Jüngst lese ich diesen Artikel, dass ältere Menschen mittlerweile von vielem ausgeschlossen werden, derweil für vieles ein Smartphone unerlässlich ist und viele mit der Bedienung eines solchen überfordert sind.
Vorab: Trotz einer hohen und vielfältigen Nutzung des Internets attestiert sich nur jede/r Vierte über 60-Jährige gute oder sehr gute Kenntnisse im Umgang mit Laptops oder dem Internet. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest aus dem Jahr 2022. Noch geringer schätzt die ältere Generation ihre Kompetenz mit Smartphones oder Tablets ein: Durchschnittlich geben sich die Befragten bezüglich ihrer Smartphonekompetenz die Schulnote 3,8.
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Senioren_innen von der digitalen Welt ausgeschlossen? Bild: KI-generiert/Collage |
Zehn Dinge, welche (nach Meinung des Artikels) nur noch mittels eines Smartphones funktionieren:
Warnmeldungen: Bei extremen Wetterlagen, Großbränden oder Chemieunfällen wird die Bevölkerung durch verschiedene Wege gewarnt - vorwiegend jedoch durch das Internet und Warn-Apps wie Katwarn oder NINA sowie Cell Broadcast. Letzteres funktioniert aber nur auf aktuelleren Geräten, älter als fünf Jahre sollten sie nicht sein. Wer "offline" ist, muss aktiv Radio hören oder den Fernseher einschalten, denn Sirenen und Lautsprecherwagen kommen nicht überall im Ernstfall zum Einsatz.
Ja, in Teilen richtig. In vielen Orten werden aber beispielsweise neue Sirenen-Warnnetze aufgebaut, beispielsweise in Winsen, Schwerin oder Berlin, um nur drei zu nennen, welche man mithilfe einer schnellen Suche im Internetz finden kann (gibt garantiert noch zig andere Städte, wo das passiert, erst recht mit Hintergrund der klima- und weltpolitischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit). Darüber hinaus wäre es durchaus im Sinne einer guten Nachbarschaft, dass man im Falle des Falles seine (älteren) Mitbewohner benachrichtigt. Einfach mal ein bisschen mehr "Miteinander".
Speisekarten ansehen: Einige Restaurants steigen auf komplett digitale Speisekarten um. Die Gäste müssen dafür einen QR-Code scannen, um die Getränke und Speisen zu sehen. Auch die Bestellung und Bezahlung läuft teils schon komplett online ab. Die meisten Lokale werden trotzdem noch Speisekarten aus Papier haben, Gäste müssen aber erst danach fragen. Wie aktuell diese dann sind, ist fraglich.
Ja, viele Restaurants steigen, vorrangig um Kosten zu sparen, auf digitale Speisekarten um. So schnell, wie sich heute die (Einkaufs-)Preise ändern bzw. die Kosten steigen, macht das durchaus Sinn. Ansonsten kommst du mit dem Drucken und Einbinden in die schweinsledernen Mäppchen gar nicht hinterher. Und der Personalmangel treibt sicher auch viele dazu, Bestellprozesse zu automatisieren/digitalisieren. Allerdings möchte ich meinen, dass dies (aktuell) noch die große Ausnahme ist und es immer noch in rund 3/4 der Restaurants eine gedruckte Speisekarte geben wird. Ansonsten: Redet doch mal miteinander. Lässt euch von der freundlichen Bedienung etwas empfehlen und belohnt dies dann gerne mit einem großzügigen Trinkgeld. Vielleicht wäre es ja auch eine Überlegung, dass die Restaurants für solche Fälle ein, zwei oder drei Tablets anschaffen, welche sie Personengruppen ohne Smartphone zur Verfügung stellen kann. Manchmal sind ja bei (jüngeren) Smartphone-Besitzer_innen auch schlicht Akkus leer o.ä.. Lösungsorientiert denken! Wenn ich wo nicht mit Karte zahlen kann, suche ich mir teils auch ein anderes Etablissemant. Sollte also im Eigeninteresse der Gastronomie sein.
Online-Banking: Überweisungen per Online-Banking setzen nicht nur einen Internetzugang voraus. Vor dem Abschluss der Transaktion muss diese bestätigt werden, etwa über ein TAN-Verfahren oder eine Authentifizierungs-App. Banken bieten zwar auch analoge Verfahren, zum Beispiel mit einem batteriebetriebenen TAN-Generator, die sind aber in der Regel mit weiteren Kosten verbunden.
Ja, auch Banken und Sparkassen müssen kostenorientiert arbeiten - sind ja nicht die Caritas. Wer online seine Bankgeschäfte erledigt, verursacht schlicht weniger "Aufwand", als Omma Hilde, welche mit einem handschriftlich ausgefüllten Überweisungsträger am Schalter erscheint (das muss nämlich irgendwer händisch ins System eintippen oder zumindest diesem zuführen, damit es gescannt werden kann). Ist nunmal so. Aber immerhin soll letzteres immer noch möglich sein (hab ich schon seit rund 25 Jahren nicht mehr gemacht). Schwierig wird es erst, wenn keine Bank mehr einen Schalter, geschweige denn eine Filiale anbietet.
Online Bezahlen mit Kreditkarte: Wer im Internet mit Kreditkarte einkaufen oder ein Auto mieten möchte, kommt ohne Smartphone heutzutage nicht weit. Viele Banken verlangen eine Zwei-Faktor-Authentifizierung per App über ein Handy oder Tablet.
Das liegt teils in der Natur der Sache. Im stationären Geschäft schiebe ich Geldscheine über den Verkaufstresen und erhalte im Gegenzug meine Ware - so wie es schon im Mittelalter (und weit davor) Gang und Gäbe war. Wenn man sich aber nur "virtuell gegenübersteht" muss der Händler ja auch irgendwie an sein Geld kommen. Manche bieten den Kauf auf Rechnung, Zahlung per Vorabüberweisung oder auch mittels Paypal an - das ist an und für sich ja auch kein "Hexenwerk" mehr. Ein Auto ohne Kreditkarte zu mieten ist in der Tat praktisch unmöglich geworden, derweil die Vermieter die Karte mit einer Kaution als Sicherheit belasten. Es soll jedoch Vermieter geben, die das auch bei einer Bankkarte ("EC-Karte") hinbekommen. Ebenfalls kein Ding der Unmöglichkeit: Eine Kreditkarte beispielsweise ohne Schufa-Auskunft zu bekommen. Die Frage ist nur, ob man das möchte. Manch eine/r verweigert sich aus Prinzip diesem "Teufelszeug". Da kann man dann aber auch nicht weiterhelfen.
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"Mein neues Smartphone... mit Wählscheibe!" - Bild: Collage |
Zugtickets in letzter Minute kaufen: Wenn die Zeit mal knapp ist oder der Fahrkartenautomat kaputt, konnte man bis 2022 sein Zugticket noch beim Schaffner nachlösen. Die Deutsche Bahn hat den Service seitdem abgeschafft; alle Tickets sollen vor der Fahrt gekauft werden. Nur Menschen mit Internet oder der Bahn-App auf dem Handy können weiterhin - auch wenn es eigentlich nicht erlaubt ist - ihr Ticket im Zug kaufen.
Deutschlandticket: Bei der Deutschen Bahn ist das Deutschlandticket nur noch digital erhältlich. Bei den regionalen Verkehrsbetrieben sollte das ehemalig 49-Euro-Ticket als Chipkarte zu kaufen sein, das ist aber nicht überall der Fall. In manchen Regionen kann die Chipkarte zudem nur im Internet bestellt werden und nicht vor Ort. Die Papier-Version des Tickets wurde bereits Anfang 2024 abgeschafft.
Bahncard: Mit der Bahncard können Reisende beim Zugfahren Geld sparen. Die Plastikkarte gibt es seit Juni 2024 nur noch für die Bahncard 100, die übrigen sind rein digital. Immerhin kann die Bahncard weiterhin vor Ort in Reisezentren gekauft und dann als Papierausdruck genutzt werden. Dennoch: Alle BahnCard-Kunden müssen online ein Kundenkonto bei der Deutschen Bahn haben.
Ich denke, dass die wenigsten Senioren_innen so spontan verreisen, dass Zugtickets in letzter Minute gekauft werden MÜSSEN. Wenn in Hintertupfingen der einzige Fahrkartenautomat außer Betrieb ist, okay - Punkt. Deutschlandticket oder Bahncard ausschließlich in digitaler Variante sind in der Tat ein weiterer Punkt, speziell wenn Rentner_innen aus gesundheitlichen Gründen freiwillig auf das Auto verzichten und ihre Fahrerlaubnis abgeben. Hier wäre ich dafür, dass diejenigen, die sich dafür entscheiden, die entsprechenden Tickets für den öffentlichen Nahverkehr (gratis) erhalten - notfalls auch in Papier. Alle, die "den Lappen" freiwillig abgeben, weil sie es sich nicht mehr zutrauen, Bus und Bahn "für umme". Notfalls lässt sich solch eine "Bescheinigung" auch analog erstellen und dient dann als Fahrkarten-Ersatz. Kann gerne adaptiert werden.
Check-In am Flughafen: Am Tag vor dem Flug online einchecken, das gehört mittlerweile zur Norm. Die Bordkarte gibt es dann aufs Handy, zum Selbstausdrucken und nur noch selten vor Ort am Schalter. Die Billigfluggesellschaft Ryanair will ab Mai 2025 noch einen Schritt weitergehen und ausgedruckte Bordkarten nicht mehr akzeptieren. Nach eigenen Angaben müssen Kunden stattdessen die Ryanair-App benutzen. Schon jetzt verlangt die Airline einen Zuschlag von 55 Euro von Fluggästen, die am Schalter einchecken wollen.
Okay, generell nutzen Fluggesellschaften JEDE Möglichkeit, um ihre Passagiere zusätzlich zu schröpfen. Das ist jetzt kein Generationen-Problem. "Flug von Hamburg nach Barcelona? Macht nur 29€. Ach, sie möchten aussuchen, wo sie sitzen? 25€ extra. Sie nehmen auch Gepäck mit? 69€. An Bord etwas essen? 37€. Möchten sie sich gegen kurzfristige Änderungen absichern und eine telefonische Hotline anrufen können? 16€. Ach eine deutschsprachige Hotline? 29€. Zahlung per Kreditkarte? 12€ Gebühr...". Oder: „Bei ihrem Ticket sind nur Start und Flug bezahlt. Wenn Sie auch die Landung wollen, kostet das extra.“ . Wie dem beizukommen ist? Da müsste sich wohl der Gesetzgeber mal Gedanken machen.
Packstation nutzen: In Deutschland gibt es schon mehr als 11.500 Packstationen, von denen alle neueren Modelle nur noch mit der "Post & DHL"-App bedient werden können. DHL will nach und nach auch die älteren Paketboxen mit der Technologie aufrüsten. Wer kein Smartphone hat, ist dann von dem Angebot ausgeschlossen.
Im Grunde dasselbe wie beim Online-Shopping - auch hier muss der Anbieter ja irgendwie sein Geld für die Leistung erhalten. Grundsätzlich lassen sich Packstationen (noch) ohne eine App bedienen. Und bereits 2021 gab es ein Pilotprojekt, bei dem sogar Videoberatungen möglich waren. Künftig wird sicher auch hier ein Zugang ohne App/Smartphone schwierig(er) werden, aber dann gibt es immer noch (und sicher auch zukünftig) die "analoge Möglichkeit" in eine Postfiliale zu gehen und sein Paket dort abzugeben.
E-Roller ausleihen, Carsharing oder Bikesharing: Diese Angebote können auch für ältere Menschen eine praktische und günstige Alternative sein, um von A nach B zu kommen, besonders in der Stadt. Für das Ausleihen ist aber die App der Anbieter und damit ein Smartphone zwingend notwendig.
Grundsätzlich ist das natürlich eine Frage des Alters bzw. der Gesundheit. Es gibt Menschen fortgeschritteneren Alters, denen ich dringend davon abraten möchte, sich auf einen E-Roller zu begeben. Für Personen Ü80 kann auch eine normale Fahrradfahrt gefährlich werden (dunkle Jahreszeit, Bordsteine... ich spreche aus familiärer Erfahrung). Ich sehe auch sehr wenige ältere Menschen mit einem Fahrradhelm!
Damit wir uns nicht missverstehen: Verallgemeinerungen sind IMMER Unsinn. Und nichts ist per se für alle gleichermaßen (gut) geeignet.
Bestimmt gibt es hochbetagte Senioren_innen, die mit Ü90 topfit sind (körperlich wie geistig) und technikaffin keinerlei Probleme haben, z.B. eine Nachricht per WhatsApp zu schreiben oder auf dem Tablet zu surfen. Auf der anderen Seite wird es Leute in den 60ern geben, die völlig überfordert sind, wenn das Telefon keine Wählscheibe hat (um es mal überspitzt zu formulieren) oder bei der Frage des Enkels "Und wie findest du dein neues Tablet, das ich dir geschenkt habe?", antworten "Och ja, zum Gemüseschneiden ist das Tablett wirklich toll - nur geschirrspülgeeignet scheint es nicht zu sein."
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Verwechslungsgefahr: Tablett und Tablet - Bild: Collage |
Grundsätzlich bin ich allerdings der Ansicht, dass wir mit Ausnahmen bzw. zwei verschiedenen Modellen nicht vorankommen. Analog und digital parallel bringen dem Mensch auf Dauer keinen Vorteil. Nur wenn wir uns in Gänze für das Effizientere (digital) entscheiden, werden wir alle davon (massiv) profitieren. Solange wir aber immer wieder (überspitzt) 81 Mio. Einzellösungen anbieten müssen, wird das leider nur ein hehres Ziel bzw. ein frommer Wunsch bleiben.
Abschließend noch ein persönlicher Erfahrungsbericht aus jüngster Vergangenheit: Ich bin im Drogeriemarkt, habe nur zwei Artikel, bin etwas in Eile, komme an die Kasse und höre, wie die Dame vor mir an der Kasse (graue Haare, kleine Statur, moderne mintfarbene Softshell-Jacke) ihrem Vordermann, der gerade am zusammenpacken und bezahlen ist, ungewollt eine Diskussion aufzwingt: "Das ist für ältere Menschen gar nicht geeignet. Das ist nicht seniorengerecht.". Keine Ahnung, um was es konkret geht. Man muss wohl dabeigewesen sein. War ich nicht. However.
Dann kommt sie an die Reihe. Sie hat nur einen Artikel. Für's Bezahlen wählt sie offenbar die Möglichkeit mit ihren Payback-Punkten zu zahlen, hält ihre Karte an den Scanner und wird aufgefordert, ihre PIN einzugeben. Dies teilt ihr auch die Kassiererin mit. Die Dame entgegnet "HAB ICH NICHT!". Ihr wird vermittelt, dass sie eine PIN haben muss, weil sonst ja theoretisch jede/r mit ihren Punkten (und der Karte) Schindluder treiben könnte - ist im Grunde nicht viel anders als bei der "EC-Karte", wie die Dame an der Kasse völlig richtig anmerkt. Sie bleibt dabei und meint keine PIN zu haben... "Das ist für ältere Menschen überhaupt nicht geeignet!". Oh mann... Die Kassiererin und eine zweite zur Hilfe geeilte Kollegin erklären ihr, dass sie am besten nochmal in ihren Unterlagen zu Hause nachschauen oder sonst die Payback-Hotline anrufen solle. "WO FINDE ICH DENN DIE RUFNUMMER VON DENEN?". Okay, spontan den ersten Hinweis ignoriert - andere helfen lassen ist ja auch bequemer. "Auf der Rückseite ihrer Payback-Karte.". "ÄLTERE LEUTE KOMMEN MIT SOWAS ÜBERHAUPT NICHT ZURECHT!". Ähm, womit jetzt genau? Mit Karte umdrehen und irgendwo anrufen?!? Im Ernst? Mittlerweile dauert die Diskussion bestimmt schon zwei oder drei Minuten... ja, das ist kein besonders großer Zeitraum, aber zum einen ist es gefühlt wie eine Voertelstunde und zu anderen, als Gott damals die Geduld verteilt hat, war ich bereits beim Mittagessen. Sorry, mein Fehler.
Die Kassiererin erklärt der Dame nochmals (in aller Gelassenheit), dass sie die Punkteeinlösung auch mittels Geburtsdatum und Postleitzahl bestätigen kann (kennt sie die auch nicht?!?) oder nochmal in die App schauen könnte (warum auch immer). Ich denke: "Macht doch am besten in aller Ruhe gemeinsam einen völlig neuen Kartenantrag fertig!". Daraufhin fängt die Dame an, sich an ihrem Smartphone (!) in der App anzumelden... in aller Seelenruhe. Benutzername. Passwort (das weiß sie komischerweise)... Hinter mir hat sich zwischenzeitlich eine Schlange von fünf Kunden_innen gebildet. Meine Wartezeit: Mittlerweile vier oder fünf Minuten. "DAS IST ALLES ÜBERHAUPT NICHT SENIORENGERECHT!". Ich muss mich am Regal neben der Kasse abstützen und versuche mit Atemübungen meinen Puls zu beruhigen, denn innerlich schreie ich ihr jedes Mal, wo sie einen dieser Sätze sagt, entgegen: "DANN NUTZ DIE SCHEISSE NICHT!". Du wirst doch nicht gezwungen, Payback zu sammeln. Leg den Einkauf auf's Band, such das Kleingeld im Portemonnaie zusammen und FERTIG! Was sie dann auch schlussendlich macht, jedoch nicht ohne ein letztes Mal zu betonen, dass das alles nicht seniorengerecht sei... Mord. Ich steh' kurz vor'm Mord!
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Quelle: Netzfundstück |
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