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Freie Meinungsäußerung

Wir leben in einem Land, wo die freie Meinungsäußerung im Grundgesetz verankert ist... NOCH! Es gab früher in Teilen dieses Landes (und ganz früher im ganzen Land), eine Zeit, in der das anders war. Und manchmal wiederholt sich Geschichte ja (leider) auch. In anderen Ländern ist es heute problematisch, manche Dinge auszusprechen oder Positionen zu vertreten, siehe Russland, Türkei, Ungarn, Nord-Korea...

2022 behalfen sich Demonstranten_innen in China beispielsweise eines leeren, weißen Blattes Papier. Dieses wurde dort zum Symbol des Widerstandes gegen die strikten Corona-Beschränkungen. "Das weiße Papier steht für alles, was wir sagen wollen, aber nicht sagen können" lautete die Begründung. In den sozialen Medien gab es weiße Kacheln. Auch in Hongkong hielten Aktivisten im Jahr 2020 aus Protest weiße Papierbögen hoch, um Slogans zu vermeiden, die nach dem neuen "Gesetz zur nationalen Sicherheit" verboten waren. In Moskau haben Demonstranten 2022 ebenfalls damit gegen den Krieg Russlands mit der Ukraine protestiert, denn die russische Regierung bestrafte jede/n, der die "Militärische Spezialoperation" als das was es ist, nämlich Krieg, titulierte, mit 15 Jahren Straflager.

Hierzulande haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes dafür gesorgt, dass (weil man eben aus der damals jüngsten Geschichte gelernt hat) es gewisse Grundrechte für die Menschen gibt, welche es besonders zu schützen gilt:

  • Art. 5 GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
  • Art. 8 GG:  Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

...um nur zwei zu nennen.

Man könnte meinen, dass dies unmissverständlich sei. Fehlinterpretation ausgeschlossen. Doch es gibt einen unschönen "Trend": "Freie Meinungsäußerung" wird immer häufiger mit "das wird man ja noch sagen dürfen" in einen Topf geschmissen. Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwer, wie folgendes (vereinfachtes) Schaubild verdeutlichen soll: 


Und das ist beileibe nicht nur bei den vielbeschworenen Stammtisch-Parolen der Fall (wo gibt es schließlich heute noch "Stammtische"?), sondern natürlich durch jedermann und -frau im Internet, aber auch von Prominenten und Politikern.

Jüngst trug es sich wie folgt in München zu, dass der Kanzlerkandidat der Union auf der Wahlkampfabschlussveranstaltung eine Rede hielt. Nicht irgendeine, nein, er sprach angesichts der Umfrageergebnisse siegessicher davon, dass man nun bald wieder Politik "für die Mehrheit der Bevölkerung machen" werde. Für diejenigen, "die noch alle Tassen im Schrank haben" und nicht für irgendwelche "grünen und linken Spinner". Er spricht damit die jüngsten Demonstrationen an, welche Anfang Februar deutschlandweit stattfanden. Millionen sind auf die Straße gegangen, weil sie gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft ein Zeichen setzen wollten. Den Rechtsruck, für den maßgeblich die AfD verantwortlich ist, aber zu dem auch die CDU/CSU ihr übriges dazu tut. Zum einen hatten sie keine Hemmnisse erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sehenden Auges und mit Ankündigung gemeinsam mit einer in Teilen als gesichert rechtsextremen Partei abzustimmen. Zum anderen haben sie sich weder in 2025, noch bei den Demos 2024 als "nicht rechts" deklariert. Man hatte Fahnen vielfältiger Couleur gesehen: SPD, Linke, Grüne, alle Jugendorganisationen, in Teilen auch FDP, Gewerkschaften, und, und, und. CDU? Fehlanzeige! Selbst auf ausdrückliche Einladungen erhielten manche Veranstalter Absagen, weil man sich selbst als "rechts" verorte bzw. die Proteste gegen sich empfand. Tja, wer sich den Schuh anzieht...

Bild: Collage

Die CDU unter Angela Merkel oder auch Helmut Kohl verstand sich immer als "die Mitte". Selbst die (mehr oder weniger) "Vorgängerpartei" hatte sozusagen "Die Mitte" bereits im Namen: Zentrum. Mit der heutigen CDU sieht das aber irgendwie anders aus. 

Bild: Collage (Netzfundstücke)

Nochmals: Friedrich Merz, mutmaßlicher zukünftiger Kanzler der Bundesrepublik, bezeichnet Demonstrierende, Menschen, die von einem in unserer Verfassung verankerten Grundrecht Gebrauch machen, als "Spinner", als Menschen "die nicht alle Tassen im Schrank haben".

In einem anderen Teil der besagten Rede fragt er: "Ich frage mal die Ganzen, die da draußen rumlaufen, Antifa und 'gegen Rechts': Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen?“. Tja, ich war jetzt nicht live dabei, aber fragen wir mal  die Witwe Irmgard Braun-Lübcke. Merz‘ Aussagen hätten sie und ihre Familie „sehr befremdet“ und „Ich möchte sie so nicht stehen lassen.“. Sie betonte, dass es nach der Ermordung ihres Mannes sehr wohl "ein starkes gesellschaftlich breites Bekenntnis zu unserer Demokratie und ihren Werten gab“. Tausende Menschen seien in Wolfhagen, Kassel und in sehr vielen weiteren Orten in Deutschland auf die Straße gegangen. Darunter seien Linke, Liberale und Konservative gewesen: „Gemeinsam haben sie sich klar gegen Gewalt, Hass und Hetze sowie eindeutig für Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit positioniert“.

Bild: Collage

Ja, es war (noch) Wahlkampf. Ja, da werden auch mal die Ellenbogen ausgefahren. Normal. Aber was F. Merz hier (ge)macht (hat), ist billiger Populismus, Stimmungsmache und schlicht und ergreifend Faktenverdrehung/-drängung. Er diffamiert Menschen, die für die Demokratie einstehen, die sie schützen und bewahren wollen, die sie in Gefahr sehen.

Und die CDU/CSU setzt noch einen drauf: Zwei Tage vor der Bundestagswahl stellt die Union eine "kleine Anfrage". Die Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag umfasst mehr als 550 Fragen zu Organisationen wie „Omas gegen Rechts“, Campact, Correctiv, Attac, Amadeu Antonio Stiftung, Peta, Foodwatch, Deutsche Umwelthilfe, Agora Energiewende, Greenpeace, Netzwerk Recherche oder dem Verein Neue deutsche Medienmacher_innen. Konkret ging es darum, die Finanzierung und politische Neutralität von Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) wie Greenpeace und den Omas gegen Rechts zu prüfen.

Kritiker hatten der Union daraufhin vorgeworfen, sich gegen das zivilgesellschaftliche Engagement von Organisationen zu wenden, die im Vorfeld der Bundestagswahl zu Protesten gegen das gemeinsame Abstimmungsverhalten von Union und AfD im Bundestag zur Migrationspolitik aufgerufen hatten. Weil sogar die beiden großen Kirchen Deutschlands deswegen Kritik übten, spielte Markus Söder den Ball umgehend zurück, um es mal vorsichtig zu formulieren. Der CSU-Chef riet den beiden christlichen Institutionen, sich in politischen Fragen zurückzuhalten. Schließlich bezahle der Freistaat deren Gehälter. Das muss man sich mal vorstellen! Wenn sich also Kirche aus Politik rauszuhalten habe, gilt das dann auch für die Politik in Kirchenfragen? Müssen CDU/CSU dann also ihr "C" im Namen streichen? Ich frag' nur mal...

Kurz gefasst könnte man sagen: Die Union ist nicht kritikfähig. Man kann gerne seine Meinung äußern, aber bitte nicht kritisch! 

Das hat alles nicht zwingend russische oder türkische Züge, aber zumindest "trumpsche". Auch dieser geht mit seinen Kritikern nicht gerade zimperlich um. Die Union der 80er/90er oder unter A. Merkel war eine völlig andere. Sogar unter Armin Laschet wäre sie durchaus "erträglich" gewesen. Ich bleibe dabei: Unter einem Friedrich Merz ist sie es nicht! Merz geht es nicht um die Menschen oder der Mehrheit der Bevölkerung. Ihm geht es einzig und allein um sich selbst. Er plant Politik für Menschen wie ihn (Besser-/Spitzenverdienende). Er will mit allen Mitteln (!) Bundeskanzler sein/werden. Es hatte mit Sicherheit seine Gründe, warum in jeweils sechzehn Jahren weder Helmut Kohl, noch Angela Merkel ihn in das Kabinett geholt haben und er deswegen in der freien Wirtschaft (Stichwort "Black Rock") herumtingelte. 

Ich habe es schon oft gesagt und ich wiederhole es gerne: Dieses Land hat meines Erachtens den unstillbaren Fetisch konservativ zu sein bzw. zu wählen. Der/die Deutsche an sich, möchte keine Zukunft gestalten, sondern an der Gegenwart herumnörgeln. Wir hatten sechzehn Jahre Schwarz-Gelb unter Kohl, dann folgten gerade einmal sieben Jahre Rot-Grün. Dann nochmal stattliche sechzehn Jahre CDU-geführte Regierung unter Merkel. Dann lediglich drei Jahre SPD-Grüne-FDP, a.k.a. "Ampel". Konservative dürfen offenbar gefühlte Ewigkeiten herumprobieren/-regieren, aber wenn es dann mal progressiv wird, dann verlieren die Menschen ganz schnell die Nerven.


Randfakt: Im aktuellen Wahlkampf soll das Thema Migration das alles beherrschende gewesen sein... und dann gehen die Menschen im Februar bei 15°C in die marode Schule nebenan, um zu wählen. GENAU MEIN HUMOR!
Bild: Collage


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