Aktuelle Zahlen können manche_n dazu verleiten, sorgenvoll in die Zukunft blicken zu lassen. Beinahe drei von vier Bundesbürgern halten den Staat für überfordert. Damit sinkt das Vertrauen in den Staat das fünfte Jahr in Folge. Besonders eklatant sind die regionalen und sozialen Unterschiede bei den Ergebnissen. In Ostdeutschland halten demnach nur 17% den Staat für in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Im Westen sind es 24%. Menschen mit Hauptschulabschluss bringen dem Staat zu 16% Vertrauen entgegen und damit deutlich seltener als jene mit Abitur oder Studium (29%). Anhängerinnen und Anhänger von SPD und Grünen haben zu mehr als 40% Vertrauen in den Staat, jene von Union und AfD nur zu je rund 33%.
Mit der Arbeit von Merz (CDU) sind 62% sind unzufrieden - damit ist er bereits jetzt unbeliebter als zuletzt Olaf Scholz (59%). Mit Abstand am unbeliebtesten ist übrigens CDU-Fraktionschef Jens Spahn - mit seiner Arbeit sind 78% der Befragten unzufrieden.
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| Da ist noch mächtig Luft nach oben - Grafik: Eigenbau |
Vier Monate nach Amtsantritt ist die Zufriedenheit mit der schwarz-roten Regierung auf einen Tiefstand gefallen: Nur 22% zeigen sich in der ARD-Umfrage zufrieden, 75% unzufrieden. Damit ist die Regierung Merz deutlich unbeliebter als die Ampel-Koalition, die nach vier Monaten im Amt noch auf einen Zustimmungswert von 47 Prozent kam und nach rund 2,5 Jahren (kurz vor der Bundestagswahl 2025) bei 17% lag. Nach der Regierungsübernahme von Schwarz-Rot mag sich die Stimmung im Land etwas gebessert haben. Aber: Sie ist immer noch schlechter als die wirtschaftliche Realität, ermittelten Gesellschaftsforscher und Ökonomen. Und dummerweise ist Wirtschaft „zu 80 Prozent Psychologie“, wie schon Ludwig Erhard, legendärer CDU-Wirtschaftsminister, wusste. Problem: Die Unternehmen investieren zu wenig und wenn, dann im Ausland und der Privatmensch konsumiert zu wenig.
Die Kauflaune der Menschen in Deutschland hat sich vergleichsweise stark eingetrübt. Die Wirtschaftsflaute drückt die Konsumstimmung den dritten Monat in Folge. Und das in allen Bereichen des Lebens, vom wöchentlichen Einkauf bis hin zum Urlaub. Wen wundert's, wenn du beispielsweise einen Tagesausflug nach Büsum machst, gerne einmal die Strandpromenade rauf und runter flanieren möchtest, davor jedoch eine Art Parkautomat steht, wo du dir erst mal eine Gästekarte ziehen musst. Preis pro Person: Vier Euro. Egal ob du dich den ganzen Tag an den Strand legst, oder für eine halbe Stunde am Meer spazieren möchtest. Aber anderes Thema.
Fassen wir zusammen: Die Stimmung ist schlecht. Und das ist das Dilemma: Die Menschen erwarten alles Mögliche vom Staat.
- Er soll sich um gute Jobs kümmern und deren faire Bezahlung, gleichzeitig darf Arbeit aber auch nicht so teuer werden, dass Unternehmen angesichts steigender Kosten nicht im Wettbewerb mithalten können.
- Er soll dafür sorgen, dass jede_r eine bezahlbares Dach über dem Kopf bekommen kann, auf der anderen Seite den Markt nicht zu sehr regulieren.
- Jede_r ist froh, dass jederzeit eine vernünftige ärztliche Versorgung zur Verfügung steht und man dafür praktisch nie extra zur Kasse gebeten wird, meckert aber regelmäßig über lange Wartezeiten und ist empört, wenn Krankenkassen die Beiträge (nach oben) anpassen. Komischerweise stört es nur wenige, dass man ohne Probleme wirkungslose Zuckerkügelchen verschrieben bekommen kann (nennt sich Homöopathie), aber für eine Brille oder eine Gehhilfe zuzahlen muss.
- Hat die Straße vor der Tür ein Schlagloch, die KiTa nicht genug Plätze oder fällt mal wieder eine Schulstunde aufgrund Lehrkraftmangel aus - Shitstorm bei Facebook "WOFÜR ZAHLE ICH STEUERN?!"
- "Die EU" flanscht Kunststoffdeckel aus Umweltschutzgründen fest an die Flasche? "GÄNGELEI!".
Auf der anderen Seite ist die Bereitschaft, irgendetwas für den Staat zu tun, erstaunlich gering. Fast jede_r ist der Meinung, mit den Steuern, die man zahlt, sei bereits genug getan. Und auch hierbei ist Gefühl und Realität oft sehr weit auseinander. Ad hoc werden viele sicher sagen "In Deutschland zahlt man viele Steuern". Ist das so? Schauen wir doch mal. Zunächst müssen wir unterscheiden: Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote weist die in einer Volkswirtschaft gezahlten Steuern relativ zur Wirtschaftsleistung aus. Die Abgabenquote berücksichtigt neben Steuern auch Beiträge zur Sozialversicherung. Und wie sieht es da im internationalen Vergleich aus?
In Irland, den USA oder auch der Schweiz, scheinen diese beiden Werte gering zu sein, mit einer Steuerquote von knapp 20% und einer Abgabenquote von ca. 22-27%. Allerdings sollte man sich erinnern, dass gerade die Lebenshaltungskosten z.B. für Lebensmittel, speziell in den USA seit geraumer Zeit kaum ein Limit kennen. Und in der Schweiz macht Einkaufen auch nur bedingt Spaß. Am anderen Ende der Tabelle stehen Italien, Dänemark und Frankreich. Die Steuerquoten sind dort etwa bei 43%, in Dänemark ist die Abgabenquote ebenso hoch, in Italien und Frankreich liegt sie bei etwa 30%.
Und Deutschland? Rangiert gesamt etwa im Mittelfeld mit ca. 38% Steuer- und 23% Abgabenquote.
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| Quelle: Bundesfinanzministerium |
Fakt ist: In einer Vermessung der Steuersysteme von 165 Ländern, liegt Deutschland mit der Komplexität auf dem letzten Platz, sagte Jurist Ferdinand von Schirach jüngst bei Markus Lanz. Nirgendwo anders ist es so kompliziert wie hier. Wir machen eine Regelung eines jeden Einzelfalls, dann eine Ausnahme vom Einzelfall und eine Ausnahme von der Ausnahme, weil wir denken, dass es dadurch gerechter wird. Ist es aber nicht. Steuersysteme, die komplex sind, mögen etwas gerechter sein, wenn sie denn komplett ausgeschöpft werden. Das kann aber kaum jemand, weil sie zu komplex geworden sind. Je höher das Einkommen ist, desto mehr lässt sich steuerlich absetzen. Und je mehr Geld jemand verdient/hat, desto leichter lässt sich davon jemand beauftragen, der herausfindet, wie man in diesem Dickicht am meisten sparen, also Steuern vermeiden, lässt. Am einfachsten und gerechtesten wäre: Alle Ausnahmen weg und dann gibt es drei Steuerkategorien. Fertig.
Warte mal... war da nicht mal etwas in der Art? Genau das stellte 2003 der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz den Bürgerinnen und Bürgern in Aussicht. Dank seiner Ideen zur Vereinfachung des Steuersystems sollte damals die Größe eines Bierdeckels für eine Steuererklärung reichen. Damit war der Begriff der "Steuererklärung auf dem Bierdeckel" geboren und geisterte lange Zeit durch alle Medien. Das Merzsche Konzept sah nur noch drei Steuersätze vor: 12% bei Einkommen zwischen dem damaligen Grundfreibetrag von 8.000 Euro und 16.000 Euro im Jahr, 24% bei höheren Einkommen bis 40.000 Euro und 36% bei Einkommen über 40.000 Euro. Dafür sollten viele Steuervergünstigungen wie die Pendlerpauschale ersatzlos gestrichen werden (Fun Fact: Die soll nun sogar angehoben werden). Und statt der sieben Einkunftsarten im deutschen Steuerrecht sollte es nur noch deren vier geben. Verfolgt wurde dieses Vorhaben aber nicht weiter.
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| Schöne Idee, aber was kümmert F. Merz sein Geschwätz von gestern? Bild: Lohnsteuerhilfe |
Zurück zum Thema: Der Deutsche an sich möchte sich in einer Art "all inclusive Vollkasko-Mentalität" suhlen. Er möchte reichlich nehmen, wenig geben und dabei überall rundum abgesichert sein, mit Sicherheitsleine, Netz und doppeltem Boden. Keinerlei Risiko, maximaler Komfort. Im Gegenzug:
Elektronische Patientenakte? "WER WEIß, WER DA MIT MEINEN DATEN UNFUG TREIBEN KANN!?". Merkwürdigerweise haben oft eben genau diese Menschen das ganze Portemonnaie oder das Mobiltelefon voll mit Kundenkarten diverser Läden und verkaufen Ihre Daten für ein paar Cent Rabatt.
Die Polizei fordert verstärkt die Einführung und Ausweitung der Speicherung von Daten zur Bekämpfung schwerer Straftaten, insbesondere der Vorratsdatenspeicherung, um Täter digital zu identifizieren? "TOTALER ÜBERWACHUNGSTAAT! STASI!". Die Erschütterung ist aber immens, wenn dann mal (wieder) ein Fall hochkocht, wo irgendein Mensch, den man doch eigentlich "schon lange auf dem Zettel gehabt haben müsste" einen anderen Menschen umbringt.
Die örtliche Kommune gestaltet die Straße neu, will die Verkehrswende vorantreiben, Radwege ausbauen, Klimaschutz usw. und reduziert dafür Parkflächen für PKW? "UNVERSCHÄMTHEIT! WO SOLL ICH DENN MEIN AUTO PARKEN?" - Ähm, wie wäre es denn auf deinem Grundstück, in der Garage? "DIE IST KOMPLETT VOLL MIT GERÜMPEL! DA KANN ICH NICHT PARKEN!" - Merkste selber? Und dann hat eine vierköpfige Familie gerne auch mal drei Fahrzeuge, warum auch immer. Aber hundert Euro pro Jahr für einen Anwohnerparkausweis? "ABZOCKE!". Hauptsache der 2.000€-Hightech-Grill steht wettergeschützt in der Garage.
Übrigens geht es auch andersrum: Eine Anhebung der Steuern auf hohe Einkommen halten 65% der Bürger_innen für richtig – darunter sogar 66% der Anhänger der Union. Unions-Politiker (nein, kein _innen - nur Männer) kontern jedoch unisono in jeder Talkshow, es stünde im Koalitionsvertrag nichts von Steuererhöhungen. Tja liebe Union, die Tatsache, dass etwas nicht im Vertrag steht, bedeutet doch nicht, dass es das nicht doch geben kann? Spaghetti-Eis steht meines Wissens auch nicht im Koalitionsvertrag, dennoch ist das in Deutschland machbar und bei den Zehn Geboten, die Gott auf dem Berg Sinai an Mose übergeben hat, steht garantiert nichts von einer "Pendlerpauschale" - dennoch gibt es sie hierzulande (und steigt jetzt wie erwähnt sogar - war da nicht was mit Klimawende? Naja...).
Und diese Gesamt-Unzufriedenheit droht dann in eine Richtung zu eskalieren, die mit erschreckender Zunahme immer mehr Menschen für ganz normal halten: Im September 2026, also in einem Jahr ist (u.a.) Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Aktueller Trend: AfD in Sachsen-Anhalt bei 39%, die aktuell regierende CDU (auf Platz 2) bei 27%. Ich habe es oft gesagt und ich sage es wieder: Man möchte sie alle mit einem Geschichtsbuch verprügeln! Nationalisten/Extremisten/Faschisten geht es nie um "das eigene Volk", sondern nur um sich selbst.
John F- Kennedy wird mit einem Ausspruch in Verbindung gebracht, der wohl zu seinen bekanntesten zählt. "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst".



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