Seifenoper, Soap-Opera oder "Daily Soap" - egal wie man es nennt, es bleibt alles dasselbe: Eine seelenlose Fernsehpampe, mit vorhersehbaren Dialogen und so wenig Bezug zur Realität wie in "Scheuermilch" Andreas Scheuer oder Milch enthalten ist.

Soaps machen ebenso süchtig, wie Drogen - Screenshot: Walulis
Kurz zum Bildungsauftrag: Eine Seifenoper ist ein serielles Unterhaltungsformat im Fernsehen, ursprünglich/heute nur gelegentlich auch im Hörfunk, das einmal (englisch "Weekly Soap") oder mehrfach wöchentlich bis täglich (englisch "Daily Soap") in Form einer Endlos-Serie ausgestrahlt wird. Das Programmformat der Daily Soap hat seinen Ursprung im US-amerikanischen Radio: Die erste Soap-Opera lief mit Betty and Bob am 10. Oktober 1932 erstmals bei NBC mit dem Cereal-Sponsor "General Mills" über die Radiosender. Erdacht wurde die Serie von Frank Hummert und Anne Ashenhurst, die als Erfinder der Soap-Opera gelten und sieben der ersten elf Seifenopern schrieben. Die morgens ausgestrahlten „Daytime Serials“ sollten Hausfrauen als Konsumentinnen gewinnen. Das Konzept basierte auf der industriegesellschaftlichen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau in den USA in der Mitte des 20. Jahrhunderts, als sich die Zahl nicht erwerbstätiger Hausfrauen auf ihrem Höhepunkt befand. Sie hatten die Möglichkeit, Vormittags das Radio und später den Fernseher einzuschalten und waren an leichter Unterhaltung während der Hausarbeit interessiert. Entsprechend entwarf man die Familienserien für die Wünsche und Interessen der weiblichen Hauptzielgruppe. Innerhalb einer Folge gab es mehrere Werbeblöcke, in denen Artikel der Waschmittelhersteller dominierten. Daher "Seifen-Oper".
In der Geschichte des Fernsehens hat es einige davon gegeben. Im öffentlich-rechtlichen z.B. über 35 Jahre und 1.758 Folgen hinweg die erste deutsche Seifenoper "Lindenstraße" (als "Weekly Soap", wenngleich ohne jegliche Werbung, da Sonntags in der ARD ausgestrahlt) oder auch "Verbotene Liebe (next Generation)" mit über 4.600 Folgen seit 1995. Eine der längsten war die US-amerikanische "Springfield Story", welche in den Anfangsjahren vormittags bei RTL lief, mit nicht weniger als 15.762 Folgen (von 1953 bis 2009), dicht gefolgt von "General Hospital" mit knapp 15.000 Folgen seit 1963. Dann gibt es noch sogenannte "Reality"-Soaps wie "Köln 50667" oder "Berlin - Tag & Nacht" (die hier auch sehr schön persifliert wurden) - mit "Reality" haben diese Formate aber ebensowenig zu tun, wie die Deutsche Demokratische Republik "demokratisch" war. Auch Pro7 versuchte sich übrigens 1999 an einer Daily Soap mit dem Titel "Mallorca - Suche nach dem Paradies". Was soll da schon schief gehen, mit der Deutschen liebsten Ferieninsel? So einiges: Nach 200 Folgen und nicht mal einem Jahr war schon wieder Schluss. Danach hat man dieses Experiment auch nicht wieder gewagt.
Da kann ein Kölner Privatsender nur müde lächeln: Am kommerziell erfolgreichsten ist RTL mit seinen drei Flagschiffen "Unter uns" (seit 1994, 7.250+), "Alles was zählt" (seit 2006, 4.350+) und natürlich "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", die uns bereits seit 1992 in mehr als 8.400 Folgen werktäglich beglücken. Um 17:30 Uhr darf "Unter uns" anteasern, bevor es um 19:05 Uhr mit "Alles was zählt" und 19:40 Uhr mit GZSZ weitergeht - unterbrochen von "Explosiv", "Exclusiv" und "RTL Aktuell". Die Quoten: "Alles was zählt" zieht roundabout 2 Mio. Zuschauer_innen in den Bann, was ca. 11 bis 14% Marktanteil entspricht. "Unter uns" schafft es noch auf rund 1 Mio. Fans (etwa 11% Marktanteil). GZSZ begeistert etwa 3 Mio. und kommt auf knapp 19% Quote.
Und dieses Programm lohnt sich für den Sender: Ein Drehtag dauert in der Regel zehn Stunden, in denen etwa 20 Szenen oder 25 bis 30 Minuten fertiges Programm produziert werden. Also beinahe täglich eine neue Folge. Davon kann man beim Film nur von träumen. Die Kosten pro Folge werden auf etwa 30.000 Euro geschätzt - valide Zahlen scheinen nicht zu existieren. Ein 30-sekündiger Werbespot zur Prime-Time bei RTL wird mit etwa 80.000 bis 100.000 Euro taxiert. Jetzt kann man mal überlegen, wie viele Spots in den (min.) zwei Werbeblöcken einer Soap laufen und wie dann die Gewinnmarge sein wird. Die Werbedauer bei privaten Sendern ist auf etwa 12 Minuten pro Stunde begrenzt (auch wenn es einem meistens länger vorkommt), aber das bedeutet etwa 24 Spots á 30 Sekunden für etwa 90.000 Euro, also knapp über 2 Mio. Euro. Da kann man dann auch mal locker 100.000 Euro für ein "Gewinnspiel" raushauen (das ja auch nochmal 50 Cent pro Anruf bringt): "Rufen Sie jetzt an und nennen Sie das Kennwort 'DOOF' und schon morgen können die 100.000 Euro auf ihrem Konto sein!" (oder eben nicht). Nur mal zur Verdeutlichung der Dimensionen!
Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann: Über diese erfundenen (!) Handlungen wird berichtet, wie über normale Nachrichten! Da findest du bei Google News dann Schlagzeilen wie "Richard denkt an den Tod", "Vincent fasst einen dramatischen Entschluss" oder "John verliert völlig die Fassung!". Also, es geht nicht um den/die Schauspieler/in, welche vielleicht die Serie verlassen will o.ä., sondern um die Figur, welche verkörpert wird und was mit ihr in der Serie passiert! So etwas schafft es in die Schlagzeilen! Klimawandel, Krieg, Inflation? Völlig egal, was genau fällt Stella denn auf, dass ihre Mutter ihr verheimlicht?

"Nachrichten", die die Welt nicht braucht - Screenshot Google News
Und diese ganzen Pappnasen sind völlig beliebig austauschbar und grob gesagt geht es meistens immer nur darum wer wen mit wem betrügt oder integriert. Da geht es dann um schwerwiegende Skandale, Drogengeschäfte, gerne auch mal ein Mord oder sonst etwas. Da hat keiner Probleme wegen einer Steuernachzahlung, hat Angst um den Job, findet keinen KiTa-Platz oder weiß nicht, wie er/sie die Reparatur vom Auto bezahlen soll, um zur Arbeit zu kommen. Da fährt auch keiner stundenlang mit der U-Bahn zur Arbeit, die wohnen und arbeiten alle in ihrem Viertel, nein fanciger: "Kiez". Und selbstverständlich trifft man sich während des Einkaufens nicht beim Netto oder im Rewe. Die kaufen ihren ganzen Summs immer schön im Späti - ein Pfund Bananen für 5,60€? Gerne noch ein 4er-Pack Küchenrollen für 7,20€ dazu? Da hat auch keiner ein 2-Raum-Nichts mit Toilette auf halber Treppe. Die wohnen entweder in irgendeiner WG oder aber in luxoriösen Lofts, wo immer (!) das Licht brennt (auch wenn die einzige Person im Raum gerade nach Hause kommt). Da ist auch niemand "Gas-Wasser-Scheiße"-Monteur, Medizinisch-Technische Assistenz oder arbeitet im Bürgerbüro als Verwaltungsfachangestellte und gibt Persos oder Kennzeichen aus. Nein, die sind mindestens selbständig und haben ihre eigene Boutique, sind erfolgreiche Eiskunstläufer_innen oder Tennisspieler_innen, haben alle tolle Jobs in irgendeiner hippen Kanzlei/Agentur, leiten wer-weiß-was für eine fancy Bar/Kneipe/Restaurant, welches dann auch der einzige gemeinsame Treffpunkt für die gesamte Mischpoke ist ("Lieblingspunkt" - FKA "Sieben" -, "Mauerwerk", "Schiller"). Die wohl den meisten auch nicht-Daily-Consumern geläufige Figur wird sicher Hans-Joachim "Jo" Gerner aus GZSZ sein. Allein er war in seiner Soap-Karriere bei GZSZ Anwalt, Chefredakteur, Restaurantbesitzer, Airline-Inhaber und Bürgermeister von Berlin-Mitte. Mehr Jobs hat/te lediglich Benjamin Blümchen!

Der Aufbau jeder (!) Soap - Grafik: Walulis
Und die Handlung ist auch immer gleich (wie hier sehr schön analysiert)... bzw. es sind mehrere Handlungsstränge, welche immer wieder abwechselnd fortgeführt werden. Sie unterscheiden sich zumeist in drei ineinander verwobene Handlungen.
- Zum einen der sogenannte "Cliff-Strang", welcher in der Regel ein dramatisches Ende zur Folge hat ("Das Donnerwtter").
- Unterbrochen wird dieser Strang vom sogenannten "Pen-Strang", dessen Hauptaufgabe es ist, einen Konflikt für die nächste Folge vorzubereiten ("Wolken ziehen auf").
- Dazwischen kommt der "Wash-Up-Strang", mit der Aufgabe, bisherige Konflikte vorläufig abzuschließen ("Es wird wieder sonnig und heiter"), aber bei Bedarf auch immer wieder irgendwann in der Zukunft wieder aufgreifen zu können (wie oft sind Totgesagte später auf mysteriöse aber wenig glaubhafte Art und Weise wieder aufgetaucht?).
- Maximilian unter Druck: Maximilian sieht sich gezwungen, Gabriella und seine Familie für seine eigenen Ziele zu opfern. Dieser Schritt fällt ihm schwer, da gleichzeitig Kilian den Druck auf ihn erhöht, was die Situation weiter verkompliziert.
- Richards Angst: Richard vertraut nur Ben seine Angst (vor der Operation) an.
- Nele und Dating: Nele probiert mit Leylas Hilfe eine exklusive Dating-App aus. Durch Leylas Unterstützung scheint Nele ein perfektes Match zu finden, dabei handelt es sich augenscheinlich jedoch um denjenigen, in welchen Leyla selbst verliebt ist, dies aber vehement abstreitet.
Man fragt sich, wer denn Kilian, Ben und Leyla sind? Tja, man hätte das auch beliebig mit John, Katrin und Emily oder auch Ute, Paco oder Ingo austauschen können, hätten wohl nur eingefleischte Fans bemerkt. Die zweite Namensreihe stammt von GZSZ und die dritte von "Unter uns".
Die Schauplätze springen dabei ebenfalls hin und her:
- Anfangs gibt es den üblichen Rückblick ("was bisher geschah")
- Erste Szene: Richard bezieht sein (Privat-)Zimmer im Krankenhaus (generell liegen die in diesen Serien - egal wer - NIE im 4-Bett-Zimmer, schon mal aufgefallen?)
- Freundinnen treffen sich "ganz zufällig" am Imbiss vorm "Steinkamp Sport und Wellness"
- Wieder zurück ins Krankenhaus, zufälliger Plausch auf dem Flur am Kaffeevollautomaten, wie er wohl in kaum einem Krankenhaus auf dem Flur stehen wird (da stehen immer diese mannshohen Automaten, die immer nur €1,70 passend abgezählt ohne Wechselgeld annehmen und aus denen Gulaschsuppe, Kaffee und Kakao aus ein- und denselbem Schlauch in einen puddinggelben Becher tröpfeln)
- Ab in die WG im hippen "Industrial-Design" (allein die Miete für die Fläche des Wohn- und Kochbereichs würde mit Sicherheit das gemeinsame Budget sprengen und dann hat ja noch jede/r sein eigenes Zimmer)
- Nochmal Krankenhaus: Tiefgründige Gespräche auf der Bettkante
- Neuer Schauplatz: Treffen in der Stammkneipe
- Es geht in das "Steinkamp Sport und Wellness", diskrete Gespräche an der Rezeption
- Wieder ins Stammlokal, aber mit neuen Protagonisten, dann zurück in die WG, auf ein Feierabend-Getränk und wieder ins Stammlokal und wieder in die WG
- Dann im Lokal: Neuer Handlungsstrang
- Neuer Tag: Wieder ins "Steinkamp Sport und Wellness" - Probleme wälzen im Büro
- Und auch nochmal ins Krankenhaus - die OP steht an, danach noch ein Plausch auf dem Krankenhausflur
- Es gibt Frühstück in der Stammkneipe, wo dieselbe Trulla hinter der Theke steht, wie am Abend zuvor (muss sich wohl um die Besitzerin handeln - Arbeitszeitrechlich nicht anders zu begründen)
- "Steinkamp Sport und Wellness": Trulla beim Training und anderen unbedeutenden Dingen (erstes Match in der Dating-App)
- Wir sind nochmal am Imbiss vor dem Steinkamp-Tempel
- Und zum Abschluss wieder ins Krankenhaus - Richard wird zur OP gebracht - wird er sie überleben? Das erfahren wir morgen (Cliffhanger)
Was dabei besonders interessant ist: RTL schafft hier ein sehr spezielles Cross-Marketing. Die Aktion "Wir helfen Kindern", welche dieses Jahr ihr 30jähriges Jubiläum feiert, findet gaaaanz zufällig Platz in der Serie. Aber nicht nur ein- oder zweimal oder gar durch eine banale Bauchbinde/Einblendung. Nein, in der Serie hängen überall Plakate. Und wenn ich "überall" sage, meine ich Ü-BER-ALL:

Noch sehr dezent, vor dem "Steinkamp", Plakat im Schaukasten - Screenshot RTL+
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| gleiche Szene, andere Kameraeinstellung, Plakat am Imbiss - Screenshot RTL+ |

"Ich durfte als Statist bei 'Alles was zählt' auf ein Plakat starren" - Screenshot RTL+
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| Auch im Stammlokal (zum Ersten) Werbung für den Spendenmarathon - Screenshot RTL+ |
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| Im "Steinkamp" an der Rezeption und auch bei den Aufzügen - Screenshot RTL+ |
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| Und nochmal im Krankenhaus - Screenshot RTL+ |
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| Hier im Stammlokal besser zu sehen, Plakat neben und Sammelbüchse auf dem Tresen - Screenshot RTL+ |
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| Nochmal am Imbiss - Screenshot RTL+ |
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| Für alle, die es bislang noch nicht mitbekommen haben: Im Stammlokal die Bankverbindung jetzt sogar zum Abschreiben - Screenshot RTL+ |
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| Und in der Schlussszene natürlich nochmal ganz präsent im Bild - Screenshot RTL+ |
Es ist ein Wunder, dass nicht auch in Büros und Privatwohnungen das Plakat zu finden war. Aber bei der im Anschluss laufenden GZSZ-Folge ist es auch auf der Straße an Laternen zu sehen gewesen.








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