, dass er die USA im Falle eines Wahlsieges zu einer Diktatur ausbauen wolle. Genauer gesagt zumindest am ersten Tag seiner Amtszeit. Natürlich, er hat ja damals auch in keinster Weise zum Sturm auf das Kapitol aufgerufen. Bereits jetzt erwägen nicht wenige Leute, das Land zu verlassen. Sie fürchten ernsthaft, dass Trump und seine Gefolgsleute Amerikas Demokratie zerstören und in einen autokratischen Staat verwandeln könnten. Aus seiner Bewunderung für Diktatoren wie Putin, Xi und Kim macht Trump keinen Hehl – und sein Team arbeitet tatsächlich bereits an Konzepten für den Umbau des Staates.
Würden die Amerikaner_innen im November (mehr oder minder) erstaunt in "Britney Spears"-Manier ausrufen müssen "Oops, I did it again!", die Folgen wären (auch nach Einschätzung der künstlichen Intelligenz) fatal. Sie zeichnet die USA nach der Wiederwahl von Trump so: Proteste, wirtschaftliche Ungleichheit und eine zunehmend autoritäre Regierung bestimmen das Bild. Bei Protestkundgebungen in Washington, D.C., kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei - politische Gegner werden mundtot gemacht. Weitere Folgen:
- Gesetze und Regelungen, die während der Biden-Administration eingeführt wurden, werden durch Trumps konservative Richter zurückgenommen
- Obamacare wird reformiert bzw. demontiert
- Steuersenkungen für Unternehmen und Wohlhabende = mehr Einkommensungleichheit
- Bau der Grenzmauer zu Mexiko fortsetzen
- Beziehungen zu traditionellen Verbündeten bleiben weiterhin angespannt, während die Beziehungen zu Ländern wie Russland und Nordkorea freundlicher gestaltet werden
- Handelskriege u.a. mit China
- Die USA ziehen sich erneut aus dem int. Klimaschutzabkommen (Pariser Abkommen) zurück
- US-Militärpräsenz in Übersee reduzieren und darauf drängen, dass NATO-Verbündete mehr für ihre Verteidigung ausgeben
- politische und gesellschaftliche Polarisierung verschärfen sich, Trumps oft konfrontativer Stil vertieft die Spaltungen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und seine Haltung gegenüber Bewegungen wie Black Lives Matter und seine Reaktionen auf Proteste verstärken Spannungen
- Angriffe auf die Medien und die Verbreitung von „Fake News“-Anschuldigungen intensivieren sich, was das Vertrauen in traditionelle Nachrichtenquellen weiter untergräbt
Mal abgesehen davon, dass Trump im November der erste Präsident der USA sein könnte, der ein veruteilter Straftäter ist. Im August wurde Trump wegen mutmaßlicher Manipulation der Wahl 2020 in Georgia angeklagt. Er wurde für etwa 20 Minuten festgehalten, um Fingerabdrücke abzugeben und sein Polizeifoto ("Mugshot") aufnehmen zu lassen. Trump nutzte selbst diese Situation und begann unmittelbar danach, Merchandise-Artikel zu verkaufen, die alle sein Polizeifoto zeigten. Diese Strategie erwies sich als äußerst lukrativ: Seine Kampagne sammelte in den 24 Stunden nach dem Mugshot beeindruckende 4,18 Millionen Dollar ein. Nach seiner Verurteilung im New Yorker „Schweigegeld“-Fall erzielte seine Kampagne innerhalb eines Tages gar satte 53 Millionen Dollar. Zwar ist noch kein Urteil gesprochen, eine Freiheitsstrafe für den Ex-US-Präsidenten ist aber durchaus möglich. Selbst aus dem Gefängnis heraus könnte Trump gewählt und sogar vereidigt werden. Die bisherigen Anklagen scheinen Trump politisch jedenfalls nicht geschadet zu haben. Seine Beliebtheitswerte sind zwar nicht gestiegen, haben aber bislang auch nicht messbar gelitten.
Mal abgesehen davon, dass er ohne Ende Stuss erzählt, wie beispielsweise seinerzeit in der Pandemie, dass man sich Desinfektionsmittel spritzen solle (was im Nachhinein NATÜRLICH als Sarkasmus verkauft wird - das Schema "das habe ich so gar nicht gemeint" kennen wir auch hierzulande), oder dass er es ablehnte, einen Veteranen-Friedhof zu besuchen, weil dort "eh nur Verlierer und Trottel liegen würden", oder auch seine berüchtigte Bemerkung über Frauen ("You can grab ’em by the pussy"), die er vor Gericht sogar verteidigte... die Liste scheint endlos. Es ist vermutlich so, wie er es selbst seinerzeit sagte, dass er mitten in New York auf der 5th Avenue jemanden erschießen könne und die Leute würden ihn dennoch scharenweise wählen.
Es ist mit Trump ein wenig wie mit der AfD: Ganz egal, wie abstrus oder entgegen dem gesunden Menschenverstand etwas gesagt oder gehandelt wird - die Unterstützer_innen bleiben. Es geht nicht mehr um Fakten oder Inhalte. Es geht nur noch um Personen und Gefühle.
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