Direkt zum Hauptbereich

Deutschland, einig (?) Vaterland...?

Am 3. Oktober 2025 feiern wir nun also 35 Jahre Deutsche Einheit. Ein großer Glücksmoment in der deutschen Geschichte, der ohne den Mut der DDR-Bürgerinnen und Bürger und ihrem friedlichen Kampf für Freiheit und Demokratie nicht möglich gewesen wäre. So ist jedenfalls der Wortlaut auf der Webseite der "Ostbeauftragten". Allein, dass es nach 35 Jahren immer noch eine(n) Ostbeauftragte(n) braucht, ist bezeichnend. Das "feiern" wird wohl nur vereinzelt passieren und der "Glücksmoment" ist vielerorts auch mittlerweile eher Ansichtssache. 35 Jahre - mehr oder minder eine Generation oder noch etwas mehr. In den Sozialwissenschaften umfasst dieser Begriff typischerweise einen Zeitraum von etwa 20 bis 30 Jahren, was dem durchschnittlichen Abstand zwischen den Geburten eines Elternteils und seines Kindes entspricht. Und in der Tat sind Kinder der 90er, welche die deutsche Trennung nur vom Hörensagen kennen, mittlerweile erwachsen und haben teils eigene Kinder. Nur mal zur Relation: 1990 erblickten u.a. Toni Kroos (in Greifswald geboren, verheiratet, drei Kinder), Andre Schürrle und Emma "Hermine" Watson das Licht der Welt (na, fühlt sich da jemand alt?). Auf der anderen Seite: Viele derjenigen, welche das DDR-Regime praktisch ihr ganzes Leben mitbekommen haben, dürften mittlerweile teils nicht mehr unter uns weilen - wer die Gründung der DDR (1949) als Jugendlicher miterlebt hat, müsste nun rund 90 Jahre sein.

Nach Feiern eher nicht zumute - Bild: KI-generiert

Nochmal zum Feiern. Die Schwester meiner Mutter (also meine Tante) lebte mitsamt Familie in einem kleinen Dorf, ganz grob in der Nähe von Nordhausen (Thüringen). In meiner Kindheit waren regelmäßige Besuche Standard. Gleichwohl mir in meinem kindlich-jugendlichen Leichtsinn sicher die Tragweite nicht komplett bewusst war, aber auch als Kind beschlich einen stets so ein komisches Gefühl, vorwiegend an den Grenzkontrollen, wo regelmäßig das halbe Auto zerlegt oder mit einem Spiegel unter dasselbige geschaut wurde (man hätte ja jemandem zur "Republikflucht" verhelfen und achtfach gefaltet im Handschuhfach verstecken können) und man sich Fragen gefallen lassen musste, warum man einen Sack Heu mitführt (weil die Verwandten einen Bauernhof haben und man selbst Meerschweine hatte) oder gar Eier ausführte (damaliger O-Ton meiner Mutter zum Grenzbeamten: "Na, weil meine Schwester Hühner hat!" - das gab Mecker!). Aber auch im Alltag... ich erinnere mich noch heute an einen Ausflug in den Harz, wo es hieß, wir müssten jetzt "mal alle kurz still sein". Grund war die allen wohl vertraute Abhörstation der Stasi auf dem Brocken, die sowohl zum Klassenfeind herüberlauschte, als auch die eigenen Leute ausspähte.

Anyway... Als dann im Herbst 1989 auf einmal ein grüner Trabant bei uns in der Einfahrt stand, war das ein unwirklicher Augenblick - jahrzehntelang sind wir "rübergefahren" und jetzt (nach dem Fall der Mauer) kamen die Verwandten zu uns zu Besuch. Es war mein Schulabschlussjahr. Im Sommer 1989 (vor dem Mauerfall) führte unsere Abschluss-/Studienfahrt nach Berlin und ein Besuch im Ostteil wurde von den Behörden kurzfristig abgesagt, aufgrund der dortigen "Aktivitäten" (da hatte das Regime wohl noch gehofft, es klein halten zu können). Als ich nach der Schule meine Ausbildung begann, war es wenig später offiziell: Es gab nur noch ein Deutschland, nach rund einem halben Jahrhundert Trennung. 

Fortan pflegten die beiden Familien, nebst ein paar Freunden, jedes Jahr zum 3. Oktober die Tradition, zu einem gemeinsamen Ausflug - wenn ich mich recht erinnere mal hier, mal dort, immer abwechselnd. Solange, bis es altersbedingt schwierig wurde oder schlicht nach und nach Teile des Kreises verstarben. Da nahm man den Tag jedoch ansatzweise als Grund zum Anlass, wie er in anderen Ländern als Nationalfeiertag wirklich zelebriert wird. Man denke an den 4. Juli in den USA: Unabhängigkeitstag. Die Familien treffen sich zum Picknick und/oder Barbecue (ähnlich wie in Australien), es ist alles schön kitschig in Rot-Weiß-Blau dekoriert, es gibt Paraden, Feuerwerk, etc.. Der 14. Juli wird in Frankreich üblicherweise mit Militärparaden im ganzen Land begangen - die größte und bekannteste in Paris auf der Avenue des Champs-Élysées - und allgemein als Feier der französischen Siege in der Vergangenheit betrachtet. Wenn in der Schweiz am 1. August die Höhenfeuer brennen, Alphörner erklingen und Feuerwerke den Himmel erleuchten, dann feiert das ganze Land seinen National- bzw. Bundesfeiertag. In Taiwan ist der Nationalfeiertag gekennzeichnet durch Volkstänze, Drachen- und Löwentänze sowie ebenfalls ein großes Feuerwerk am Abend. Hierzulande sucht man Gleichwertiges vergebens. Schwarz-Rot-Gold an Häusern, Autos und Menschen sieht man bestenfalls zur Fußball-WM oder -EM. Feuerwerk? Ach was, ist ja schließlich nicht Silvester. Sogar die Finnen hissen ihre Flagge, besuchen Gottesdienste und zünden weiß-blaue Kerzen in den Fenstern an und machen damit mehr als der Großteil hierzulande am 3. Oktober. Kann allerdings auch daran liegen, dass der finnische Nationalfeiertag am 6. Dezember zelebriert wird und damit (wie der Deutsche auch) nicht wie alle anderen erwähnten Staaten im Sommer, der zu Feierlichkeiten unter freiem Himmel einlädt. Sei's drum...

Die offizielle Feier zum Tag der Deutschen Einheit findet seit 1990 meist in der Landeshauptstadt des Landes statt, das (wie ich finde äußerst "deutsch") zu dem Zeitpunkt den Vorsitz im Bundesrat innehat - dieses Jahr im Saarland. In der Regel finden an diesem Tag nach einem ökumenischen Gottesdienst ein Staatsakt und ein Bürgerfest („Deutschlandfest“) statt, bei dem sich auf der „Ländermeile“ die Länder und die Regierung präsentieren, wobei sich das Bürgerfest meist über mehrere Tage erstreckt. Und auch anderswo feiern Städte die Deutsche Einheit mit Konzerten und Festakten. Doch privat? Also ich kenne niemanden, die/der an dem Tag groß mit Familie/Freunden feiert (bestenfalls geht man vielleicht mal auswärts essen) oder gar mit den Nachbarn ein Straßenfest initiiert. Die meisten werden ausschlafen und froh sein, dass sie nicht zur Arbeit müssen (die Mehrheit zumindest). In Summe denke ich aber, dass der Tag beim Großteil der Bevölkerung nicht (mehr) sonderlich emotional behaftet ist. Ich vermute sogar, würde man die Deutschen vor die Wahl stellen (Zitat Friedrich M.: "In Deutschland muss mehr gearbeitet werden!"), dass sie sich (dafür) entweder vom Tag der Deutschen Einheit oder beispielsweise vom Tag der Arbeit (1. Mai) trennen müssten, die Wahl verliefe (nehme ich mal an) sehr eindeutig.

Sag mir, dass das Land gespalten ist, ohne es mir zu sagen... eine Auswahl an Themen - Bild: Collage


Es hieß damals "Es wächst zusammen, was zusammengehört". Beinahe jede/r in Deutschland kennt dieses Zitat Willy Brandts. Bis heute beziehen wir es ganz selbstverständlich auf die Wiedervereinigung der beiden (damals) von Mauer und Stacheldraht zerrissenen Teile unseres Landes. Wer jedoch genauer hinschaut, dem können durchaus Zweifel kommen, ob Willy Brandt dabei wirklich nur an Deutschland dachte: Denn bereits am Tag nach dem Mauerfall sprach er von „etwas Großem (…), dass die Teile Europas wieder zusammenwachsen“. Deutschlands Einheit und die europäische Einigung - beides ist und bleibt untrennbar miteinander verbunden - der damals genannte Eiserne Vorhang verlief mitten durch Europa. Viele Bürger_innen der (ehemaligen) DDR hatten jedoch mehr oder minder das Gefühl, dass ihnen mit der Einheit schlicht "die BRD übergestülpt" worden ist - nicht sofort, aber mit der Zeit immer mehr. Soziologen beschreiben das eher nüchtern: Nicht nur weil die DDR der Bundesrepublik staatsrechtlich beitrat, sondern sie den erheblich kleineren und zudem wirtschaftlich deutlich schwächeren Part darstellte, musste sich der Osten dem Westen anpassen. Es wäre auch sehr suspekt, wenn man z.B. das gescheiterte Modell der Plan- bzw. Zentralwirtschaft übernommen hätte - ganz grob versinnbildlicht: Hier hat der Staat (die Partei) einen Plan für i.d.R. fünf Jahre festgelegt und z.B. gesagt, dass (u.a.) Kühlschränke produziert werden müssen. War der Markt nach zwei oder drei Jahre aber mit Kühlschränken gesättigt und die Menschen hätten nun viel eher Waschmaschinen gebraucht, wäre der Plan bis zum Ende durchgezogen worden, da alle Ressourcen wie Arbeit, Kapital und Boden dafür durchgeplant waren. Hätte der Plan geändert werden müssen, hätte die Partei fehlgeplant und die Partei, die Partei hat(te) immer Recht!

Unterschiede noch und nöcher - Grafiken: NDR

Der Osten hat zwar in einigen Bereichen aufgeholt – und teils sogar die Nase vorn. So ist der sogenannte Gender Pay Gap deutlich geringer als im Westen: Frauen verdienen dort im Schnitt nur fünf Prozent weniger als Männer, im Westen liegt die Lücke bei rund 16 Prozent. Auch bei der Kinderbetreuung schneiden ostdeutsche Regionen besser ab – besonders beim Angebot für unter Dreijährige. Der wirtschaftliche Rückstand des Ostens ist jedoch in vielen Bereichen bis heute (nochmal: 35 Jahre!) nicht ausgeglichen: Der Osten hat weniger große Unternehmen, im Schnitt höhere Arbeitslosigkeit und geringere Kaufkraft. Vollzeitbeschäftigte in Ostdeutschland verdienten auch 2024 noch 837 Euro weniger, als Menschen in Westdeutschland. Einige Gründe, warum die seinerzeit versprochenen "blühenden Landschaften" dennoch viele bewegten, den Osten zu verlassen. Wenn man noch heute durch manch entfernte Landschaften fährt, fragt man sich schon irgendwie, wo die letzten 35 Jahre geblieben sind.

Viele Landstriche der, wie man früher gerne zu sagen pflegte, "fünf neuen Bundesländer" (heute wirkt das nicht nur unangebracht), sind extrem strukturschwach. Es fehlt an jungen Menschen, die weggezogen sind, weil sie anderswo bessere berufliche Chancen haben. In vielen Dörfern mangelt es an so ziemlich allem: Einkaufsmöglichkeit, Sparkasse/Bank, Post, viele haben nicht mal mehr einen Bäcker geschweige denn eine Gastwirtschaft o.ä.. Sind das reine "Ost-Probleme"? Mitnichten! Alle Punkte findet man, wenn man will, auch in jeder ländlichen Region Westdeutschlands, einige hundert Kilometer abseits einer Metropolregion. Im Osten ist jedoch eine Ostalgie erwachsen - die Erinnerung, dass "früher doch nicht alles schlecht war" oder gar "vieles besser". Hmmm, schauen wir doch mal:

  • Denunziantentum: Der Nachbar hat dich angeschwärzt, wenn du das kapitalistische West-Fernsehen geguckt hast? Egal, wenigstens hatten wir alle Arbeit. 
  • Einschnitt in die Privatsphäre: Deine Telefonate wurden mitgehört, deine Post mitgelesen? Schnurz, wenigstens waren die Lebensmittelpreise stabil (ja, weil sie künstlich stabil gehalten wurden, bzw. vom Staat massenhaft subventioniert waren, denn...). 
  • Mangelwirtschaft: Es gab keine Bananen und vieles andere auch nicht bzw. wenn, musste man stundenlang dafür anstehen. Berühmt der Ausspruch: "Willst du einen Trabi fahren, musst du schon als Baby sparen!". Kuba-Orangen waren berüchtigt und Kaffee schmeckte, wie er genannt wurde (Muckefuck)? Verzichtbar, dafür konnten wir mit unserer Simson 60km/h fahren (s.u.)!
  • Quasi-Diktatur: Am politischen System hatte sich, wenn man es mal ganz streng betrachtet, kaum etwas nach dem Krieg verändert: Faktisch regierte eine einzige Partei (die hieß auch so: Sozialistische EINHEITSpartei) und man sollte tunlichst Mitglied oder "auf Linie" sein bzw. wurde in einer der Jugendorganisationen "zwangsrekrutriert" (ansonsten wurden einem gehörig Steine in das Leben gelegt)? Pure Übertreibung - wenigstens hatte jede/r eine Wohnung im Plattenbau für 80 Pfennige/m² Miete (für die Kilowattstunde Strom zahlte man übrigens acht Pfennige bei realen Kosten von 28 Pfennigen)!
  • Gefangen im eigenen Land: Reisen waren nur im Inland oder bestenfalls ins sozialistische Ausland möglich? EGAL! An der Ost- oder dem Plattensee war es auch schön.

Mit dem Zweitakter "zurück in die Zukunft" - Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Nochmal: Ich gönne wirklich jeder/jedem ihre/seine Jugenderinnerung (wenn sie denn schön/erinnerungswürdig war). Aber man kann sich doch heute nicht wirklich zurückwünschen, in einem Überwachungsstaat gefangen zu sein. Ganz besonders, wenn man Jugendliche den Satz sagen hört "In der DDR war es besser" - Leute, da hieß es nicht Döner und Mallorca, sondern Broiler und Nacktbaden auf Rügen. Alter, ihr habt diesen Staat überhaupt nicht miterlebt - gut, ich "Wessi" auch nicht, also nicht "live", sondern nur "von außen", aber ich bin zumindest "Zeitzeuge" (s.o.). Ich frage jetzt mal ganz sarkastisch: Sind die Ostdeutschen mitunter "viel weiter", als manche annehmen? Glaubt man, weil man einmal eine Diktatur miterlebt hat, könnte man es auf eine weitere auch ankommen lassen ("es war ja nicht alles schlecht")? 35 Jahre Demokratie, wir haben's zumindest verucht! Wie ist sonst der ungleiche Erfolg der AfD im Osten zu erklären? Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Sagt man sich sogar "Wir haben schon mal eine Diktatur gestürzt - im Zweifel machen wir das einfach nochmal?". Ich frage bloß. 

Im Thüringer Landtag kämpft die AfD um die Deutungshoheit über das bereits erwähnte Kult-Moped Simson. Das Gefühl von Freiheit, Heimatliebe und ostdeutscher Identität liegt dort augenscheinlich im Knattern eines Zweitaktmotors mit (wie passend) blauen Wölkchen aus dem Auspuff. Die Rechtsextremisten benutzen die Marke Simson im Osten natürlich wegen dieser (N)Ostalgie, den Emotionen und der Szenekultur und gehen damit auf Stimmenfang auch bei Jugendlichen. Wenn der Bus im "JWD" nicht fährt, ist das stinkende Zweirad praktisch das Tor zur Welt bzw. in Ermangelung von Freizeit-/Jugendtreffs oftmals der einzig lohnende Zeitvertreib. Da wundert dieses Bild nur bedingt: Ein in Westfalen geborener, anerkannter Faschist brettert auf einem DDR-Moped über eine Thüringer Landstraße. Sein Hemd ist legerer geknöpft als sonst, sein Gesichtsausdruck gelöst, dazu der Slogan: "JA zur Jugend!" oder auch "Simson statt Lastenrad". Befremdlich. Wenn schon nichts Modernes exportieren, dann Antikes importieren? Gilt für Zweiräder, wie für Politik. Man möchte sie alle mit einem Geschichtsbuch erschlagen (ich werde nicht müde, das zu wiederholen).

Was an der Grenze von Hessen und Thüringen "Ost" und "West" war, war schon damals Ansichtssache -Bild © OpenStreetMap-Mitwirkende, Bearbeitung: hessenschau.de 

35 Jahre nach der Wiedervereinigung glaubt nur noch ein Drittel der Deutschen an ein Zusammenwachsen von Ost und West (2019 waren es zumindest noch 51%). Und: Für satte 75% der Ostdeutschen überwiegt sogar das Trennende. An der Landesgrenze von Hessen und Thüringen ist das übrigens völlig anders: In Wanfried und Treffurt geht es ums Zusammenwachsen und das nicht erst seit gestern. Hier plant man gemeinsam Feuerwehren oder ein Wärmenetz - ganz selbstverständlich. In der öffentlichen Diskussion stehen allerdings selten die Errungenschaften der deutschen Wiedervereinigung, sondern oft vielmehr die Defizite im Vordergrund. Es steckt halt irgendwie doch in der Natur des Deutschen (auch das predige ich weiter, bis das Gegenteil bewiesen wird): Er möchte nicht an der Zukunft gestalten, sondern an der Gegenwart herumnörgeln - zumindest da scheinen sich Ost und West einigermaßen einig. Nach wie vor gibt es wirtschaftliche, strukturelle und materielle Unterschiede zwischen Ost und West. Aus der Euphorie von 1990 sind Spannungen, Ressentiments, aber auch neue Chancen erwachsen. Die Einheit ist bis heute für manche ein Triumph, für andere aber ein schmerzhafter Einschnitt. Die Deutsche Einheit ist aber immer noch eine Zukunftsaufgabe.

Ja, damals... heute - fraglich. Vielleicht, irgendwann... wirklich - Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

ICH VERSTEHE ES EINFACH NICHT!

Nein, sorry. Ich komm' einfach nicht mehr mit. Geht nicht in mein Hirn rein. Besteht dieses Land nur noch aus Menschen, die ihre Denkfabrik gegen ein aufgeweichtes Brötchen getauscht haben und/oder sich wie Friedrich Merz selbst (mit einem geschätzten Vermögen von rund 12 Mio. Euro) zur " gehobenen Mittelschicht " zählen und deswegen mehrheitlich künftige Politik für Wohlhabende wählen? Ehrlich, anders begreife ich das nicht. Gut möglich, dass ich z.B. auf Instagram in einer Bubble stecke, wo man denken könnte, es geht noch vielen anderen so. Aber ganz offenbar spiegelt diese Bubble nicht die Mehrheit der Wahlberechtigten wieder. Denn wie ist sonst solch ein aktuelles Umfrageergebnis möglich? Halten wir uns nochmal ganz kurz an den Fakten fest: Dem Kanzlerkandidaten der Union haftet die Skepsis von Führungskompetenz an, da er noch nie (!) ein Amt mit Regierungserfahrung bekleidete. In den jeweils 16 Jahren Kanzlerschaft von Helmut Kohl und Angela Merkel haben ihn beide ...

Karte? Nein, Danke.

Ich glaube, in kaum einem anderen Land ist Kartenzahlung so wenig akzeptiert und wenn dann so kompliziert wie in Deutschland. Man kennt es: Wer nicht mit einer prall gefüllten Geldbörse durch den Alltag stapft, in welcher die Scheine in allen Abstufungen und ausreichender Anzahl fein säuberlich das Portemonnaie füllen, der wird sich hier und da in einer kritischen Situation befinden: Habe ich genug Geld dabei?  So jüngst passiert, nicht mir, sondern dem Kunden vor mir an der Rewe-Kasse: Er hat seinen gesamten Wocheneinkauf an der Getränkemarkt-Kasse aufgebahrt und der Kassierer wird bei den letzten Artikeln immer zögerlicher. Verwundert tauche ich in das Geschehen ein, von dem ich bislang nur beiläufig Notiz nahm, derweil ich meine Rewe-App startklar machte. " Ja, die Mortadella noch, und eine zweite, und eine dritte, die Pizza auch, ja das Toastbrot kann noch.. ." was zur Hölle? Beim Blick auf den Gesamtbetrag erahne ich dann, er versucht nicht über 70 Euro zu kommen (weil e...

Das Ende oder die Wiedergeburt der Leistungsgesellschaft?

Wenn jenseits von Sport und Breitbandnetzen Leistungen gefordert werden, geht es meist um Sozialleistungen. Also um etwas, das zu verteilen ist. Nicht um etwas, das jemand erbringen soll. Doch jetzt meint die CDU, wir müssten alle wieder mehr leisten (und meint damit vorrangig nicht den Staat). Höher, schneller, weiter – in der heutigen Gesellschaft wird generell suggeriert, dass man nur mit kontinuierlicher Optimierung der Persönlichkeit, Performance und der persönlichen Umstände den „Anschluss behalten“, Wohlstand bewahren kann. Wer sich anstrengt und Leistung erbringt, der wird anerkannt und schafft es nach oben - so lautet das Versprechen unserer Leistungsgesellschaft. Was als Leistung definiert wird, bleibt jedoch diffus. Warum „leistet“ eine Pflegekraft, die Verantwortung für das Leben anderer übernimmt, (scheinbar) weniger als jemand, der als Manager Verantwortung für ein Unternehmen trägt? Oder leistet die Pflegekraft sogar mehr, nur werden ihre Leistungen monetär (leider) nich...