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"36 Grad, bitte nicht noch heißer..."

...dieser leicht abgewandelte Songtitel der Band "2Raumwohnung" aus dem Jahr 2007 könnte mittlerweile zum Motto werden. Gut, zugegeben... ganz aktuell fragt man sich hierzulande vielerorten in "Rudi Carrell"-Manier "Wo ist denn bitte dieser 'Sommer'?" oder manche fordern "Der kleine April möchte aus dem Juli abgeholt werden!". Nee, iss schon klar. Aber:

Der Deutsche Wetterdienst gibt mittlerweile gefühlt täglich Hitzewarnungen heraus. Auf meinem Amazon Echo plärrt Alexa mittlerweile laufend von diversen Unwetterwarnungen - wobei das gefühlt kein Maßstab sein kann: "Warnung vor Windböen", weil sich draußen ein bisschen die Äste der Bäume im Wind biegen. Im Winter "Warnung vor Frost" sobald das Thermometer nur annährend an die 0°-Marke kommt. "Schwere Gewitter" und alles was kommt, sind ein paar Blitze in 10km Entfernung. Das führt zu Desensibilisierung (s.u.), vergleichbar wie wenn jemand ständig "Feuer!" ruft, obwohl es nicht brennt. Irgendwann nimmt man es nicht mehr ernst.

Das alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2024 (bereits jetzt, IM JULI) das weltweit (!) heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen ist. Und nur damit wir das mal klarstellen: Wir eilen von Jahr zu Jahr, von Rekord zu Rekord! Das ist kein "Jahrhundert-Ereignis", ja nicht einmal ein "Jahrzehnt-Ereignis"! In Europa wird seit ca. 300 Jahren an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlicher Qualität und Regelmäßigkeit das Wetter aufgezeichnet. Ganz nebenbei: Der Kohlendioxidwert in der Atmosphäre hat den Rekord der letzten 800.000 (in Worten: Achthunderttausend) Jahre gebrochen. Zum Vergleich: Der moderne Mensch, also Homo sapiens, tauchte vor etwa 300.000 Jahren in Afrika auf. Homo erectus lebte vor ca. 1,9 Millionen Jahren und war die erste Menschenart, die Werkzeuge nutzte, Feuer beherrschte und Afrika verließ.

Was niemand (oder einfach viel zu wenige) auf dem Schirm zu haben scheint: Hitze kostet Menschenleben! Im Jahr 2018, dem zweitheißesten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren es ca. 8.700 Hitzetote. NUR IN DEUTSCHLAND! 2023 und 2024 sollen es jeweils 3.000 gewesen sein, wie das RKI errechnet hat. Etwas weniger (ca. 2.800) Menschen kamen in beiden Jahren (jeweils) im Straßenverkehr ums Leben. Wenn die Zahl tropischer Nächte zunimmt, klingen 36 Grad nicht mehr nach "Schuhe aus, Bikini an".

Aktuell gibt es Arbeitsverbote in Griechenland: So will es das griechische Gesetz für Arbeit im Freien, wenn die Temperaturen auf mehr als 40 Grad und örtlich sogar 45 Grad klettern. Gesundheitswarnungen in Italien: Bis zum Wochenende müssen die Menschen in Südeuropa mit Temperaturen von teils weit mehr als 40 Grad Celsius zurechtkommen. Während es in Deutschland vielerorts derzeit nass, kühl und stürmisch ist, müssen Menschen rund ums Mittelmeer teils bereits seit Mai mit sehr hohen Temperaturen zurechtkommen. Auf der griechischen Insel Lesbos kletterte das Thermometer jüngst auf 38 Grad Celsius und immerhin 30 Grad auf Sizilien - morgens um 10.00 Uhr wohlgemerkt. In Italien wird von fünf Todesfällen berichtet, die mit der Hitze in Zusammenhang gebracht werden. In der Türkei wurden diese Woche (also MItte/Ende Juli) in sechs der 81 Provinzen des Landes mehr als 40 Grad gemessen und in den Folgetagen sollen die Temperaturen noch höher klettern. In der Metropole Istanbul zeigten die Thermometer schon am Morgen 36 Grad an (da sind sie wieder "36 Grad...."). Nach Angaben des Wetterdienstes sollen die Temperaturen im gesamten Land zwischen sechs und zwölf Grad über dem Normalwert liegen. Empört das irgendwen? Kommen jetzt die sofortigen Maßnahmen wie bei der "irregulären Migration"? Um es mit Christian Lindner zu sagen "Ha ha.. NEIN!".

"Ohauehaueha!.... Was gibt es denn zum Essen?" - Bild: Collage

Wenn in den Nachrichten Meldungen anfangen mit "Der heißeste/trockenste XXX seit Beginn der Wetteraufzeichnungen..." sollte das Anlass zum Innehalten sein, zum Nachdenken, zum schockiert sein. Jedoch wird das mittlerweile so selbstverständlich und achselzuckend hingenommen, wie irgendwelche stündlichen Hiobs-Botschaften aus dem Weißen Haus, Washington. "Donald Trump droht mit Atomschlägen gegen..." - "OHA! Was gibt's denn zum Abendessen?". Wenn jedoch der gemeine Deutsche per öffentlicher Anordnung den Garten nicht mehr bewässern, für den Filius das Planschbecken nicht mehr befüllen und (mein Gott!!) sein Auto nicht mehr waschen darf (was vielerorten eh schon verboten ist), dann merkt auch er "Uih, die Lage ist ernst", was ihn (oder zumindest manche) allerdings nicht davon abhält, wieder lauthals loszuplärren "UNRECHTSTAAT!!1! NICHTS DARF MAN MEHR! ALLES WIRD VERBOTEN!11!!1!".

Warum ist das (also die Gleichgültigkeit, nicht das Wutbürger-Plärren) so? Weil Millionen Menschen mittlerweile klimamüde geworden sind und man es Ihnen streng genommen auch kaum verübeln kann. Ständig Katastrophenmeldungen von Hitzewellen, Dürren, Waldbränden,... das stumpft ab. Desensibilisierung sagen Psychologen dazu. Wie seinerzeit mit dem Fortschreiten der Pandemie: Anfangs haben noch alle gebannt die neuen Zahlen in oder nach der Tagesschau im "Corona-Extra" verfolgt, stirnrunzelnd "R-Wert" gegoogelt. Später nahm man alles mehr oder minder beiläufig zur Kenntnis.

Um nochmal auf ihn zurückzukommen... einer der größten Emittenten radiert den Klimawandel einfach aus: US-Präsident Donald Trump führte die USA nach seiner Wiederwahl nicht nur zum zweiten Mal aus dem Pariser Klimaabkommen, sondern schafft darüber hinaus Umweltauflagen ab, streicht den Klimabegriff aus sämtlichen offiziellen Dokumenten, stoppt Hilfszahlungen, beendet wissenschaftliche und meteorologische Programme... Kettensägen-Politik wie bei seinem argentinischen Vorbild.

Aktuell dürften sogar sämtliche EU-Mitglieder – mit Ausnahme von Finnland und Schweden – die Klimaziele bis 2050 verfehlen. Und da frage ich, mal ganz nebenbei: Verwundert es oder eben nicht, dass Frankreichs Ministerpräsident Emmanuel Macron (während Deutschlands Kanzler Friedrich Merz die Rolle der Bundesrepublik beim Klimawandel kleinredete) die Klimaziele infrage stellte UND seine Regierung das Budget für die Dekarbonisierung der Industrie kürzte und stattdessen nach fossilen Energieträgern graben lässt?

Europa erwärmt sich deutlich schneller als der Rest des Planeten. Deutschland liegt auch noch ziemlich genau in der Mitte dieser Glutinsel. Sind wir darauf vorbereitet? Erneut: Ha ha... NEIN! Ideen für Hitzeaktionspläne gibt es, auf Anraten von Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), erst seit 2023. Die Bundesregierung feilt immer noch an den Konzepten, schiebt die Verantwortung aber weitestgehend auf die Kommunen ab. Dieser verdammte Föderalismus. Problem: Hitze ist kein kommunales Thema. Dazu kommt erschwerend: Statt das Sinken der Grundwasserpegel zu stoppen, lassen Bundes- und Lokalregierungen die hiesigen Unternehmen weiter Wasser abschöpfen – praktisch ohne Limits. Grüße gehen raus an Tesla, BASF und Co. Bald können wir uns gegenseitig vielleicht die Frage stellen: Gießt Du noch oder hast Du schon Durst

Der Song "36 Grad" von 2Raumwohnung ist mittlerweile 18 Jahre alt. Vermutlich wird es die Band 2043 nicht mehr geben (Sängerin Inga Humpe ist immerhin Jahrgang 1956), aber vielleicht kann man in 18 Jahren [also dann nach 36 (!😉) Jahren] ein Remake des Songs auflegen... "46 Grad und es wird noch heißer...". 

Viel wichtiger als Temperaturwerte: UV-Index - Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

 

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