Bei einigen Berufen war man sich zu gewisser Zeit relativ sicher, dass es diese auch noch in zig Jahren geben würde. Oder man dachte auf der anderen Seite, dass bestimmte "Trends" nur eine "Mode-Erscheinung" sein sollten. „Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich setze auf das Pferd.“ urteilte Wilhelm II, nachdem er im Jahr 1904 einen Mercedes Simplex getestet hatte. Tja, er sollte sich irren.
Geschätzt wird, dass heute mehr als 1 Billion Fotos pro Jahr gemacht werden! 85% davon mit einem Smartphone, lediglich rund 10% mit einer Digitalkamera. Google gibt offiziell an, dass Geräte mit Android etwa 93 Millionen Selfies pro Tag anfertigen. Überhaupt: Jedes dritte Foto von Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren ist ein Selfie. Durchschnittlich haben Benutzer_innen von iOS-Geräten etwa 2.400 Fotos auf dem Telefon, bei Android sind es im Schnitt ca. 1.900 Fotografien. Ein grosser Teil davon landet im Internet: Auf Instagram werden täglich etwa 95 Millionen neue Fotos hochgeladen. Über 300 Millionen Fotos werden täglich auf Facebook hochgeladen. Aus den Geräten heraus, also klassisch auf Papier oder als Poster/Wandbild schaffen es wohl nur die Allerwenigsten.
Der Name "Kamera" leitet sich vom Vorläufer der Fotografie, der Camera obscura („Dunkle Kammer“) ab, die bereits seit dem 11. Jahrhundert bekannt ist und Ende des 13. Jahrhunderts von Astronomen zur Sonnenbeobachtung eingesetzt wurde. Ein Durchbruch war 1550 die Wiedererfindung der Linse, mit der hellere und gleichzeitig schärfere Bilder erzeugt werden können. Zwei Jahre nach der Erfindung der eigentlichen Fotografie wurden ab 1840/41 die ersten Fotoateliers eröffnet. Also sprechen wir von grob 200 Jahren Fotografie an sich. Seitdem hat sich enorm viel getan. Nicht nur im Bereich der Fotografie.
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| Vom besonderen Ereignis zum Alltagsmoment - Quellen: Pixolum und Teltarif |
Früher dachten die Menschen sicherlich einmal, "geschrieben wird doch sicher immer". Ja, doch heute zunehmend auf elektronischem Weg, sprich via E-Mail. Heute sind mehr als 300 Milliarden E-Mails weltweit im Umlauf - wohlgemerkt TÄGLICH! Die Menschen, die ihr Briefpapier hervorkramen, ihren Füller öffnen, ihren gedanklichen Ergüssen freien Lauf lassen und dann eine Briefmarke auf's Kuvert pappen, um ihn dann zum Postamt zu tragen und abstempeln zu lassen, sind (sehr) selten geworden. Vermutlich ein Grund, warum die Dänische Post jüngst ankündigte, sich 2026 von diesem (unrentablen) Dienst zu verabschieden. Ja, die Dänische Post verschickt bald keine Briefe mehr. Um 90 Prozent sei die Zahl der verschickten Briefe in Dänemark seit dem Jahr 2000 gesunken. Viele offizielle Schreiben von Behörden und Firmen werden inzwischen digital versendet, und auch Privates wird immer mehr per Handy anstatt per Karte oder Brief mitgeteilt. Damit sich der ganze Wumms überhaupt noch annähernd rentierte, zahlte man innerhalb des Landes zuletzt für einen Brief umgerechnet 3,85 Euro (mit einer Laufzeit von bis zu fünf Tagen!) und wer einen Brief oder eine Karte von Dänemark nach Deutschland schicken will, zahlte sogar umgerechnet 6,70 Euro. Für eine Postkarte! Du kannst deutschlandweit ein Päckchen mit bis zu 2kg billiger verschicken! Die Gebühr für ein Produkt, dass immer weniger Menschen nutzen, so drastisch anheben und nun ganz abzuschaffen - das sollte die Deutsche Post sich trauen... hierzulande werden Petitionen geschrieben und Sammelklagen eingereicht, wenn mal ein Briefkasten abgebaut wird, weil darin mehr Spinnen nisten, als Briefe eingeworfen werden und man nun 500 Meter zum nächsten Kasten laufen muss.
Früher dachten sicher auch nicht wenige "Reisen wollen die Leute immer" - der Beruf des/der Reiseverkehrskaufmann/-frau hätte an sich also etwas recht Krisenfestes sein müssen. Ja, grundsätzlich schon, aber auch hier ist das "wie" das, was sich verändert hat. Wolltest du früher eine Reise tun, so begab man sich ins Reisebüro, ließ sich etwas vorschlagen/zusammenbauen und fertig war der Lack. Die Leute im Reisebüro hatten einfach andere Zugriffe auf Reisen, als Otto-Normalverbraucher. Heute - dem Internet sei Dank - kann ein jeder eine komplette Weltreise zusammenbasteln, vom Transfer zum Flughafen, dem Flug selbst, Kreuzfahrt, Abenteuer-Safari, bis hin zum Hotel oder AirBnB. Und (lt. eigener Auskunft) greift man dabei auf dieselben Systeme zu, wie die Beschäftigten im "good old" Reisebüro.
Und dann (und damit zurück zum eigentlichen Thema heute) sind da Bereiche/Berufe, die schlicht vom Lauf der Zeit bzw. vom Wandel der Technik überholt werden. Fotografen_innen als Beispiel. Damals, also ganz früher, kam da jemand mit einem großen schwarzen Kasten auf einem Stativ, verschwand unter einem schwarzen Stück Stoff, hielt eine Art Stab in die Luft, auf welchem schlussendlich ein Pulver "explodierte" und dann durfte man sich für eine Viertelstunde nicht bewegen, während die Fotoplatte belichtet wurde. Das war ein Großereignis, für das sich schick zurechtgemacht wurde und leisten konnten sich das natürlich nur die Wenigsten.
Wir überspringen einige Wandlungen in dem Bereich... Kameras wurden kleiner, Filme für jedermann erhältlich. 1973 veröffentlichte Paul Simon das Lied "Kodachrome". Das Lied wurde nach dem 35-mm-Film Kodachrome von Kodak benannt. Kodak brachte diesen Film 1935 auf den Markt. Es ist ein eingetragenes Markenzeichen, weshalb Kodak von Paul Simon verlangte, dass das Album das Registered-Trade-Mark-Symbol (®) nach dem Liedtitel ausweist. Im Gegenzug verwendete Kodak in den 1990ern das Lied aber auch als Werbe-Song. Eigentlich arbeitete Paul Simon damals an einem Song mit dem (Arbeits-)Titel „Coming Home“, als er zufällig auf das (ziemlich ähnlich klingende) Wort „Kodachrome“ stieß. Er hatte zunächst wohl keine Ahnung, was das bedeutete, aber er wusste, dass es ein viel interessanteres Lied als „Coming Home“ geben würde. Konkret heißt es im Songtext:
Kodachrome
They give us those nice bright colors
Give us the greens of summers
Makes you think all the world's a sunny day, oh yeah
I got a Nikon camera
I love to take a photograph
So mama, don't take my Kodachrome away
Der Farbfilm an sich war lange Zeit sündhaft teuer, weshalb "Hans und Franz" mindestens bis in die 1960er ausschließlich schwarz-weiß fotografierten. Das Lied wurde (allgemein formuliert) zu einer Wertschätzung für die Dinge im Leben, die unsere Welt „bunt machen“. Der Song ist aber gewissermaßen auch eine Hommage an die Firmen Nikon und Kodak - seinerzeit weltmarktführend im Bereich Fotografie.
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| Pocket-Kamera mit Blitzwürfel von Kodak - Quelle: Kameramuseum.de |
Früher - die Älteren werden sich erinnern, hatte man entweder so eine Pocket-Kamera, die man zusammenschieben musste, wahlweise auch noch mit so einem Blitz-Würfel oben drauf, eine Spiegelreflexkamera oder eine Zeit lang eine Polaroid-Kamera, welche die Bilder sofort entwickelte. Da waren die Fotografie-Versuche stark limitiert. Die Kleinbildfilme gab es in unterschiedlichen Belichtungen bzw. Lichtempfindlichkeiten (z.B. 200 und 400) sowie meist als 24er- oder 36er-Film, also für 24 oder 36 Fotos. Nostalgiker müssen für solch einen Film heute tief in die Tasche greifen - mitunter rund 15 Euro.
Und ob dann auch wirklich alles was geworden ist, das sah man dann mitunter (außer bei der Sofortbildkamera) erst einige Wochen später, wenn man den Film zum entwickeln gab und sich für ein Format (z.B. 9x13 oder 10x15) entschieden hat. Und nachdem jede/r im Fotolabor die gesamten Urlaubsaufnahmen, die gemeinsamen Nacktfotos oder was-auch-immer anschauen konnte. Tja, Fotos waren zu der Zeit gewissermaßen wie Postkarten. Nix da mit "privat". Es war also immer eine Überraschung, wenn die Bilder endlich fertig waren. Da konnte man nicht schnell mal prüfen und sagen "Oh, du hattest die Augen zu, nochmal bitte!" und im Zweifel merkte man erst zu Hause, dass man bei den ganzen Fotos der Akropolis den Daumen vor der Linse hatte. Meine Güte, was haben wir im Keller noch für Fototaschen voller analoger Bilder, die niemals ein Fotoalbum o.ä. gesehen haben. Dazu dann im Vordertäschchen die Negative, wenn man noch Abzüge machen möchte. Das ist auch alles ein Fall für "Das müsste man mal irgendwann digitalisieren!" (übersetzt: Irgendwann ungesehen wegwerfen).
Fotografen_innen aller Länder hatten dann auch (vereinfacht ausgedrückt) mehr oder minder zwei Verkaufsgrundlagen:
- Verkauf von Equipment (Kameras und Filme)
- Anfertigen von Fotos für unterschiedliche Anlässe (beispielsweise Familien-, Bewerbungs- oder Passbilder)
Beide Standbeine sind mittlerweile arg vom Aussterben bedroht. Ersteres, weil jede/r heutzutage in der Hosentasche ein komplettes Fotostudio mit sich herumträgt. Je nach (Zusatz-)Software und Talent lassen sich Fotos unterschiedlichster Art und Qualität anfertigen, bearbeiten, Hintergünde ändern, rote Augen retuschieren und noch vieles mehr. Jede/r ist ein/e Künstler/in. Und klassisch Fotografieren, also mit aufwändiger Kamera und (Kleinbild-)Film, das machen häufig nur noch Nostalgiker_innen oder als reines Hobby. Die haben sich dann auch im Keller womöglich eine Dunkelkammer eingerichtet und hantieren mit Entwickler und Co..
So zog es viele nur noch zum Fotografen, wenn sie für den Ausweis ein neues Bild brauchten, denn das muss seit einiger Zeit strengen biometrischen Daten/Vorgaben genügen. Seit 2024 brauchen sogar Babys einen Personalausweis. Doch da sind einige Ämter auch mitunter nicht ganz so streng und sagen, "es muss jetzt kein top-aktuelles Foto sein..." - Alter! Das Kind ist drei Monate, es gibt NUR aktuelle Fotos!
"Naja, es reicht, wenn das Kind gerade sitzt, halbwegs geradeaus und neutral guckt" - toll, dass sind alles Dinge, die ein Baby NICHT kann. Da könnte man auch direkt sagen "Wir brauchen noch eine Unterschrift von ihrem Baby... aber es reicht Druckschrift!". Fragt man nach "Darf es denn jetzt gar nicht lächeln?" wird das Amt vermutlich nochmal in den Bedingungen nachschauen und den deutschesten Satz ever sagen "Doch bis zwei Jahre ist Lächeln in Deutschland erlaubt.". Halten wir also fest: Du hast zwei fucking Jahre, wo du lächeln darfst, die restlichen 80 musst du dreinschauen, als hättest du ein Graubrot quer im Arsch. Und dann ist der Personalausweis sechs Jahre gültig... UNTER DER VORAUSSETZUNG, dass sich das Kind nicht merklich verändert. Merkste selber, oder?
Sei es wie es sei. Passfotos sind laut diesem Artikel das "Brot und Butter"-Geschäft der Fotogeschäfte, alles was dann dazu kommt, wie beispielsweise Hochzeitsfotografie o.ä. ist "Verdienst on top". Und das Geschäft wird nun auch noch abgegraben. Früher ist man ins Geschäft, sagte, man braucht Passfotos, hat sich hingesetzt, der Fotograf rückte einen ins rechte Licht, drückte den Auslöser seiner Digitalkamera und eine Viertelstunde später kam man wieder und erhielt vier rechteckige Bilder für knapp 20 Euro. Diese digital angefertigten und nun analog ausgedruckten Bilder trug man dann zum Bürgerbüro, wo mit dieser unnachahmlichen Schablone eins der Fotos herausgestanzt wurde, um es seinerzeit in den Ausweis zu nieten, irgendwann dann aber auch nur noch digital einzuscannen! Ich hatte bereits schon einmal angeregt, dass man den ganzen Mist digitalisieren sollte. Die Fotostudios einigen sich auf eine Datenbank mit den Ämtern, geben nach dem Fotografieren einen Code mit, den gibt die-/derjenige beim Beantragen des Passes ein, fertig. Win-win-win-Situation. Das geht so erst seit Kurzem.
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| Gehört(e) wie Stempel und Tacker in jedes (Bürger-)Amt: Passbildstanze - Quelle: Walimex |
Neuerdings steht bei vielen Ämtern im Warteraum nun aber auch ein Passbild-Automat. Man geht also zunächst zum Schalter, bringt den Anlass seines heutigen Besuchs vor und wackelt dann zu diesem Automat. Dort lässt man ein Foto anfertigen, welches dann durch Zauberhand (oh Wunder) den Weg auf den Rechner des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin findet. Dieser Zusatzservice kostet irgendwas um die sechs Euro (die Dinger sind ja auch nur von irgendwelchem Dienstleistern angemietet).
Und somit wird es vermutlich vielen Foto-Fachgeschäften so ergehen, wie dem örtlichen, das nach 43 Jahren nun seine Pforten für immer schloss. Werden wir sie (schmerzlich) vermissen, wie die Handwerksbäckerei, von denen es bereits 2010 täglich eine weniger gab (heute noch viel mehr), weil wir unsere Brötchen lieber für 19 Cent im Supermarkt kaufen? Ich vermute mal nein. Ohne den Fotografen_innen dieser Welt zu nahe treten zu wollen, aber es sind mit dem Wandel der Zeit viele andere Berufe ausgestorben: Man denke nur an den Laternenanzünder, Telefonistin, Setzer/Buchdrucker oder viele andere. Vieles wurde modernisiert, digitalisiert und nicht wenige fragen sich: Ist mein Job eigentlich sicher vor künstlicher Intelligenz? Aber das wäre ein Thema für einen gesonderten Artikel.



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