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Autofahren? Bitte werfen Sie eine Münze ein...

Ich habe diesen Artikel bereits vor einiger Zeit angefangen zu schreiben und dann schlummerte er in der Entwürfe-Schublade... andere Themen waren irgendwie immer aktueller/drängender. Nun las ich von dem Plan, das VW nun zusätzliche PS gegen ein Abo-Modell freischalten möchte. 

Und damit kommen wir zurück zum Titel dieses Posts. Wer kennt ihn, den Satz aus Hape Kerkelings Film "Kein Pardon"? Für die, die stirnrunzelnd vor dem PC sitzen und sich fragen "wovon redet der alte Mann?": Hier ist er nochmal anzusehen... Im übertragenen Sinne, könnte das auch das Motto für das Autofahren der Zukunft sein. Nein, nicht im Sinne von Carsharing, wo man (neben einer Grundgebühr) pro Minute oder Kilometer bezahlt. Auch beim eigenen Fahrzeug, wenn gewisse Funktionen genutzt werden wollen. BMW nennt so etwas beispielsweise "Functions on Demand", wenn man etwa für die Sitzheizung 17 Euro monatlich zahlen soll. Auch Audi bewirbt das mit "der vollen Flexibilität": "Eine neue Flexibilität beim Autokauf: Mit Functions on Demand haben Sie die Möglichkeit, durch das nachträgliche Hinzubuchen von ausgewählten Sonderausstattungen flexibel auf sich wandelnde Bedürfnisse zu reagieren. Functions on Demand ermöglicht es Ihnen, ausgewählte Ausstattungen ganz einfach und unkompliziert nach Fahrzeugkauf über myAudi zu erwerben.". Hach, Werbesprech. Man muss "Wir wollen regelmäßig Umsatz generieren" einfach nur anders/schön verpacken.

Wolle Sonderfunktion? Muttu bezahle! - Foto: Collage


Die Lukrativität, Dinge oder Dienstleistungenim Abonnement zu verkaufen, haben viele andere Firmen ebenfalls erkannt. Heutzutage streamt man im Abo (Netflix, Amazon Prime), hört Musik im Abonnement (Spotify, Amazon Music), kann Windeln, Wein und Hundefutter per regelmäßiger Lieferung erhalten. Ja und sogar Software kauft man nicht mehr einmal: Microsoft oder Adobe haben irgendwann erkannt, dass sich sehr viel besser Umsatz generieren lässt, wenn man den Verbraucher nicht einmalig 2.000€ für eine Software bezahlen lässt, sondern lieber jeden Monat 50€. Das sind dann nämlich 600€/Jahr und nach vier Jahren bereits mehr als die 2.000€ einmalig. Außerdem haben die Wenigsten solch große Summen zur Verfügung und wenn du dich eine gewisse Zeit lang an ein bestimmtes Produkt gewöhnt hast, wechselst du auch nicht so einfach zu etwas anderem. Und wenn ein Produkt mal teurer wird, dann sind 59 statt 50 Euro auch nicht so schlimm, wie 2.500 anstatt 2.000 Euro. Es ist ähnlich wie beim "expotentiellen Wachstum", dass für viele ja spätestens seit "Corona" ein Begriff sein sollte. Beispiel: Möchtest du jetzt und heute 1 Million Euro oder einen Monat lang täglich eine sich verdoppelnde Summe, beginnend heute mit einem Cent? Wer sich hier für die lukrative Million entscheidet, macht das schlechtere Geschäft. Mit der zweiten Variante erhält man nach 31 Tagen über zehn MIllionen!

Zurück zum Auto. Da stellt sich die Frage: Macht das unter Umständen sogar Sinn? Also für den Endverbraucher? Alternativ kann man die Sitzheizung für 350 Euro auch direkt kaufen (und kostenfrei nutzen, wann immer einem danach ist, das Stövchen unterm Hintern anzufeuern). Rechnen wir mal durch: Sitzheizung im Sommer? Braucht man ebensowenig wie Flip-Flops auf einer Bergwanderung. Also eher was für die Wintermonate. Sagen wir effektiv genutzt, ähnlich wie Winterreifen, von "O bis O" (Oktober bis Ostern). Mit etwas gutem Willen sagen wir einfach mal vier Monate, wo der Pöppes richtig frieren könnte. Das wären dann 68 Euro Abo-Preis (4x17 Euro). Nach knapp fünf Jahren (350 Euro Kaufpreis) wäre also die Amortisation da (5x68= 340 Euro). Für ein Autoleben nicht sonderlich lang. Fährt man also sicher mit dem Direktkauf günstiger - solange es ihn noch gibt.

Denn BMW überlegt, solche Funktionen künftig nur noch als Abo-Modell anzubieten. Die Dinger sind also vom Werk aus verbaut, haben jedoch eine interne Sperre, die man gegen Gebühr freischalten lassen kann. Auch andere Autohersteller offerieren bereits Software-Funktionen als laufzeitbasierten Dienst, denn seit einigen Jahren wollen alle großen Autohersteller im Aftersales-Bereich mit kostenpflichtigen Abonnements Geld verdienen. Denn: Die Autobranche hat ein Umsatzproblem: Die Margen bei massentauglichen Klein- und Mittelklassewagen sind eher gering. Elektroautos (noch) teuer. Und somit wird nicht selten lieber im Ober- und Luxusklasse-Segment Geld verdient. Doch der Markt ist wiederum vergleichsweise überschaubar - die Menschen, die sich ein (oder gar zwei) Modelle im hohen fünf- oder gar sechsstelligen Preissegment vor die Tür stellen können, sind selten geworden in diesen Zeiten. Außerdem sollte auch noch eine passende Garage vorhanden sein, denn ansonsten läuft man schnell Gefahr von der "letzten Generation" Besuch und dann die edlen Gefährte mit Farbe vollgeschmiert oder die Luft aus den Reifen gelassen zu bekommen. Irgendwelche 2,5t-Boliden mit der Windschnittigkeit einer Schrankwand vor's Haus zu drapieren ist mittlerweile ähnlich provokant geworden, wie den Gas-/Öltank im Vorgarten aufzustellen oder Singvögel zu essen (oder zumindest vor's Schienbein zu treten). Da könnte man auch direkt im Café, während nebenan Omma Hildegard ihren Frankfurter Kranz zum Kännchen Kaffe serviert bekommt, anfangen öffentlich zu koksen. Ich schweife ab... 

Der ADAC hat die Vorteile dieses Systems einmal aufgeführt: Vorteile gibt es sowohl für die Autohersteller wie auch die Kunden. Der Hersteller kann eine einheitliche Ausstattung in jedes Auto einbauen, spart sich damit eine Variantenvielfalt und somit Kosten. Dass er damit auch nach dem Neuwagenkauf noch weitere Umsätze generieren kann, nimmt er wohl gerne mit. Doch auch Verkäufer von Gebrauchtwagen haben einen Vorteil: Sie können dadurch weniger gefragte Modelle "aufhübschen" und attraktiver machen. Umgekehrt haben auch Käufer eines dürftig ausgestatteten Wagens die Möglichkeit, nachträglich eine Ausstattung zuzukaufen ohne teure Nachrüstarbeiten bezahlen zu müssen - ein zusätzlicher Werkstattbesuch entfällt.

Früher war ein Autokauf auf den ersten Blick noch erschwinglich, bis es an die "Extras" ging. 4.000 Euro für das Paket "Licht und Sicht", 2.500 Euro für das digitale Radio inkl. sechs Lautsprecher, die gibts aber wiederum nur in Verbindung mit dem Panoramdach (warum auch immer?) für weitere 6.000 Euro. Okay, ganz so dramatisch vermutlich nicht, aber vieles war wieder an bestimmte andere Extras gebunden - "Willst Du das? Dann musst Du das auch mit dazunehmen!". Am Ende summierte sich der schmale Einstiegspreis auf ein happiges Sümmchen - vom vollmundigen "ab xxx Euro" aus der Werbung ist da nicht viel übrig. Ähnlich wie bei den Urlaubsangeboten, wo man auch niemals (NIE!) beispielsweise die eine Woche Mallorca für 199 Euro bekommt (da steht nämlich immer "ab"!!!), wie es so schön plakativ im Prospekt angepriesen wird. Wenn du ins Reisebüro gehst und sagst, wohin du möchtest, kommt meist als erste Frage "Wann wollen sie denn reisen?". Ich hätte nicht übel Lust, die mal richtig ins Schwitzen zu bringen "Ich möchte für genau den beworbenen Preis - wann muss ich denn fliegen?". Denn das wäre vermutlich im November... ab Saarbrücken oder ähnliches... und deine Verpflegung musst du auch noch mitbringen. Nichts davon macht man! Und selbst wenn, dann gibt es vermutlich genau EINEN Sitzplatz für diesen Preis, damit man eben diesen anpreisen kann! Ich rege mich schon wieder auf...

Die Automobilwirtschaft gilt obgleich dieser Neuerungen immer noch als Dinosaurier in einer sich immer schneller verändernden Welt. 

Dazu wird es für Händler (also die Autohäuser) immer schwieriger, weil sie praktisch wie im Franchise-Verfahren am Hersteller hängen. Bedeutet (vereinfacht gesprochen): Man ist eigenständiges Unternehmen, bezahlt sein Personal, kauft und verkauft auf eigene Rechnung, der Hersteller übernimmt das Marketing (abgesehen von beispielsweise Anzeigen in der Lokalzeitung o.ä.) und stellt natürlich auch gewisse Vorgaben (Größe des Betriebs, Ausstattung, etc.). Doch immer mehr Hersteller gehen dazu über, den Vertrieb auch selbst zu managen und grätschen damit natürlich den Händlern in die Umsätze. Neue Automarken wie Byton, Genesis, Nio oder Tesla verzichten auf echte Händler sogar weitgehend und setzen lieber auf andere Vertriebskonzepte: Laut einer Studie liegt das Einsparpotenzial beim Direktvertrieb zwischen 8 und 15 Prozent gegenüber dem heutigen Vertriebsmodell über lokale Händler.

Dazu kommt: In den ersten zwei oder drei Jahren ist für die Hersteller mit einem neuen Auto kaum Geld zu verdienen. In den ersten Jahren laufen evtl. Reparaturen eh meist über die Garantie. Und auch für Reparaturen, Wartung, Service werden gerne (langfristige) Serviceverträge abgeschlossen: Wer kennt es nicht... einmal in die Vertragswerkstatt gefahren, Frostschutz auffüllen, 300 Euro. Nein, ganz so dramatisch ist es sicher nicht, aber will man beispielsweise seine Bremsen, Stoßdämpfer oder was auch immer erneuert haben oder halt auch nur die jährliche Inspektion inkl. Ölwechsel landete man nicht selten bei mehreren Hundert Euro, wenn es nicht gut lief auch mal im vierstelligen Bereich. Bei "King of Queens" wurde das Thema 'Vertragswerkstatt' auch sehr schön behandelt. Mit einer monatlichen Zahlung von etwa 25 bis 30 Euro, kann man hier entspannter dem nächsten Werkstattbesuch entgegen sehen. Und die Vertragswerkstätten müssen nicht fürchten, dass der preissensible Kunde in günstige, freie Werkstätten flüchtet oder bei ATU o.ä. sein Glück sucht.

Als wir seinerzeit den VW up als Elektrofahrzeug bekamen, war der dank Umweltprämie mördermäßig günstig. Nur einige Tausend Euro teurer als die Verbrenner-Variante. Und man hatte beim Kauf auch direkt die "We Connect"-App erklärt bekommen: "Damit können sie das Fahrzeug ver- oder entriegeln, sehen den Ladestatus oder können im Winter vom Bett aus bereits das Fahrzeug vorheizen..." das nennt VW dann "e-remote". Nach einem Jahr Gratis-Zeitraum: 99 Euro im Jahr. Die legale Form des Drogen-Dealers - erst günstig anfixen und später abkassieren. Also, wir sind hier wieder bei dem Punkt "das Fahrzeug kann es, aber du musst dafür bezahlen". Und auch die o.g. Service-Pauschale für die regelmäßige Wartung war bereits in der monatlichen Finanzierungs-Rate mit einkalkuliert.

Laut einer Umfrage von Cox Automotive wollen nur 25 Prozent der Autokäufer monatlich oder jährliche Gebühren zur Freischaltung von Fahrzeugfunktionen zahlen. Die Autoindustrie will es aber offenbar auf einen Versuch ankommen lassen. Am meisten wären die befragten Interessenten bereit, für Sicherheitsfunktionen zu zahlen. Über 80 Prozent der Studienteilnehmer würden maximal 35 US-Dollar monatlich zahlen, um etwa einen Spurhalteassistenten nutzen zu können.

Offenbar nimmt sich BMW diese Studie zu Herzen, denn künftig sollen Assistenzsysteme im Abo verkauft werden. Als Beispiel etwa die Einparkhilfe, die im Abo gekauft werden kann. BWM habe festgestellt, dass softwarebasierte Dienste, wie das Herunterladen eines Einparkhilfeprodukts, sehr gut angenommen werden. So kostet etwa der Parking Assistant Professional 18 Euro monatlich und kann dafür (wer hätte es geahnt) automatisch einparken, wenn man einmalig die Wegstrecke abgefahren ist. So fährt der BMW etwa selbstständig aus engen Garageneinfahrten. Der Fahrer kann neben dem Auto stehen und den Parkvorgang mit seinem iPhone und der My-BMW-App überwachen. Damit ist man sicherlich der Held in der Nachbarschaft... wer's braucht.

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